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Dienstag, 22. Mai 2012

REGIME CHANGE: Myanmar lernt die Lektion von Libyen

Mit 55 Mill. Einwohnern und fast 680 000 km² größer als Frankreich und England
Stephen Gowans

21. Mai 2012


Streicht Myanmar von der Regime-Change-Liste. Vor nur zwei Jahren hat dieses Resourcen-reiche Land, zwischen Indien und China gelegen, eine Art ökonomischen Nationalismus praktiziert, was Muammar Gaddafi großen Ärger mit dem US-Außenministerium und den Erdölgiganten einbrachte. Jetzt haben die USA ihre Sanktionen gegen Myanmar aufgehoben und ihren ersten Botschafter seit 22 Jahren in das Land geschickt.

Warum?


Die Obama-Verwaltung sagt, es sei deswegen, weil Myanmar seit vergangenem Jahr tiefe politische Veränderungen vorgenommen habe, u. a. die Entlassung von Aung San Suu Kyi aus dem Hausarrest. Jetzt sitzt sie in Myanmars Parlament. Aber der eigentliche Grund hat mehr damit zu tun, dass die militärischen Herrscher des Landes sich vom ökonomischen Nationalismus abgewendet und die Tore ihrer Wirtschaft weit für Fremdbesitzer geöffnet haben.



Als Hillary Clinton die Aufhebung der Sanktionen bekanntgab, ging sie gleich direkt zur Sache, nachdem sie die obligaten Bemerkungen über Myanmars Marsch auf der Straße der Demokratie gemacht hatte. „Heute sagen wir den US-Geschäftsleuten: Investiert in Burma (Myanmar)!“ [1]

Als Myanmars Armee 1962 die Macht durch einen Coup übernahm, nationalisierte sie die meisten Industrien und brachte den Großteil der Wirtschaft unter Regierungskontrolle; und so blieb es bis vor zwei Jahren.

Die großen Betriebe waren im staatlichen Besitz und Gesundheitswesen sowie Erziehung wurden vom Staat geliefert. Private Krankenhäuser und Schulen gab es nicht.

Besitz von Land und lokalen Unternehmen waren auf Landbewohner beschränkt. Unternehmen waren verpflichtet, Myanmar-Arbeiter einzustellen. Und die Zentralbank war der Regierung verantwortlich. [2]

Aber im vergangenen Jahr begann Myanmars Regierung Regierungsgebäude zu verkaufen, Hafeneinrichtungen, seine nationale Fluggesellschaft, Bergwerke, Ackerland, das Netzwerk der Tankstellen im Land, die Getränkeindustrie, die Zigaretten- und Fahrradindustrie.

Die Türen zum Gesundheitswesen und dem Bildungs-System wurden geöffnet und Privatinvestoren eingeladen.

Ein neues Gesetz wurde geschaffen, um der Zentralbank mehr Unabhängigkeit zu geben, verantwortlich nur ihren eigenen Inflationskontroll-Zielen statt der Regierung. [3]

Und der Gipfel von allem war ein neues Gesetz für Auslandsinvestitionen, das Fremden erlaubte, örtliche Unternehmen und Land zu kontrollieren, ausländischen Telefongesellschaften und Banken den Zutritt erlaubte sowie die 100-prozentige Repatriierung des Profits und 5 Jahre Steuerfreiheit.

Darüberhinaus wurde es ausländischen Unternehmen erlaubt, Fachkräfte zu importieren; sie mussten nicht mehr einheimische Kräfte einstellen. [4]

Als Myanmar seine Bereitschaft signalisierte, seine Wirtschaft ausländischen Investoren zu öffnen, schickte Obama im vergangenen Dezember Hillary Clinton zum Treffen mit Myanmars Führern; seit 50 Jahren hatte kein US-Außenminister das Land besucht. [5]

Bald folgte William Hague – der erste britische Außenminister seit 1955. [6]

Andere Außenminister folgten und klopften an die Tür von der Militärjunta, um Verbindungen mit der nun Investition-freundlichen Regierung für ihre eigenen Multis, Investoren und Banken zu knüpfen.

Und Geschäfts-Organisationen schickten ihre eigenen Delegationen – darunter vier große japanische Geschäftsorganisationen, und alle versuchten aus Myanmars neuer Öffnung etwas herauszuschlagen. [7]

Eine neue Grenze

Das Wall Street Journal nennt Myanmar „den letzten großen Grenz-Markt in Asien“ und beschreibt sein „Potential“ als „zu groß … als dass ihn Investoren ignorieren könnten“. [8] Das Land ist reich an Gas und Öl und voller Wald und Edelsteine. Es könnte ein großer Exporteur von Reis und Meeresfrüchten werden, obwohl mit dem neuen Investitionsgesetz des Landes werden es die Superreichen in New York, London und Tokyo sein, die den Löwenanteil der Profite einstreichen werden und nicht die Bürger Myanmars.

Als Land von armen Menschen bietet Myanmar den Investoren den Reiz von niedrigen Löhnen. Und es ist zwischen Indien und China gelegen, was den Herstellern leichten Zugang zu den zwei aufstrebenden Märkten bietet.

Internationale Gesellschaften umkreisen das Land, sagt das Wall Street Journal [9] (wie Geier?), bereit, ihr Kapital in die Lieferung von schweren Maschinen, Eisenbahnen, Flughäfen, Tele-Netzwerken, Konsumgüter und Dienstleistungen zu investieren, auch in das Gesundheitswesen. [10]

Ihr Enthusiasmus ist nicht geringer als der, dem US-Botschafter in Libyen Gene A. Cretz in Verbindung zu jenem Land Ausdruck verlieh. Cretz sagte, dass die Libyer „Von A bis Z gehen müssten in Bezug auf den Bau von Infrastruktur und anderen Dingen. Wenn wir US-Unternehmen in großem Maßstab hereinbringen können, wozu wir alle Anstrengungen unternehmen werden, dann wird dies die Situation in den Vereinigten Staaten verbessern bezüglich unserer eigenen Jobs“ [11], von dem Profit für Wall Street gar nicht zu sprechen.

Zwei Länder, in denen es von Investitionsmöglichkeiten wimmelt. Der einzige Unterschied ist, dass Libyen gebombt werden musste in der Hoffnung, dass Gaddafis Nachfolger den ausländischen Investoren sowie den US- und westeuropäischen Multis bereitwilliger den roten Teppich ausrollen würden als es der nationalistische Gaddafi tat.

Myanmars Generäle verstanden die Botschaft und legten ihn freiwillig aus, bevor sie Gaddafis Schicksal ereilte.


Fußnoten:


1. Steve Myers, “As relations warm with Myanmar, U.S. will ease trade limits”, The New York Times, May 17, 2012.
2. “Myanmar’s ruling junta is selling state’s assets,” The New York Times, March 7, 2010; “Change comes to Myanmar, but only on the Junta’s terms,” The New York Times, March 17, 2010.
3. “Myanmar’s ruling junta is selling state’s assets,” The New York Times, March 7, 2010.
4. “Firms see Myanmar as next frontier”, The Wall Street Journal, November 30, 2011; Patrick Barta, “Myanmar considers letting outsiders in telecom market amid overhauls”, The Wall Street Journal, March 19, 2012; Patrick Barta, “Myanmar eases investment laws”, The Wall Street Journal, March 25, 2012.
5. Thomas Fuller, “Clinton set to visit Myanmar as Obama cites progress”, The New York Times, November 17, 2011.
6. Patrick Barta, “On Myanmar visit, U.K. calls for further reform”, The Wall Street Journal, January 6, 2011.
7. Yoree Koh, ”Japan Inc. Rushes to Myanmar”, The Wall Street Journal, April 25, 2012.
8. Patrick Barta, “A pariah regime courts West in China’s shadow”, The Wall Street Journal, November 17, 2011.
9. Patrick Barta, “Myanmar eases investment laws”, The Wall Street Journal, March 25, 2012.
10. John Bussey, “The new dance with Myanmar”, The Wall Street Journal, November 30, 2011
11. David D. Kirkpatrick, “U.S. reopens its embassy in Libya”, The New York Times, September 22, 2011.


Quelle - källa - source

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