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Samstag, 19. Januar 2013

Frankreichs Debakel in Mali und Algerien (Update)

Hier ein Update von der algerischen Regierung: Beim Sturm auf Amenas sind 32 Terroristen und 23 Geiseln ums Leben gekommen. 685  Algerier und 107 ausländische Arbeiter sind befreit worden. Unter den 32 Terroristen befanden sich auch drei Algerier. Es wurden Maschinengewehre, Granatwerfer und Raketen beschlagnahmt.
Eine empfehlenswerte Lektüre ist dieser Artikel von John R. Schindler
über die prinzipienlose Innen- und Außenpolitik der algerischen Regierung. Einerseits kungelt sie mit Washington und CIA, hat jede Menge ausländische Berater sowie Unternehmen im Lande, andererseits versucht sie, eine unabhängigere Politik zu führen. Gleichzeitig ist sie unfähig, die außerordentliche Armut und die gewaltige Korruption zu bekämpfen. Das sind die besten Vorraussetzungen für islamistische Gruppen, Fuß zu fassen. Hier wird auch angedeutet, dass die AQIM - eine der Terrorgruppen, die jetzt in Mali aktiv ist - eine Schöpfung des gefürchteten algerischen Geheimdienstes DRS sei. 
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Flugbild von der Amenas-Gasanlage

Einar Schlereth
19. Januar 2013

Laut neuesten Nachrichten der BBC haben die Algerier die Gasanlage in Amenas nahe der libyschen Grenze gestürmt, wodurch über 400 Algerier und 100 Ausländer aus den Händen der Terroristen befreit wurden. Alle 11 Terroristen seien tot und 7 Ausländer, deren Nationalität aber noch nicht festgestellt sei. Über 20 Ausländer herrscht noch Ungewissheit.

Im Westen ist man empört über den Tod „unschuldiger Menschen“ und versucht, den Algeriern die Schuld in die Schuhe zu schieben. Aber das ist natürlich wieder einmal eine erbärmliche Heuchelei. Es ist, wie Robert Fisk schreibt: „Wir sind nicht wegen des Massakers an sich empört, sondern weil sich unter den Geiseln Weiße, blauäugige Burschen statt die dunklen, braunäugigen Kerle befinden.“

Die Algerier haben die Aktion genauso durchgeführt, wie sie hunderte Male von den Westmächten und Israel durchgeführt wurden – ohne Rücksicht darauf, ob Geiseln dabei draufgingen oder nicht.

Eines ist in dieser Sache sonnenklar: es handelte sich um einen Rachenakt, weil Algerien Frankreich erlaubte, sein Territorium für die Angriffe in Mali zu überfliegen. Ob das besonders schlau war, lässt sich diskutieren. M. E. wäre es für Algier besser gewesen, sich aus dem französischen neokolonialistischen Abenteuer herauszuhalten und die Grenzen zu Mali zu sichern, damit die Al-Qaida Banden nicht nach Algerien ausweichen können.

Aber in dieser ganzen Mali-Geschichte herrscht ein heilloses Durcheinander. Jeder erfindet und interpretiert wild darauf los, anstatt sich an die Fakten zu halten.

Die Fakten also: Gaddafi hatte ein ganz besonderes Verhältnis zu den Touareg, deren jahrzehntelangen Freiheitskampf für ein unabhängiges Azawad (2/3 von Mali im Norden gelegen) er unterstützte. Als Gaddafi von USRAEL/NATO angegriffen wurde, stellten die Touareg Sondereinheiten zu seinem Schutz auf. Das Gaddafis Armee zum großen Teil aus Touaregs bestand, wie manche schreiben, ist reiner Nonsense.

Als Gaddafi ermordet wurde und die Schlacht um Libyen vorläufig verloren war, setzen sich die Touareg wieder ab in ihre Heimat, die nicht nur den Norden Malis, sondern auch Nordniger, den Süden Algeriens und Westen Mauritaniens umfasst, alles ehemalige französische Kolonien. Die Wirren in Mali nutzte die NMLA aus, um die Unabhängigkeit Azawads auszurufen.

Dann putschte in Mali ein kleiner Hauptmann Sanogo – von den USA gehätschelt und ausgebildet - aber ganz bestimmt nicht ohne Wissen der USA, angeblich, weil der gewählte Marionetten-Präsident nicht hart genug gegen die Touareg durchgriff. Aber Sanogo hatte ebenso wenig Glück mit den Touareg und rief daher Papa Obama zu Hilfe.

Und wie wir wissen, haben die USA schon längst mit AFRICOM ihre eigene Agenda aufgestellt (siehe hier und hier).

Die Liste, die General Wesley Clark schon 2007 bekannt wurde, auf der sieben islamische Länder standen - Irak, Libyen, Libanon, Syrien, Iran, Sudan, Somalia - ist ja inzwischen stillschweigend erweitert worden und zwar u. a. mit Mali, Nigeria und Algerien. In allen diesen Ländern ist die USA eifrig am Wühlen und Destabilisieren. Der Grund ist einfach – schaut euch genau den schon oben genannten Artikel an. Riesige Öllagerstätten genau unter der angestammten Heimat der Touaregs. Aber dazu kommen die 2.-größten Uranlagerstätten der Welt, immense Goldfunde (da liegt Mali nach Südafrika und Ghana an dritter Stelle) sowie Bauxit, Eisenerz, Mangan, Zinn und Kupfer.

Wenn manche Kommentatoren also sich wundern, „warum nur machen sie denn das, wo es doch nichts zu holen gibt in Mali“, so ist auch dies ein kompletter Blödsinn.

Und nun haben also die USA die vereinigten Al-Qaida Gruppen in Nordafrika – AQIM, die LIFG (wie die „Befreier“ Libyens sich nannten), Ansar ed-Dine und die MUJAO (Bewegung für Einheit und Jihad in West Afrika) auf die Fährte der linken, unabhängigen und säkularen NMLA gesetzt. Diese dienten sich den Touaregs anfangs als Helfer in ihrem Kampf gegen die Regierung Malis an, nur um sie von innen heraus so schnell wie möglich zu liquidieren und aus dem Land zu jagen (was jedoch nicht heißt, dass die NMLA endgültig besiegt ist). Und sie haben sofort ihren eigenen Staat ausgerufen, die Shia zum Grundgesetz erhoben und große Kulturgüter zerstört.

Den Franzosen ist es allerdings nur Recht, wenn jetzt alle unter dem Namen „Terroristen“ zusammengefasst werden. Denn die Touaregs sind ihre alten Erzfeinde (und umgekehrt), die sie niemals richtig besiegen konnten.

Und wenn sich jetzt die Franzosen in einen aussichtslosen Krieg gegen den Terror stürzen, kann es den Amerikanern – und den Europäern – auch nur recht sein. Da mag das französische Pendant zum „grünen“ Fischer (dem Deutschland seinen ersten richtigen Krieg in Jugoslawien verdankt) Cohn-Bendit heiser schreien, dass alle nun an der Seite Frankreichs stehen müssten - Deutschland und England haben dankend abgewunken. Sie wollen aber immerhin Krankenschwestern und Truppentransportflugzeuge schicken.

Das zeigt wieder einmal die monumentale Blödheit von Politikern wie etwa diesem Hollande, der nichts aus der jüngeren Geschichte Frankreichs gelernt hat. Hat nicht die USA Frankreich in Vietnam und Algerien bluten lassen, um am Ende als der hilfreiche gute Onkel Sam dazustehen? Selbst in Vietnam haben die USA am Ende gewonnen. Schaut euch Vietnam an und vor allem das Umfeld – Laos, Kambodscha, Thailand, Indonesien – alles fest in amerikanischer Hand.

Oder hat Hollande Käse im Dunklen gerochen und wollte besonders schlau sein, indem er rasch im Alleingang sich den fetten Brocken Mali schnappt? Hat er wirklich geglaubt, das wird ein Spaziergang? Tja, da hat er sich gründlich verkalkuliert. Aus den paar hundert Soldaten sind jetzt schon an die 2500 geworden. Aus Nigeria sind weitere 900 Mann im Anmarsch. Aber in einem Land von der vielfachen Größe Frankreichs ist das ein Tropfen auf den heißen Stein (im wahrsten Sinne).

Die Amis werden sich erst einmal zurücklehnen und im Hintergrund die Fäden ziehen. Sie werden warten, bis die Franzosen mit ihrem Latein am Ende sind, ihre Wirtschaft völlig am Boden liegt und werden auch mit allen Mitteln verhindern, dass die Touaregs zurückkehren, um ihren Staat Azawad in rechtmäßigen Besitz zu nehmen, und den Terroristen werden sie eine Rolle wie in Libyen zuweisen als Handlanger der US/NATO. Und sicher findet sich wieder die eine oder andere Aufgabe für übereifrige und arbeitslose Terroristen, etwa in Richtung Algerien zu marschieren. Deswegen wären die Algerier gut beraten, sich so schnell wie möglich diskret aus Hollandes Abenteuer zurückzuziehen.

Schon 2008 hat Vize-Admiral Robert T. Moeller auf einer AFRICOM-KONFERENZ offen erklärt, um was es geht, nämlich „den freien Fluss der natürlichen Ressourcen aus Afrika auf den Markt“ zu leiten, wobei er nicht vergaß, auf den wachsenden und drohenden Einfluss Chinas zu verweisen, der den amerikanischen Interessen entgegenstünde.



Weitere Details zum Ränkespiel der USA findet sich in dem Artikel von Pepe Escobar „Burn, burn - Africa's Afghanistan“.

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