Freitag, 24. Oktober 2014

DER SIEG VON EVO MORALES zeigt, wie sehr sich Bolivien verändert hat


Federico Fuentes


23. Oktober 2014
Evo Morales hält ein Coca-Blatt hoch - damit begann sein Siegeszug
Die Vorhersagen der Umfragen und Kommentatoren, dass Evo Morales die Präsidentenwahl am 12.Oktober lässig gewinnen wird, bestätigten sich, als er 60 % der Stimmen erhielt.

Die meisten Leute sind jedoch verschiedener Meinung, warum die 'Bewegung Richtung Sozialismus (MAS)' von Morales nach fast 10 Jahren an der Macht immer noch so hohe Unterstützung genießt.

Ihre Erklärungen neigen dazu, sich auf spezifische oder politische Faktoren zu konzentrieren, wie die gestiegenen Rohstoffpreise oder die Fähigkeit der MAS, die sozialen Bewegungen des Landes zu kontrollieren oder zu kooptieren.

Um jedoch zu verstehen, warum Morales bald der am längsten an der Macht stehende Präsident in einem Land ist, das für seine Staatsstreiche und Rebellionen berühmt ist, ist es notwendig, die tiefgreifenden Veränderungen unter seiner Präsidentschaft zur Kenntnis zu nehmen.
Ökonomische Umwandlung

Der alte Spruch "Es ist die Wirtschaft, Dummkopf", trifft genau die Gründe für Evos Sieg. Manche sagen, dass Morales einfach auf einer Welle von hohen Rohstoffpreisen schwamm oder der fortlaufenden Ausdehnung der lukrativen extraktiven Industrie, die auf soziale oder Umwelt-Kosten keine Rücksicht nimmt, um die Gelder zu nutzen, um seine Popularität zu erhöhen.

Doch diese Ansichten ignorieren (oder verschweigen absichtlich) eine grundlegende Wahrheit, nämlich, dass Boliviens wirtschaftlicher Erfolg ein direktes Ergebnis des Programms der MAS-Regierung für ökonomische Neugestaltung ist.

Dieses Programm konzentrierte sich darauf, die übernationale Kontrolle über die heimische Wirtschaft zu schwächen und die Wirtschaft zu diversifizieren und aus  ihrer Abhängigkeit von Rohstoffexporten zu lösen.

Ein Schlüsselpunkt dieses Programms war das Dekret von Morales im Jahr 2006, den überaus wichtigen Gas-Sektor zu nationalisieren.

Ohne diesen Schachzug wären alle höheren Rohstoffpreise unausweichlich aus dem Land geflossen, so wie unter allen früheren Regierungen.

Stattdessen hat das Ansichreißen und die dramatische Umverteilung der Gasreichtums geholfen, einen enormen Anstieg der heimischen Nachfrage zu ermöglichen, da gewöhnliche Menschen aus der Armut herauskamen und endlich ihre grundlegenden Bedürfnisse decken konnten.

Tatsächlich haben Boliviens Rekord-Zuwachsraten mehr mit dem Hochschnellen des inneren Marktes zu tun als mit externer Nachfrage, die wirklich einen negativen Effekt auf das Wachstum während der globalen ökonomischen Krise hatte.

Das aus der Nationalisierung entstandene höhere Einkommen ermöglichte es der Morales-Regierung, Schritte zu unternehmen, um die heimische Wirtschaft weniger abhängig von den Rohstoffexporten zu machen.

Die Regierung hat Industriealisierungs-Programme gestartet, die Bolivien bald aus einer Position, veredeltes Gas zu importieren, in einen Flüssigkeits-Gas-Exporteur und anderer Derivate (zu viel höheren Preisen) zu verwandeln.

Außerdem hat die Umverteilung der Gaseinnahmen auf andere produktive Sektoren das Wachstum von nicht-extraktiven Industrien erleichtert. Das trifft vor allem auf jene Sektoren zu, die Einkommen für die Mehrheit der sozialen Basis der MAS mit sich bringen, die sich hauptsächlich aus Kleinbauern, Bergarbeiter-Kooperativen, Straßenverkäufern und Angestellten in Familien- oder Mikro-Unternehmen zusammensetzt.

Ökonomische Diversifizierung hat auch bedeutet, dass das Produktionswachstum dieser Betriebe im vergangenen Jahr die Bergwerk- und Gassektoren überflügelt hat.


Evo Morales: "Europa und die USA sind in der Krise, weil sie uns nicht länger ausbeuten können."

Die Idee, dass der Erfolg von Morales das Ergebnis externer oder interner ökonomischer Faktoren wie höherer Rohstoffpreise oder Abhängigkeit von bestehenden extraktiven Industrien zu tun habe, ist ebenso simpel wie falsch.

Die Wahrheit ist, dass die Unterstützung für Morales in der Tat ein Ergebnis der wirtschaftlichen Transformation ist, die in Bolivien stattgefunden hat.

Politische Revolutionierung

Analytiker ignorieren auch die kritische Rolle, die Boliviens indigenen und sozialen Bewegungen bei der Revolutionierung des politischen Gepräges im Lande gespielt haben.

Zwar wurde die Nationalisierung von Boliviens Gas offiziell durch die Morales-Regierung erklärt, aber in Wirklichkeit war sie das unmittelbare Ergebnis eines jahrelangen Kampfes des bolivianischen Volkes.

Der Kern dieser Kämpfe war die Forderung, das Gas zu nationalisieren, um diesen Reichtum zur Deckung der Bedürfnisse des Volkes umzuleiten.

Es ist nicht überraschend, dass die Meinungen, wie dieser Reichtum verwendet werden sollte, auseinandergingen. Angesichts der hoch organisierten und mobilisierten Natur von Boliviens verschiedenen Klassen des Volkes, traten diese Differenzen oft in den Straße zutage. Das Ergebnis war, dass die 2. Regierung Morales (2009-2014) die höchste Anzahl von Protesten in der Geschichte Boliviens aufwies.

Nur ein winziger Prozentsatz dieser Proteste drehte sich um Fragen, die mit Ressourcen-Extraktion zu tun hatten. Die weitaus meisten Proteste gingen um die Verteilung der Ressourcen. Etwa um den Zugang zu grundlegenden Dienstleistungen bis zur Neugestaltung der Wahl-Grenzen und damit verbundene Veränderungen der Zuweisung von Geldern. Oder es gab Mobilisierungen gegen spezielle ökonomische Maßnahmen (z. B. Razzien gegen Schmuggler oder die Besteuerung der Bergarbeiter-Kooperativen).

Die Rekordzahl der Proteste scheint der Idee, dass die MAS erfolgreich Boliviens soziale Bewegungen kooptiert habe, entgegenzulaufen. Doch dann stellt sich die Frage - wenn die bolivianische Bevölkerung mehr protestiert hat denn je zuvor, wieso kann Morales seine Popularität behalten?

Die Erklärung liegt in der Tatsache, dass die Wahl von Morales viel mehr ankündigte als nur den Antritt der ersten indigenen Person im Präsidentenpalast. Sie markierte den Beginn einer politischen Revolution, die allmählich Boliviens alte politischen Eliten von der Macht verdrängt hat und mit Vertretern der indigenen Menschen des Landes und Leuten aus dem Volk ersetzt hat.

Für diese Mehrheit repräsentiert die MAS-Regierung ein Bollwerk gegen die Rückkehr zum Bolivien von gestern, das von korrupten weißen Eliten geführt wurde. Mehr noch, für die meisten indigenen Menschen und sozialen Bewegungen ist die MAS- Regierung "ihre" Regierung.

Dies bedeutet nicht, dass die Menschen der MAS einen Blanko-Scheck ausgehändigt haben. Die MAS-Regierung musste schon mehrmals auf den Druck des Volkes hin in gewissen politischen Fragen nachgeben.

Doch ist keiner dieser Proteste eine grundlegende Herausforderung der MAS-Gesamtvision von Bolivien gewesen, gerade deshalb, weil diese Vision großenteils durch die Kämpfe und Forderungen des Volkes selbst entstanden ist. Diese Konflikte sind vorwiegend Dispute darüber gewesen, wie man am besten dieser Vision zur Wirklichkeit verhilft.

Bis jetzt ist die Antwort der MAS die gewesen, den Dialog und Konsens zu suchen, zurückzuweichen, wenn notwendig, aber immer zu versuchen, den Prozess auf das Ziel hin voranzutreiben.

Morales fast ständig dieses Herangehen zusammen, indem er den Zapatista-Slogan benutzt: "Regieren durch Gehorchen".

Dieses Herangehen ermöglichte es der MAS, mit dem Rückhalt von allen wichtigen indigenen, Bauern-, Arbeiter- und städtischen Armen-Organisationen des Landes in die Wahlen zu gehen und ihren enormen Sieg zu erzielen.

Das Versagen der Oppositionskräfte und Kritiker, die Tatsache zu erkennen oder zu akzeptieren, dass eine politische Revolution stattgefunden hat und eine bedeutende ökonomische Transformation stattfindet, erklärt, warum sie so vollständig den Kontakt mit der Mehrheit der bolivianischen Gesellschaft verloren hat.

Boliviens Prozess der Veränderung ist noch lange nicht vollendet und er kann immer noch scheitern. Er könnte auch dramatisch beeinflusst werden durch Ereignisse in der Region, z. B. einen Regierungswechsel im benachbarten Brasilien.

Jetzt jedoch haben die Bolivianer wieder einmal überwältigend dafür gestimmt, ihren Prozess der Veränderung voranzutreiben.


Federico Fuentes ist Ko-Autor mit Roger Burbach und Michael Fox von 'Latin America's Turbulent Transitions: The Future of Twenty-First-Century Socialism' (Zed Books 2013].


Quelle - källa - source

2 Kommentare:

  1. Aber Narkotismus ist nicht gut...

    Kjell Martinsson

    AntwortenLöschen
  2. Morales macht irgendwas richtig, denn die Nato Hetzmedien (ja auch die schweizer NZZ) kochen vor Verzweiflung und Wut. Super ist volkswirtschaftlich natürlich, dass die einheimische Industrie und Landwirtschaft die Bodenschätze überholt. Hoffentlich rüstet Morales auch gegen die USA / NATO NGOs auf. Denn die werden wohl bald ihre dreckigen Orangen Revolutionen wie in Lybien, Venezuela, Ukraine oder Syrien starten. Wir wissen doch Alle : Der Westen will Morales nicht, und wenn man sich dem Westen so beugt wie der supernette Hugo Chavez sieht es schlimm aus.
    Die hier mir sehr sympathischen BÜSO Blogger aber auch die Zinseszins-, Finanzsekten möchte ich fragen : Was haltet Ihr von der Vergesellschaftung von Produktionsmittel ? Findet Ihr den historisch seit 100 Jahren überholten Kapitalismus der Superreichen so toll ? Ist der nicht kaputt ? Egal ob die Zinsen im Nullbereich leigen oder sogar negativ sind, egal ob die Währung mit technisch, wertlosen Gold - was man noch nicht mal mehr als Zahnersatz haben möchte - abgesichert werden.Keine Angst : Selbständige Einzelunternehmer nebst mithelfenden Familienangehörige wie Handwerker, Ärzte, Buchhalter, Computerfreaks, spezialisierte Kleinstbauern, Restaurant- / Tante Emmalädenbesitzer sind totzderm höchst willkommen ? In der DDR Verfassung wurden die sogar ausdrücklich gefördert.

    AntwortenLöschen