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Montag, 4. November 2013

Wie Wirtschafts-Wachstum zum Lebensfeind wurde

Vandana Shiva

1. November 2013



Die Bessenheit nach Wachstum hat unsere Rücksicht auf Nachhaltigkeit in den Schatten gestellt. Aber Menschen sind nicht zum Wegwerfen da – der  Wert des Lebens liegt außerhalb der ökonomischen Entwicklung.

Unbegrenzte Wasserentnahme ist die Phantasie von Ökonomen, Geschäftsleuten und Politikern. Sie wird als Maßnahme für den Fortschritt angesehen. Als Ergebnis ist das Bruttonationalprodukt (BNP), das angeblich den Reichtum der Nationen messen soll, zur mächtigsten Ziffer und dem wichtigsten Konzept in unserer Zeit geworden. Doch versteckt ökonomisches Wachstum die Armut, die es schafft durch die Zerstörung der Natur, was wiederum Gemeinschaften schafft, die ihre Fähigkeit verlieren, für sich selbst zu sorgen.

Das Wachstums-Konzept wurde als eine Maßnahme entwickelt, um während des 2. Weltkrieges Ressourcen freizusetzen. Das BNP beruht darauf, eine künstliche und fiktive Grenze zu schaffen, was voraussetzt, dass wenn man produziert, was man verbraucht, man nicht wirklich produziert. Tatsächlich misst das „Wachstum“ die Verwandlung von Natur in Bargeld.und von Gemeineigentum in Ware.

Folglich werden die erstaunlichen Zyklen der Natur zur Erneuerung des Wassers und der Nährstoffe als Nicht-Produktion definiert. Die Bauern der Welt, die 72 % der Nahrung liefern, produzieren nicht, Frauen, die anbauen und die meiste Hausarbeit tun, passen auch nicht in dieses Muster von Wachstum. Ein lebender Wald trägt auch nicht zum Wachstum bei, aber wenn die Bäume abgehauen werden und als Bauholz verkauft werden, dann haben wir Wachstum. Gesunde Gesellschaften und Gemeinschaften tragen nicht zum Wachstum bei, aber Krankheit schafft Wachstum durch, zum Beispiel, den Verkauf von Medizin.

Wasser als Gemeingut, frei verteilt und von allen geschützt ist für alle da. Jedoch schafft es kein Wachstum. Aber wenn Coca-Cola eine Fabrik errichtet, das Wasser anzapft und damit Plastikflaschen füllt, dann wächst die Wirtschaft. Aber dieses Wachstum basiert darauf, Armut zu schaffen – sowohl für die Natur als auch die örtlichen Gemeinschaften. Frauen werden gezwungen, weiter nach Trinkwasser zu laufen. Im Dorf Plachimada in Kerala, als der Weg zum Wasser 10 km lang wurde, sagte die Stammesfrau Mayilamma 'genug ist genug'. Wir können nicht weiter laufen, die Coca-Cola-Fabrik muss geschlossen werden. Die von den Frauen geschaffene Bewegung hat am Ende zur Fabrikschließung geführt.

„Wasser, dass über die Kapazität der Natur zur Erneuerung und Wiederauffüllung entnommen wird, schafft Wasserhunger.“ (Foto: Joe McNally/Getty)

Auf die gleiche Weise hat uns die Evolution das Geschenk der Saat gemacht. Bauern wählten sie aus, züchteten und veränderten sie - das ist die Basis der Produktion von Nahrung. Eine Saat, die sich selbst erneuert und vervielfältigt ergibt Saat für die nächste Säson und Nahrung. Doch wird die von Bauern gezüchtete und gesparte Saat nicht als Beitrag zum Wachstum angesehen. Wachstum beginnt, wenn sie verändert, patentiert und genetisch verschlossen wird, womit der Bauer gezwungen wird, sie in jeder Säson neu zu kaufen.

Die Natur wird verarmt, die Biovielfalt wird verringert und eine freie, offene Quelle wird in eine patentierte Ware verwandelt. Saat jedes Jahr zu kaufen, ist ein Rezept zur Verschuldung der armen Bauern Indiens. Und seit Monopole errichtet wurden, vermehrten sich die Schulden der Bauern. Mehr als 270000 Bauern wurden in der Schuldenfalle gefangen und begingen seit 1995 Selbstmord.

Auch breitet sich die Armut weiter aus, wenn öffentliches Eigentum privatisiert wird. Privatisierung von Wasser, Strom, Gesundheit und Erziehung erzielt Wachstum durch Profite. Aber sie entwickelt auch Armut, indem sie Leute zwingt, große Summen Geldes auszugeben für das, was als Gemeingut zu erschwinglichem Preis erhältlich war. Wenn jeder Aspekt des Lebens kommerzialisiert und in Waren verwandelt wird, wird das Leben teurer.und die Leute werden ärmer.

Sowohl Ökologie als auch Ökonomie sind derselben Wurzel entsprungen - „oikos“, das griechische Wort für Haushalt. So lang die Wirtschaft auf den Haushalt gerichtet war, wurde ihre Basis in den natürlichen Ressourcen und ihre Grenze der ökologischen Erneuerung anerkannt und respektiert. Sie war darauf gerichtet, die grundlegenden Bedürfnisse des Menschen zu befriedigen in diesen Grenzen. Die auf dem Haushalt basierte Wirtschaft drehte sich auch um die Frauen. Heute ist die Wirtschaft sowohl von den ökologischen Prozessen und den Grundbedürfnissen getrennt und ihnen entgegengesetzt. Während die Zerstörung der Natur gerechtfertigt wurde mit Wachstumschaffung, nahmen Armut und Enteignung zu. Da sie nicht nachhaltig ist, wurde sie ökonomisch auch ungerecht.

Das herrschende Modell ökonomischer Entwicklung ist tatsächlich lebensfeindlich geworden. Wenn Wirtschaft nur in Begriffen des Geldflusses gemessen wird, werden die Reichen reicher und die Armen ärmer. Und die Reichen mögen in Geldbegriffen reich sein, aber auch sie sind arm im größeren Zusammenhang dessen, was menschlich sein bedeutet.

Unterdessen führt die Forderung des gegenwärtigen Wirtschaftmodells zu Ressourcen-Kriegen, Öl-Kriegen, Wasser- und Nahrungskriegen. Es sind drei Ebenen der Gewalt mit nicht-nachhaltiger Entwicklung verbunden. Die erste ist die Gewalt gegen die Erde, die in der ökologischen Krise zum Ausdruck kommt. Die zweite ist die Gewalt gegen die Menschen, die in Armut, Elend und Vertreibung zum Ausdruck kommt. Die dritte ist die Gewalt des Krieges und Konfliktes, wenn die Mächtigen in ihem grenzenlosen Appetit sich Ressourcen aneignen wollen, die in anderen Ländern liegen.

Die Vermehrung des Geldflusses durch BNP hat sich gelöst von dem wahren Wert, aber jene, die Geldmittel angehäuft haben, können dann Ansprüche anmelden auf wirkliche Ressourcen der Menschen – auf ihr Land und Wasser, ihre Wälder und Felder. Dieser Durst führt sie dazu, den letzten Tropfen Wasser und den letzten Zoll Boden auf der Erde zu rauben. Dies ist nicht ein Ende der Armut. Es ist ein Ende menschlicher Rechte und Gerechtigkeit.

Die Nobelpreis-Ökonomen Joseph Stiglitz und Amartya Sen haben zugegeben, dass das BNP nicht den menschlichen Zustand erfasst und forderten die Schaffung anderer Werkzeuge, um das Wohlbefinden der Länder zu messen. Deshalb haben Länder wie Bhutan das Bruttonationalglück als Maßstab statt des BNP angenommen, um den Fortschritt zu messen. Wir müssen Maßnahmen jenseits des BNP ergreifen und eine Wirtschaft entwickeln jenseits des globalen Supermarkts, damit wirklicher Reichtum heranwachsen kann. Wir müssen uns erinnern, dass die wirkliche Währung des Lebens das Leben selbst ist.


Dr. Vandana Shiva ist Philosophin, Umweltaktivistin und Öko-Feministin. Sie ist Gründerin/Direktorin der Navdanya Forschungs-Stiftung für Wissenschaft, Technologie und Ökologie. Sie hat auch zahlreiche Bücher verfasst.

Quelle – källa - source

2 Kommentare:

  1. "die Reichen mögen in Geldbegriffen reich sein, aber auch sie sind arm im größeren Zusammenhang dessen, was menschlich sein bedeutet."
    vgl.:
    http://www.wn.de/Welt/Wirtschaft/Versicherungen-Entlastung-fuer-Ackermann-nach-Suizid-des-Zurich-Finanzchefs

    das Bruttonationalglück setzt funktionierende Gehirne voraus, was bei Psychopathen der Todsünde der Gier quasi eine Selbstzerstörung von dem eigenen und vielen anderer Gehirne ist.

    Wie sagte der einstige König ..... Mein Königreich ist größer als dass dieser Welt.
    Der führte mal so eine kleine Kommune, man könnte fast sagen kommunistisch an. Ohne sich gegenseitig zu Überwachen wie in der USA & ...
    Alles Märchen, und wie es so schön ist gar copy/paste wie die Gutenberg Bibel.

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  2. Schöner Beitrag!
    Wachstum um jeden Preis, auch den useres Untergangs als Menschen

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