Colin Todhunter 26. April 2013
Wißt ihr, dass ein Land zum Verkauf steht? Wißt ihr, dass seine Finanzen, Landwirtschaft und Einzelhandelssektor 'auf den Markt' geworfen wurden? Vielleicht habt ihr ja schon durch verschiedene Medienberichte davon erfahren. Aber vielleicht auch nicht, denn alles wurde hinter verschlossenen Türen in Brüssel ausgehandelt. Das EU-Indien Freie Handelsabkommen (FTA) ist etwas, was die indische Gesellschaft grundlegend verändern und Auswirkungen auf hunnderte Millionen Menschen haben kann, das aber im Namen der Allgemeinheit von Politikern auf beiden Seiten ausgehandelt wurde, die Verfechter jenes Typs von ökonomischer Liberalisierung sind, die bereits verantwortlich für den Bankrott vieler westlicher Ökonomien ist.
Die Verhandlungen begannen 2007 über eine große Reihe von Gebieten, die die verschiedensten Güter, Produkte und Dienstleistungen betreffen sowie Investitionsregeln, Regierungs-Auftragsvergabe und intellektuelles Eigentum. 'Entwickelte' Länder greifen zunehmend auf diesen Typ von bilateralen Handelsabkommen zurück, weil sie fortfahren wollen, ihre Freihandelsagenda fördern wollen, die von den Entwicklungsländern in der Welthandelsorganisation bereits verworfen wurden.
Das EU-Indien-FTA repräsentiert im wesentlichen die Forderungen der westlichen Großunternehmen und ist ein Ergebnis ihrer strategischen Hegemonie über Regierungs-Bürokratien und Politiker. Bei der Krise der westlichen Ökonomien stellt Indien potentiell eine reife Frucht dar, um von Multis in ihrem niemals endenden Zwang nach Profit gepflückt zu werden.
Kavaljit Singh vom Madhyam Forschungsinstitut bemerkt, dass die EU ihre sehr stark subventionierten Milchprodukte nach Indien exportieren will. [1] Die indische Regierung hat das kooperative Modell im Milchsektor ermutigt durch aktiven politischen Schutz. Es macht daher wenig Sinn, dass der Milchhandel durch FTA unfairem Wettbewerb seitens subventionierter europäischer Exporte ausgesetzt wird. Laut R. S. Sodhi, Geschäftsführer der größten Milchkooperative des Landes, der Gujarat Co-operative Milk Marketing Federation, wird das FTA die gesund heimische Milchindustrie rauben und Millionen Bauern-Mitglieder von ihrem rechtmäßigen Zugang zum wachsenden indischen Markt.
Die EU hat ein Überproduktionsproblem im Milchsekto und sucht nach Möglichkeiten, ihr Surplus zu verschleudern. Indem sie Produkte in anderen Ländern verschleudert, werden die Produktionspreise und Einkommen dort gedrückt. Indiens Milchproduktionshandel ist so gut wie selbstversorgend und beschäftigt 90 Millionen Menschen, von denen 75 Millionen Frauen die Majorität bilden. Der Sektor ist eine Rettungsleine für kleine und Kleinstbauern, Arme ohne Land und eine bedeutende Einnahmequelle für Millionen Familien.
Obwohl die indische Regierung sagt, dass derMilchsektor geschützt wird, setzt die EU alles dran, um den Sektor aufzubrechen. S. Kannaiyan vom südindischen Koordinationskomitee der Bauernbewegung fragt sich, ob der Regierung zu trauen ist. Das ist wahr, wenn man ihre Besessenheit auf ausländische Investitionen und neo-Liberalismus bedenkt.
Jedenfalls könnten die EU-Unternehmen riesige Profite machen, wenn sie ihre Produkte in Indien verschleudern und die örtlichen Bauern und Produzenten aushebeln könnten. Im Namen des 'freien Handels' will die EU von Indien, dass es seine Importzölle senkt, aber will nicht ihre eigenen massiven Subventionen für sein Agrarunternehmen und den Bauernsektor verändern, was bedeutet, dass die indischen Bauern nicht in der Lage sein werden, mit EU-Produkten zu konkurrieren. Yudhvir Singh von der Bhartiya Kisan Union (NKU) sagt, dass freier Handel ist gedacht für gleichwertige Partner, aber diese Handelsabkommen liegen auf einem völlig ungleichen Niveau.
Die FTA versucht auch einen größeren Schutz für europäische biotechnologische Unternehmen in Form von stärkeren intellektuellen Eigentumsrechten. Auf ihrem Blog bemerkt die BKU, dass dies den europäischen Biotech-Firmen erlauben wird, ihr Saatgut in Indien zu jedem Preis, den sie wünschen, zu verkaufen und Royalties von indischen Bauern zu bekommen und es ihnen unmöglich machen, Saatgut zu sparen oder zu tauschen. Die indischen Bauern sind bereits verschuldet, begehen massenhaft Selbstmord und leiden unter dem Fehlschlag mit GMOs und unerschwinglichen privatem Saatgut.
Die EU verlangt auch die Liberalisierung des Einzelhandels und versucht, den Zugang der europäischen Agroverarbeitungs- und Handelsgiganten wie Carrefour und Tesco zu erleichtern, was den Lebensunterhalt von kleinen Händlern und Straßenverkäufern bedrohen würde. Nandiri Jairam von der Karnataka Bauernbewegung meint, das der Zugang dieser Handelsgiganten furchtbar für die Bauern wird, weil sie die gesamte Nahrungskette monopolisieren werden von der Herstellung bis zur Verteilung. In der Tat werden die Bauern der Gnade der großen Unternehmen ausgeliefert, weil sie die Macht haben werden, die Preise festzulegen und auch nicht interessiert sein werden, kleine Mengen zu kaufen.
Mit dem FTA-Abkommen gibt es auch Pläne, die Investitions-Provisionen, Finanzdienstleistungen und die Banken zu liberalisieren, wodurch die europäischen Banken und Finanzinstitute auf den indischen Markt kommen könnten. Laut BKU werden Investoren aus der EU Vorzug erhalten bei Land, Küstengebieren und Wasser vor den einheimischen Leuten. Diese Bestimmungen können dazu dienen, die Übernahme von Agrarland zu erleichtern und den Übergang von Feldfrüchten auf Früchte für den Export.
Zu einer Zeit, wo Länder in der ganzen Welt unter der Finanzkrise taumeln, die durch private Banken verursacht wurden, ist Regulieren und nicht Liberalisierung angesagt. Der Vorschlag, die Banken und Versicherungen zu liberalisieren findet stt in einer Welt, die bereits verwüstet ist von dem kriminellen Finanzsektor, der laut Kavaljit Singh auch den ansonsten stabilen Bankensektor in Indien schwächen könnte.
Außerdem, so fährt er fort, könnten die Investitions-Bestimmungen dazu führen, dass die indische Regierung von den Multis in Milliarden-Dollar-Höhe verklagt wird vor privaten Schiedsgerichten außerhalb Indiens, falls nationale Gesetze, Politik, Gerichtsentscheidungen oder andere Aktionen als Eingriff in ihre Investitionen angesehen werden.
Schlussfolgerung
Der Kern dieser ganzen Debatte steht die Frage der nationalen Souveränität – oder anders gesagt, die Selbst-Bestimmung, Selbst-Versorgung und die Fürsorge für die örtliche Demokratie und Wirtschaft, damit die einheimsichen Menschen Kontrolle über ihr Leben und ihre Zukunft haben. Das EU-Indien-FTA scheint das Totengeläut für derlei Vorstellungen zu sein.
Seit dem Tod von Margaret Thatcher ist viel über das Ausmaß der neo-liberalen Politik, die sie vertrat, geschrieben worden, nicht zuletzt darüber, dass sie zu der gegenwärtigen Krise in den westlichen Ökonomien geführt hat. Die pro-Globalisierungs-Unternehmens-Interessen, die Thatcher förderte, trugen dazu bei, den post-1945 Keynesianischen Konsens zu zerstören und die Balance zu Gunsten der Elite-Interessen zu verändern.Dies führte in der Folge zur Depression oder Stagnation der Löhne und damit der Nachfrage. Die von den folgenden westlichen Schuldenblasen-Ökonomien dere 1990-er Jahre und weiter angesammelten Profite konnten nicht aufrechterhalten werden, und jetzt, wo sie vor der Krise zuhause stehen, sind Plätze wie Indien für den westlichen Kapitalismus genau richtig für große Profite.
Nennt es ''Globalisiertung', wenn ihr müsst, aber lass uns es für das benennen, was es ist: Imperialismus. Bemüht, die Profitmargen aufrechterhalten, richten sich die Blicke der Eliten ins Ausland, um öffentliches Eigentum zu plündern und örtliche Ökonomien und Gemeinschaften niederzutrampeln. Das Schlimmst ist, dass es nicht so zu sein braucht. Doch sobald Indiens politische Führer begannen, die Betonung auf 'Deregulierung' zu legen und die Macht 'dem Markt' zu übergeben, war das ein grünes Licht für die transnationalen Multis, die indische Gesellschaft auszuhöhlen.
Bauern und Gewerkschaftler in Indien haben über die Allianz namens Anti-FTA-Front 872 Briefe an wichtige Beamte, Organisationen und politische Parteien über die FTA geschrieben. Rakesh Tikait von der BKU sagt, dass obwohl es ernste Auswirkungen auf Bauern und den Kleinhandel hat, sind die Bauern über die FTA weder informiert noch konsultiert worden.
Praveen Khandelwal, Generalsekretär der Konföderation der all-indischen Händler (CAIT) erklärt, dass Indien sich nicht legal einer Politik unter der FTA verpflichten sollte. Er glaubt, dass die Regierung nicht diese Frage besiegeln kann, während eine nationale Debatte über den Gegenstand im Gange ist. Da erhebt sich die Frage, ob wir Zeuge werden sollen, wie Demokratie beiseitegeschoben wird in blinder Verfolgung einer Tagesordnung der korporativen Multis. [2]
Man kann auch eine andere Frage stellen: Wo ist die Logik, den Dieben den Schlüssel zur eigenen Wohnung auszuhändigen?
Colin Todhunter stammt ursprünglich aus dem Nordwesten Englands. Er hat viele Jahre in Indien verbracht und hat viel geschrieben für den Deccan Herald (Bangalore), den New Indian Express und Morning Star (England). Seine Wegseite ist dies:
http://colintodhunter.blogspot.com
Fußnoten:
1) http://www.globalresearch.ca/secret-negotiations-behind-
closed-doors-the-eu-india-free-trade-agreement-devastating-economic-and-social-impacts/5331084
2) http://www.huffingtonpost.com/arundhati-roy/what-have-we-done-to-demo_b_301294.html
Quelle - källa - source
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