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Freitag, 16. September 2011

Libyen: Die NATO verschafft sich einen militärischen Vorposten auf einem dritten Kontinent

Rick Rozoff halte ich für einen der besten und klarsichtigsten Kritiker sowohl der amerikanischen als auch der europäischen neokolonialen Gangsterpolitik.


Von Rick Rozoff
Global Research, 31.08.11

Ein Interview der Voice of Russia, das John Robles am 27. August mit Rick Rozoff, dem Betreiber der Website Stop NATO und Korrespondenten von www.globalresearch.ca geführt hat:

Können Sie ein wenig Licht in die Situation in Libyen bringen – vor allem im Hinblick auf die (Einmischung der) NATO?

Wie Sie wissen, lebe ich in Chicago und nicht in Tripolis, ich beobachte die Ereignisse also nur aus der Ferne. Es gibt allerdings ein altes römisches Sprichwort: "Der Zuschauer hat den besten Blick auf ein Schauspiel." Deshalb kann ich mich auch zu der gegenwärtigen Entwicklung in Libyen und zu ihren regionalen und internationalen Auswirkungen äußern.

Zunächst sei daran erinnert, dass sich die Afrikanische Union geweigert hat, den so genannten Nationalen Übergangsrat anzuerkennen; dieser ist nach allen vorliegenden Berichten eine ziemlich zusammengewürfelte, heterogene Gruppierung, die aus (sehr unterschiedlich motivierten) Feinden der libyschen Regierung besteht und von den großen NATO-Mächten Frankreich, Großbritannien, den USA und Italien angestiftet und von ihnen und arabischen Monarchien am Persischem Golf – von Katar und den Vereinigten Arabischen Emiraten – unterstützt wird.



Es ist bemerkenswert, dass der afrikanische Kontinent, auf dem Libyen liegt, die Anerkennung des neuen Rebellen-Regimes insgesamt abgelehnt hat; es ist auch wichtig, dass das russische Außenministerium nicht nur mögliche Pläne der NATO, unter dem Vorwand der Friedenssicherung und der Stabilisierung Bodentruppen in Libyen zu stationieren, zurückgewiesen und Widerstand dagegen angekündigt hat, sondern auch bereits dagegen protestiert hat, dass die Opposition gegen Gaddafi die Errichtung von NATO-Militärbasen in Libyen erlauben könnte.

Würden Sie nach allen Ihnen zur Verfügung stehenden Informationen die Entwicklung in Libyen als echte Revolution des Volkes ansehen, oder ist es Ihrer Meinung nach ein vom Westen inszenierter (bewaffneter) Aufstand?

Die zweite Annahme ist nach übereinstimmender Einschätzung zutreffend; das geben sogar diejenigen zu, die den erwarteten Sturz der libyschen Regierung als Triumph der "Macht des Volkes", als Sieg der Demokratie oder mit anderen Lobeshymnen feiern. Es ist eine unbestreitbare Tatsache, dass es die Rebellen-Koalition – völlig unabhängig von ihrer Zusammensetzung – niemals geschafft hätte, Unterstützung außerhalb Libyens zu finden oder in die libysche Hauptstadt vorzudringen, wenn ihnen die NATO seit dem 21. März nicht mit mehr als 21.000 Luftoperationen, von denen fast 8.000 Luftangriffe waren, geholfen hätte. Außerdem berichten immer mehr europäische Quellen und Zeitungen in Großbritannien und anderswo, dass spezielle Einsatztrupps und Spezialkräfte aus mehreren wichtigen NATO-Staaten aktiv an den Bodenkämpfen beteiligt waren; in die Straßenkämpfe in Tripolis hat sogar die CIA eingegriffen.

Machen die auch Jagd auf Gaddafi oder unterstützen sie die Rebellen nur aus der Luft?

Beides ist fraglos richtig. Der mit der Resolution 1973 des UN-Sicherheitsrates im März erteilte Auftrag, "die libyschen Zivilisten mit allen notwendigen Mitteln zu schützen", wurde hauptsächlich von Frankreich, Großbritannien, Italien, den USA, Kanada und weiteren NATO-Ländern ohne Berechtigung so ausgeweitet, dass man von einem Krieg gegen die amtierende libysche Regierung sprechen muss; nach eigenen Angaben hat die NATO seit dem 31. März mehr als 21.000 Luftoperationen durchgeführt, davon waren fast 8.000 Luftangriffe. Heute haben sogar westliche Nachrichtenagenturen und Zeitungen berichtet, dass die Heimatstadt Muammar Gaddafis von NATO- Kampfflugzeugen bombardiert wurde, und vor ein paar Tagen ist ein wichtiges Regierungsgebäude in Tripolis mit 64 Raketen angegriffen worden.

Diese Angriffe werden mit den militärischen Aktivitäten von Rebellen-Gruppen koordiniert; man kann also sagen, dass die NATO den Rebellen den Weg in die Hauptstadt und andere libysche Städte buchstäblich freigebombt hat. Mit ihren Luftangriffen und ihrer Seeblockade nimmt die NATO in diesem Konflikt einseitig Partei für die Rebellen und gegen die libysche Regierung. Das ist eine exakte Parallele zu dem Vorgehen, das die NATO 1999 gegen Jugoslawien praktiziert hat; damals hat die NATO dieses Land 78 Tage lang gnadenlos bombardiert, um der so genannten Kosovarischen Befreiungsarme den Weg zu ebnen.

Sie haben erwähnt, dass einige Mitarbeiter von Global Research in einem Hotel in Tripolis festgehalten werden.

Dort halten sich alle Vertreter der internationalen Presse auf. Wir sind sehr besorgt um den in Kanada lebenden Journalisten Mahdi Darius Nazemroaya von Global Research und um den französischen Journalisten Thierry Meyssan von Voltaire Network, die Angst um ihr Leben haben müssen. (Inzwischen konnten beide in einem völlig überladenen Boot nach Malta fliehen, s. hier.) Es ist sehr wohl bekannt, dass sie in ihren Berichten nicht die Propaganda des Westens nachgeplappert haben, und andere westliche Journalisten in dem Hotel dürften sie bereits an die Rebellen in Tripolis verraten haben. Wir sind in großer Sorge, weil die beiden erwähnten Journalisten in Lebensgefahr sein könnten.

Wie sehen Sie die Rolle der NATO in Libyen, wenn Gaddafi entmachtet ist?

Bald werden wir mehr wissen. Wenn wir Jugoslawien und Afghanistan als Präzedenzfälle ansehen, wird sich sehr rasch einiges tun. Der türkische Außenminister hat gestern bereits angekündigt, dass die NATO auch nach der Installation der Rebellen-Regierung, des so genannten Nationalen Übergangsrates, in Libyen noch eine Rolle spielen wird.

Ähnliche Töne kommen auch von führenden Politikern aus anderen NATO-Staaten; das deutet keinesfalls darauf hin, dass die NATO ihre Aufgabe schon als beendet ansieht, sondern jetzt erst richtig loslegen will. Es ist zu vermuten, dass genau das passieren wird, was 1999 in Jugoslawien und in den vergangenen zehn Jahren in Afghanistan passiert ist; auch in diese Länder hat sich die NATO (unter Führung der USA) erst mit ihren Bomben Zutritt verschafft, um anschließend stark befestigte Militärbasen zu bauen, die immer noch betrieben werden. Die USA haben sich in der umkämpften serbischen Provinz Kosovo ihr Camp Bondsteel eingerichtet, eine große, sehr weitläufige Militärbasis, die nach einigen Berichten der größte Stützpunkt ist, den sich die USA seit dem Vietnam-Krieg im Ausland angeeignet haben. Mehr als zwölf Jahre nach der 78-tägigen Bombardierung Jugoslawiens sind die US-Truppen immer noch dort.

Auf ähnliche Weise haben die USA wichtige Militärflugplätze in Afghanistan ausgebaut, auch in der Nähe der Grenze zu zentralasiatischen Staaten und zum Iran, und es gibt keine Anzeichen dafür, dass sie diese Stützpunkte jemals wieder räumen werden. Sie denken ja auch nicht daran, ihre Militärbasen im Irak und in anderen Ländern aufzugeben. Es ist viel leichter, die NATO in ein Land zu holen oder eindringen zu lassen, als sie wieder loszuwerden.

Übersetzung: Wolfgang Jung, luftpost-kl.de
Originalartikel liegt hier.

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