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Samstag, 24. Dezember 2011

ÄGYPTEN: WIEDER GIGANTISCHE DEMO AUF DEM TAHRIRPLATZ



von Serene Assir

am 23. Dezember 2011


Die ägyptischen Demonstranten halten eine gigantische ägyptische Fahne, als sie sich zu einer riesigen Massendemo am 23. Dezember 2011 auf dem Tahrirplatz versammelten (Foto: Filippo Monteforte)

SCAFs (Militärrat) unaufhörliche und gewalttätige Angriffe auf die Demonstranten in den vergangenen Wochen konnten nicht die hunderttausende Ägypter – selbst jene, die eigentlich den Militärrat unterstützen - davon abhalten, am Freitag auf die Straße zu gehen.
Der Tahrirplatz wurde erneut zum Epizentrum der Straßenaktionen mit einigen hunderttausend Demonstranten am Freitag. Die Protestanten nannten den Tag „als den Freitag zur Wiederherstellung der Ehre“ und die Teilnehmer sangen Slogans zur Verteidigung der Würde der ägyptischen Frauen.
„Ägyptische Frauen wollen nicht ausgezogen werden“ schrieen männliche und weibliche Demonstranten aus allen Gesellschaftschichten. Das war die Antwort auf die Gewalt der Armee gegen weibliche Demonstranten, die den Militärrat aufforderten, die Macht an die zivile Regierung zu übergeben.
„Weil das Foto veröffentlicht wurde, sahen wir alle, was die Soldaten mit dem Mädchen taten, das sie auszogen und durch die Straßen schleiften“, sagte die Demonstrantin Alaa Abdel Rahman in Bezug auf das Foto, das die öffentliche Meinung empörte. „Aber ich war alle Tage hier, als wir die extremste Gewalt erlebten. Und ich kann garantieren, dass sie nicht das einzige Opfer war. Ich sah viele junge Mädchen, die ausgezogen und geschlagen wurden, unter ihnen ein Ärztin.“
Das Zentrum Kairos erlebte fünf Nächte von exzessiver Gewalt in der vergangenen Woche. Mit Beginn am Freitag Abend, den 16. Dezember, gab es fünf nächtliche Überfälle von der Militärpolizei, der Armee und den weithin verachteten Zentralen Sicherheitskräften auf die Demonstranten.
Insgesamt wurden 17 Demonstranten getötet und fast 2000 wurden verwundet, laut Angaben des Komitees der Märtyrer und Verwundeten, das von freiwilligen Ärzten gebildet wurde. Die Waffen, die gegen die Demonstranten benutzt wurden umfassten scharfe Munition, Gummigeschosse, Elektroknüppel, Steine, die von den Dächern der Regierungsgebäude heruntergeschleudert wurden und Tränengas.
Die Gewalt begann, um ein dreiwöchiges Sit-in den Straßen um den Regierungssitz im Zentrum von Kairo aufzulösen. Das Sit-in war friedlich, aber gegen die Angriffe der Armee und der Sicherheitskräfte verteidigte man sich mit Steinen und Molotow-Cocktails.
Die Demonstranten auf dem Tahrirplatz forderten auch ein Ende der Gewalt. „Wir sind gegen die Gewalt aufgestanden in der Revolution vom 25. Januar. Unser kollektives Leiden unter der Gewalt der Sicherheitskräfte des früheren Regimes war der wichtigste Grund, dass wir beschlossen, wir müssten alles tun, um Mubarak zu stürzen“, sagte der Ingenieur Hakem Bassiouni.
„Aber die Dinge haben sich nicht geändert, sie sind eher noch schlimmer geworden. Die Armee greift nicht nur die Demonstranten an, sondern auch die Prinzipien der Revolution. Die Leute, die an dem Sit-in vor dem Regierungsgebäude beteiligt waren, die waren dort, um die Revolution zu verteidigen“, fügte Bassiouni hinzu. „Der SCAF hat jedoch nichts getan, um die Ziele des Volkes zu verwirklichen.“
Die Schlüsselforderungen des Volkes, die alle gegen Mubarak vereinte, waren „Brot, Freiheit und soziale Gerechtigkeit“. Nach Ansicht der Demonstranten auf dem Tahrirplatz ist keines dieser Ziele bisher erreicht worden.
„Die Leute, die an den Protesten in der vergangenen Woche teilnahmen, als die Armee direkt in die Menge schoss, waren vor allem arme Menschen, die nichts unter Mubarak hatten und die immer noch nichts haben“, sagte Abdel Rahman. „Der SCAF hat nichts getan, um den Ägyptern zu helfen.“

Eine der unpopulärsten Maßnahmen von Mubaraks Regime waren seine politischen und Handelsbeziehungen zu Israel. „Hat der SCAF den Export von Gas nach Israel gestoppt? Nein, hat er nicht“, sagte Abdel Rahman. „Und unterdessen haben die armen Leute einen Mangel an Butangas für den Haushalt erlebt. Das ist ungerecht. Das ist es, weshalb wir hier sind.“
Glichzeitig gab es eine weitaus kleinere, aber emotional aufgeladene Demonstration von zehntausenden auf dem Abbasiyaplatz zur Verteidigung der SCAF. Auf den ersten Blick gab es ironische Ähnlichkeiten mit der Tahrir- Demo, wie einer Menge von Straßenverkäufern, ägyptische Fahnen und Familien mit Kindern.
Aber die Botschaften der beiden Demos waren grundverschieden. In Abbasiya sang die Menge „das Volk und die Armee sind eine Hand“. Lieder klagten auch die Präsidenten-Kandidaten Mohammed El-Baradei und Amr Hamzawy als „Verräter“ an und die Mitglieder der '6. April' Bewegung wurden als „Kollaborateure“ bezeichnet.
Mit einem Plakat, das die unabhängigen ägyptischen Medien wie CBC und ONTV als „Kollaborateure“ bezeichnete, sagte der 43-jährige Gamal (seinen Nachnamen sagte er nicht), dass er auf dem Tahrirplatz gewesen sei und nur Linke mit einer ausländischen Agenda gesehen hätte.
„Was die Gewalt gegen junge Mädchen angeht, müssen wir zugeben, dass die Armee Fehler begangen hat“, sagte Gamal. „Aber man muss sich ja fragen, was sie dort zu suchen hatten?“ Der SCAF-Verteidiger nannte auch den Fall von Alia Mahdi, die auf ihrem Block im November ein Nacktfoto von sich veröffentlichte als einen Protestakt gegen die Militärherrschaft.
„Wir haben unsere Sitten und Gebräuche in Ägypten“, sagte Gamal. „Man kann so etwas nicht machen und erwarten, dass es keine Konsequenzen hat.“
Bei einem Protest, der von einer kleinen Gruppe Soldaten geschützt wurde, erhoben SCAF-Anhänger ihre Stimme gegen ausländische Einmischung in innere Angelegenheiten. Ein Plakat an einer Brücke zeigte die US- Außenministerin Hillary Clinton.
Ein Mann auf der Brücke zog seinen Schuh aus und schlug damit auf das Bild ein, während unten die Menschen Beifall klatschten.
„Fokus auf den Monica Lewinsky Skandal“, stand darunter als Antwort auf Clintons Erklärung zuvor in der Woche gegen die Gewalt gegen Frauen.

Wieder auf dem Tahrirplatz. Der junge Demonstrant Ahmed Taha glaubte, dass das Misstrauen der Ägypter gegen ausländische Einmischung von allen Demonstranten auf der Straße am Freitag geteilt wird. „Die USA kann sagen, was sie will über unsere Revolution“, sagte Taha. „Seit dem 25. Januar haben die Ägypter begonnen, ihr eigenes Schicksal zu schaffen. Ich glaube, dass der Rückgriff der SCAF auf anti-westliche Parolen nur eine Taktik ist, um Unterstützung für sich zu gewinnen.“
In der vergangenen Woche inmitten der gewalttätigen Angriffe auf die Demonstranten haben die staatlichen Medien eine Kampagne gestartet, die vor ausländischer Einmischung in Ägypten warnte. Artikel und Fernsehberichte beschuldigten linke Gruppen und Ausländer in Ägypten der Versuche, den ägyptischen Staat zersören zu wollen.
Die Kampagne hat den Abbasiya-Demonstranten Gamal überzeugt. Aber ONTV berichtete, dass ein Team von ihnen die Demonstration verlassen musste wegen Gewalt seitens der Demonstranten. „Ich bin einverstanden, dass jeder das Recht hat zu demonstrieren“, sagte Gamal. „Aber wir müssen an die Zukunft des Staates denken.“
Gamal sagte weiter, dass er zwar den SCAF im Moment unterstütze, aber dass er sich so schnell wie möglich aus der Politik raushalten solle. „Wenn er die Macht nicht bis zum Juni 2012 an den gewählten Präsidenten übergibt, werde ich auch zum Tahrirplatz gehen“, sagte er.


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