In diesem Artikel vom 30. August 2011 berichtet John Barry mit stolz geschwellter Brust von den "Heldentaten" der Amerikaner, ohne die den Europäern nie ein Sieg in Libyen vergönnt gewesen wäre. Natürlich flicht er etliche Lügen mit ein, wie der Sturz Gaddafis (der nirgends in Sicht ist), die widerlegte Scud-Geschichte, die Mär von den Präzisionsbomben, die keine zivilen Ziele treffen etc. Aber sein Artikel ist insofern wichtig, als er zeigt, dass die USA nach wie vor alle Fäden in der Hand halten.
Die US-Armee hat bereits 1 Milliarde Dollar für Libyens Revolution ausgegeben und hat eine weit größere Rolle in Libyen gespielt als zugegeben. Sie hat in aller Stille eine „verdeckte Interventions“-Strategie durchgeführt, von der die Obama-Verwaltung hofft, dass sie Amerika kleine Kriege führen lassen kann, wobei man kaum zu entdeckende Spuren hinterlässt.
Offiziell hat Obama die Führungsrolle zum Sturz Muammar Gaddafis den europäischen NATO-Mitgliedern überlassen. Deswegen wurde er von Washingtons Kriegsfalken kritisiert, die meinten, dass die Zusammenarbeit der Europäer mit dem Rebellen-Gesindel ein Rezept für eine Sackgasse und nicht für Sieg wäre.
Aber hinter den Kulissen hat das US-Militär eine unerlässliche Rolle im Libyen-Feldzug gespielt und viel mehr Streitkräfte eingesetzt, als man zugegeben hat. Und im NATO-Hauptquartier außerhalb von Brüssel waren die USA engstens an allen Entscheidungen beteiligt, wie die libyschen Rebellen unterstützt werden sollten, um die Kontrolle über die Städte und die Ölraffinerien zu gewinnen auf ihrem Marsch auf die Hauptstadt Tripolis.
Der Libyen-Feldzug ist eine einzigartige internationale Aktion: 15 europäische Länder, die mit den USA und drei arabischen Ländern zusammenarbeiten. Die Luftoffensive wurde von 29 Luftwaffenbasen in sechs europäischen Ländern aus gestartet. Aber nur sechs europäische Länder haben sich den USA und Kanada angeschlossen, um Luftangriffe gegen Gaddafis Streitkräfte zu fliegen. Das Ausmaß der nicht veröffentlichten US-Rolle bestätigt die Argumente der Falken: eine gespaltene NATO konnte einfach nicht den Krieg führen ohne die außerordentliche Hilfe der USA. Was die Falken unterschätzten, war die Fähigkeit der USA, ohne Öffentlichkeit zu operieren – im militärischen Jargon 'unter dem Radar'.
Laut zwei hohen NATO-Beamten, ein Europäer und ein Amerikaner, waren die kritischen US-Hilfen in der sechsmonatigen Militärkampagne die Folgenden:
- Eine internationale Kriegsflotte wurde vor Libyens Küste
versammelt. Um nicht zu sehr in den Vordergrund zu geraten,
schickten die USA keinen Flugzeugträger. Trotzdem waren das Dutzend
US-Kriegsschiffe das größte Kontingent der Flotte. In den ersten
Stunden des Feldzuges hat ein US-Uboot 100 Cruisemissiles auf die
libysche Luftabwehr abgeschossen und damit einen Flugkorridor für
die folgenden Luftangriffe geschaffen.
- US-Tankflugzeuge tankten die große Mehrzahl der europäischen
Flugzeuge für die Einsätze gegen die Gaddafi-Armee auf. Die
Europäer haben auch welche, aber nicht genug für eine 24-Std. -
Offensive mit im Durchschnitt nach NATO-Rechnung 100 Einsätzen
täglich, davon 50 Bombeneinsätze. Von 40 Tankflugzeugen waren 30
amerikanisch.
- Als die Europäer keine Präzisionsmunition mehr hatten,
haben die USA in aller Stille nachgeliefert. (Das erklärt, warum
die Europäer mit F-16s - Norweger, Dänen und Belgier – den
allergrößten Teil der Einsätze zu Anfang der Kampagne flogen. Die
USA hatten genug Munition, um sie zu versorgen. Als die Briten und
Franzosen mit europäischen Flugzeugen auch keine Munition mehr
hatten, konnten sie keine US-Munition verwenden, bevor nicht in
aller Eile ihre Flugzeuge angepasst wurden.)
- Um Gaddafis Armee anzugreifen, verließ sich die NATO in
großem Umfang auf die US-JSTARS Überwachungsflugzeuge, die vom
Meer aus die Bewegung der Gegner verfolgen konnten. Wenn genauere
Zielinformationen benötigt wurden, wie im Kampf um Misrata und andere
Städte, die von Gaddafis Truppen verteidigt wurden, setzten die USA
Predator-Drohnen ein, um Bilder von Block zu Block zu liefern.
- Die US-Zielspezialisten saßen in NATOs
Operationshauptquartier in Neapel während der gesamten Kampagne.
Sie überprüften die Vorbereitung der „Ziel-Blätter“ für die
Einsätze in Tripolis gegen Gaddafis Hauptquartier und sonstige
militärische Hauptquartiere. (Die Organisation für
Präzisionsschläge von Hochgeschwindigkeitsjets erfordert
Spezialisten. Die Flugrouten nach Tripolis und die Abwurfzeiten
müssen exakt aufeinander abgestimmt werden, damit keine zivilen
Wohnungen getroffen werden.) Es scheint sich also eine neue
amerikanische Kriegsführung herauszuschälen.
- US-AWACS führten, hoch über dem Mittelmeer, den größten
Teil der Kampf-Leitungen durch, indem sie den Luftverkehr bei den
Einsätzen kontrollierten. Auch hier gilt: Europäer haben AWACS,
aber nicht genug Mannschaften für rund-um-die-Uhr-Kampagnen über
Monate hinweg.
- Abhörung des US-Geheimdienstes – zuweilen mit Flugzeugen
oder von Posten direkt außerhalb Libyens – gaben der NATO
unvergleichliches Wissen über Pläne der libyschen Armee.
- All dies war entscheidend für die Hilfe bei der europäischen
Operation. Aber die US-Verwicklung ging weit darüber hinaus.
Insgesamt hatten die USA bis Ende August mehr als 5300 Einsätze
geflogen nach Rechnung des Pentagon. Mehr als 1200 waren
Kampfeinsätze.
- Die Verwaltung hielt sich großenteils an Obamas
Entscheidung, dass die USA keine Truppen nach Libyen schicken würden
(obwohl die CIA Agenten in Tripolis hatte). Britische und
französiche Spezialeinheiten waren vor Ort, trainierten und
organisierten die Aufständischen – ebenso solche aus zwei
arabischen Ländern, Katar und Jordanien. Aber ihre Kommunikation
war von einem Satellitenkanal der USA abhängig. Und die USA
lieferten noch andere High-Tech-Mittel – die NATO-Quellen wollen
sie nicht beschreiben, aber offenbar waren sie niemals zuvor aus der
Hand gegeben worden, nicht mal an Spezialeinheiten.
- Als ein desparater Gaddafi begann, Scud-Raketen in Städte
der Opposition zu feuern, sind diese von einem US-Zerstörer mit
anti-Raketen-Raketen abgeschossen worden.
„Präsident Obama hat die USA aus der direkten Kriegführung herausgehalten, aber er hat gewiss nicht amerikanische Streitkräfte von der Front abgezogen“, schrieb Michael Clarke, Direktor des Royal United Services Institute Thinktanks in einer kürzlichen Analyse. „Die Europäer wären schwerlich allein mit dieser Operation fertig geworden.“
Da dem Pentagon das Budget zusammengestrichen wird, wird der Libyen-Feldzug in Washington wahrscheinlich Debatten auslösen. Man hat wenig Lust, die massiven Interventionen in Irak und Afghanistan zu wiederholen, wo die USA nach einem Jahrzehnt immer noch verwickelt sind. Der Libyen-Feldzug scheint eine Alternative zu bieten. Er ist nicht billig gewesen. Das Pentagon schätzt, dass die Operationen bis Ende Juli 896 Mill. $ gekostet haben.
Die gute Nachricht ist, dass den USA ihr Beistand für die Europäer bezahlt wird – alles, vom Treibstoff bis zur Munition und Ersatzteilen – was nach Pentagonschätzung weitere 222 Mill. $ sind. Und verglichen mit Afghanistan, das den US-Steuerzahler grob 10 Mrd. $ pro Monat kostet, ist der Gaddafi-Sturz ein Geschäft gewesen.
Ein hoher NATO-Beamter nannte die US-Invasion Afghanistans Ende 2001 einen Vorläufer des Libyen-Feldzuges. In Afghanistan luden die der Nördlichen Allianz angegliederten US-Spezialeinheiten die Satellitenbilder von Taliban-Stellungen hinter dem nächsten Berg auf ihre Laptops runter und benutzten ihre Satellitenhandies und GPS-Handies, um Lufteinsätze anzuforden. So wurden die Taliban in 63 Tagen besiegt.
„Das war ein klassisches Beispiel, wie die USA ihre technologische Überlegenheit nutzen, um örtliche Truppen zu unterstützen“, sagte der Beamte. „Jetzt haben wir Libyen als weiteres Beispiel.“
[Als weitre Beispiele nennt Barry den Jemen und Pakistan.]
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