Dies ist ein langer Artikel von Petras, der manchem vielleicht nichts Neues sagt, aber in unseren Zeiten der Gehirnwäsche kann es nicht oft genug gesagt werden. Aber es auf einen Rutsch zu übersetzen, schaffe ich nicht. Deshalb werde ich morgen den 2. Teil nachliefern.
James Petras
24. Mai 2012
Der Kapitalismus und seine
Verteidiger bewahren die Herrschaft durch die ihnen zur Verfügung
stehenden „materiellen Ressourcen“, insbesondere den
Staatsapparat, und ihre produktiven, finanziellen und kommerziellen
Unternehmen und auch durch die Manipulation des Bewusstseins des
Volkes via Ideologen, Journalisten, Akademiker und Publizisten, die
Argumente und die Sprache bereitstellen, um die Themen des Tages zu
gestalten.
Heute haben sich die
materiellen Bedingungen der großen Mehrheit der arbeitenden
Bevölkerung stark verschlechtert, da die Kapitalistenklasse die
gesamte Last der Krise und die Rückgewinnung ihrer Profite auf den
Rücken der Lohn und Gehalt beziehenden Klassen gewälzt hat. Einer
der verblüffenden Aspekte dieses Zurückschraubens des
Lebensstandards ist die Abwesenheit größerer sozialer Unruhen
bisher. Griechenland und Spanien mit über 50% Arbeitslosigkeit der
16-24-jährigen und beinahe 25% der allgemeinen Arbeitslosigkeit
haben ein Dutzend General-Streiks erlebt und zahlreiche nationale
Proteste mit vielen Millionen Teilnehmern; aber dies konnte nicht
eine echte Veränderung des Regimes oder der Politik bewirken. Die
Massenentlassungen, die schmerzhaften Lohn-, Gehalt-, Pensions- und
Sozialkürzungen gehen weiter. In anderen Ländern wie Italien,
Frankreich und England finden Proteste und Unzufriedenheit auf der
Wahlebene statt, wobei die Machthabenden abgewählt und durch die
traditionelle Opposition ersetzt werden. Doch in dem ganzen sozialen
Tumult und der tiefen sozio-ökonomische Erosion der Lebens- und
Arbeitsbedingungen ist die herrschende Ideologie zur Informierung der
Bewegungen, der Gewerkschaften und der politischen Opposition
reformistisch: Es ergehen Aufrufe, die bestehenden sozialen
Leistungen zu verteidigen, die öffentlichen Ausgaben und
Investitionen zu erhöhen und die Rolle des Staates auszuweiten, wo
die Aktivitäten des privaten Sektors versagten zu investieren oder
anzustellen. Mit anderen Worten, die Linke schlägt vor, eine
Vergangenheit zu bewahren, wo der Kapitalismus vor den
Wohlfahrtsstaat geschirrt war.
Das Problem ist, dass dieser
„Kapitalismus der Vergangenheit“ verschwunden ist und ein neuer,
bösartigerer und unversöhnlicherer Kapitalismus aufgetaucht ist,
der einen neuen weltweiten Rahmen schafft und einen mächtigen, fest
verwurzelten Staatsapparat, immun gegen alle Forderungen nach
„Reformen“ und Neuorientierung. Die Verwirrung, Frustration und
Irreführung der Massenopposition des Volkes ist zum Teil der
Übernahme der Konzepte und Sprache der kapitalistischen Gegner durch
linke Schriftsteller, Journalisten und Akademiker geschuldet: Eine Sprache, darauf
abgesehen, die wahren sozialen Beziehungen der brutalen Ausbeutung zu
verwischen, die zentrale Rolle der herrschenden Klasse bei der
Rückgängigmachung sozialer Gewinne und die engen Bindungen der
Kapitalistenklasse mit dem Staat. Kapitalistische Publizisten,
Akademiker und Journalisten haben eine ganze Litanei von Konzepten
und Begriffen ausgearbeitet, mit der die kapitalistische Herrschaft
aufrechterhalten und seine Kritiker und Opfer von den Verursachern
ihres steilen Absturzes in die Massenverarmung abgelenkt werden.
Selbst wenn sie ihre Kritik
und Anklagen formulieren, benutzen die Kritiker des Kapitalismus die
Sprache und Konzepte seiner Apologeten. Sobald die Sprache des
Kapitalismus der Umgangssprache der Linken einverleibt ist, hat die
Klasse der Kapitalisten die Hegemonie oder Herrschaft über ihre
früheren Gegner gewonnen. Schlimmer, die Linke, indem sie einige der
grundlegenden Konzepte des Kapitalismus mit scharfer Kritik
verbindet, schafft die Illusionen über die Möglichkeit der
Reformierung „des Marktes“ zum Wohle des Volkes. Dies verhindert,
die sozialen Hauptkräfte zu identifizieren, die von den
Kommandobrücken der Wirtschaft vertrieben werden müssen sowie den
Imperativ, den klassenbeherrschten Staat aufzulösen. Während die
Linke die kapitalistische Krise und die staatlichen Rettungspakete
verurteilt, unterminiert ihre Denkarmut die Entwicklung politischer
Massenaktion. In diesem Kontext wird die „Sprache“ der Vernebelung
eine „materielle Kraft“ resp. ein Vehikel der kapitalistischen
Macht, dessen Hauptaufgabe es ist, ihre anti- kapitalistischen und
Arbeitergegner zu desorientieren und zu entwaffnen. Sie tut es, indem
sie die intellektuellen Kritiker kooptiert durch Benutzung der
Begriffe, des konzeptuellen Rahmens und der Sprache, von denen die
Diskussion der kapitalistischen Krise beherrscht wird.
Schlüsseleuphemismen im
Dienst der Kapitalistenoffensive
Euphemismus
hat eine doppelte Bedeutung: Was Begriffe suggerieren und was sie
wirklich bedeuten. Euphemistische Konzeptionen unter dem Kapitalismus
suggerieren eine günstige Realität oder akzeptables Verhalten und
Aktivität, die nichts mit der Vergrößerung des Reichtums der Elite
und der Konzentration der Macht und Privilegien zu tun hat.
Euphemismen verhüllen den Drang der Machteliten, klassenspezifische
Maßnahmen durchzusetzen und zu unterdrücken, ohne dass sie
ordentlich identifiziert, verantwortlich gemacht und durch
Massenaktionen des Volkes bekämpft werden.
Der
gängigste Euphemismus ist der Begriff „Markt“, der mit
menschlichen Charakteristika und Macht ausgestattet ist. Als solcher
wird uns erzählt, dass „der Markt Lohnkürzung verlangt“, völlig
abgelöst von der Kapitalistenklasse. Märkte, der Austausch von
Waren oder das Kaufen und Verkaufen von Gütern haben seit
Jahrtausenden in verschiedenen sozialen Systemen in sehr
unterschiedlichen Zusammenhängen existiert. Sie sind global,
national, regional und lokal gewesen. Sie umfassen verschiedene
sozio-ökonomische Akteure und sehr unterschiedliche ökonomische
Einheiten, die von riesigen staatlich geförderten Handelshäusern
bis zur semi-Subsistenzwirtschaft und Bauerndörfern und Marktflecken
reichen. „Märkte“ existierten in allen komplexen Gesellschaften:
der Sklaven-, Feudal- und der Merkantilgesellschaft und den frühen und
späten Konkurrenz- und Monopol-Industrie- und
Finanz-Kapitalismus-Gesellschaften
Wenn
man „Märkte“ diskutiert und analysiert und den Transaktionen
einen Sinn geben will (wer gewinnt und wer verliert), dann muss man
deutlich die wichtigsten sozialen Klassen identifizieren, die diese
ökonomischen Transaktionen beherrschen. Im allgemeinen über
„Märkte“ zu schreiben ist betrügerisch, weil Märkte nicht
unabhängig von sozialen Relationen existieren, die bestimmt werden
von dem, was produziert und verkauft wird, wie es produziert wird und
welche Klassenkonfiguration das Verhalten der Produzenten, Verkäufer
und der Arbeit bestimmt. Die heutige Marktrealität wird von
gigantischen multi-nationalen Banken und Unternehmen definiert, die
die Arbeits- und Warenmärkte beherrschen. Von „Märkten“ zu
schreiben, als ob sie in einer Sphäre über und jenseits der brutalen
Klassenungleichheiten operierten, heisst das Wesen der
zeigenössischen Klassenrelationen zu verbergen.
Grundlegend
für jedwedes Verständnis, aber in der zeitgenössischen Diskussion
außer Acht gelassen, ist die uneingeschränkte Macht der
kapitalistischen Besitzer der Produktions- und Verteilermittel, das
kapitalistische Eigentum an der Reklame, die kapitalistischen Banker,
die Kredite geben oder verweigern und die von Kapitalisten ernannten
Staatsbeamten, die Börsen-Beziehungen „regulieren“ oder
entregulieren. Die Ergebnisse ihrer Politik werden euphemistisch den
„Markt“-Forderungen zugeschrieben, der von der brutalen Realität
getennt zu sein scheint.
Deshalb,
wie die Propagandisten implizieren, gegen den „Markt“ anzugehen,
heisst sich dem Austausch der Waren zu widersetzen: Das ist
offenbarer Unsinn. Im Gegenteil, die kapitalistischen Anforderungen
an die Arbeit, einschließlich Reduzierung der Löhne, Wohlfahrt und
Sicherheit, zu identifizieren, heisst eine spezifische ausbeuterische
Form des Marktverhaltens zu konfrontieren, wo Kapitalisten versuchen,
höhere Profite zu machen gegen die Interessen und das Wohlergehen
der Mehrheit der Lohn- und Gehaltempfänger.
Indem
man die ausbeuterischen Marktbeziehungen im Kapitalismus mit Märkten
im allgemeinen verbindet, erreichen die Ideologen mehrere Ergebnisse:
Sie verhüllen die Hauptrolle der Kapitalisten, indem sie eine
Institution mit positiven Begriffsinhalten verknüpfen, d. h. einen
„Markt“, wo Leute Waren erwerben und sich mit Freunden und
Bekannten „treffen“. Mit anderen Worten, wenn „der Markt“,
der als ein Freund und Wohltäter der Gesellschaft dargestellt wird,
eine schmerzhafte Politik erzwingt, dann ist es sicher zum Wohle der
Gemeinschaft. Zumindest ist es das, was die Geschäftspropagandisten
die Öffentlichkeit glauben machen wollen, indem sie das tugendhafte
Bild vom „Markt“ zeichnen; sie verhüllen das räuberische
Verhalten des Kapitals bei der Jagd nach größeren Profiten.
Einer
der gewöhnlichsten Euphemismen, die mitten in der Wirtschaftskrise
angeführt wird, ist „Enthaltsamkeit“, ein Begriff, der zur
Vernebelung der herben Realitäten von drakonischen Kürzungen von
Löhnen, Gehältern, Pensionen und öffentlicher Wohlfahrt und dem
steilen Ansteigen der regressiven Steuern benutzt wird.
„Enthaltsamkeit“ bemisst eine gemeine Politik, staatliche
Zuschüsse zum Schutz und sogar Vermehrung für das big business und
schafft höhere Profite für das Kapital und größere Ungleichheit
zwischen den 10% an der Spitze und den unteren 90%. „Enthaltsamkeit“
impliziert Selbst-Disziplin, Einfachheit, Wirtschaftlichkeit, Sparen,
Verantwortung, Grenzen für Luxus und Ausgaben, Vermeidung von
sofortiger Gratifikation für künftige Sicherheit, - eine Art
kollektiver Kalvinismus. Man verbindet damit geteilte Opfer heute für
künftige Wohlfahrt aller.
Jedoch
in der Praxis beschreibt „Enthaltsamkeit“ eine Politik, die von
der Finanzelite entwickelt wurde, um klassenspezifische Kürzungen
des Lebensstandards und der Sozialleistungen (für Gesundheit und
Erziehung) für die Arbeiter und Angestellten zu erzwingen. Es bedeutet, dass
öffentliche Gelder in noch größerem Ausmaß abgezweigt werden
können, um hohe Zinsen an reiche Aktienbesitzer zu zahlen, und die
Politik den Diktaten der Herren des Finanzkapitals zu unterwerfen.
Quelle - källa - source