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Sonntag, 15. Juni 2014

Syrische Studenten stellen unser globales Kulturerbe wieder her


Mich hat die Arbeit dieser jungen Leute richtig begeistert. Sie arbeiten nicht nur mit Kultur, sie zeigen auch durch ihre freiwillige Arbeit, dass sie selbst Kultur haben auf eine selbstverständliche und nicht prätentiöse Weise. Das Einzige, was mir hier kulturlos vorkam, war Lambs Frage:

"Was habt ihr für Gefühle zu wissen, dass die USA begonnen hat, die syrischen Rebellen mit anti-Panzer-Waffen und anderen schweren Waffen auszurüsten?" Wie kann man, noch dazu als Amerikaner, so eine dämliche Frage stellen? Warum fragten die Studenten nicht ihn: Was würden Sie fühlen, wenn ausländische Gangster in Ihr Land kämen und es verwüsten, die Menschen töten und terrorisieren würden? Aber sie waren zu höflich. Das ist der Unterschied zwischen einer zivilisierten und einer unzivilisierten Kultur.


Mosaiksteine - Stein für Stein ...
Syrische Studenten stellen unser globales Kulturerbe wieder her
Franklin Lamb
15. Juni 2014


Mitte Juli 2013 erhielt das Generaldirektorat für Altertümer und Museen (DGAM) des Kulurministeriums in Damaskus eine dringende Botschaft von Bürgern in Berhalia, ein Dorf etwa 30 km westlich von Damaskus in einem Gebiet, das viele Kämpfe erlebt hat und wo die Zentralregierung keinen Zugang und keine Kontrolle hatte. Die einfache Botschaft war, dass es möglich wäre, einen stark beschädigten archeologischen Schatz wiederherzustellen, der in den Händen von Söldnern gewesen ist.
Zitadelle von Damaskus
Ein Haufen von tausenden kleinen farbigen byzanthinischen Kacheln, Mosaike genannt, konnten anfänglich unmöglich identifiziert werden, weil der archeologische Kontext gründlich zerstört war sowie auch das Gebäude, das ihn beherbergte. Die Mosaiksteinchen stellten kunstvolle Szenen aus der frühen Geschichte Syriens dar und man stellte fest, dass es ca. 60 m² groß war. Das Mosaik ist dekoriert mit geometrischen Ornamenten und besteht aus zwei rechteckigen Tafeln, eines mit einem rechtwinkligen Muster aus senkrecht sich überschneidenden vierzackigen Sternen, die Rauten bilden, abwechselnd liegend oder aufrecht. Die zweite, die nur zum Teil erhalten war, ist dekoriert mit einem großen Stern mit zwei verflochtenen Vierecken mit kreisrunder Schrift. Die Haufen von Mosaiksteinchen stammen aus der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts, laut D. Komait Abdallah, Direktor des wissenschaftlichen Labors der DGAM in der Zitadelle.

Die massive Zitadelle wurde erstmals 1076 befestigt von dem turkmenischen Kriegsherren Atsiz bin Uvak und ist Teil der Altstadt von Damaskus, die 1979 von der UNESCO als Weltkulturerbe eingetragen wurde.

Schließlich hat ein Bewohner von Berhalia, der offenbar irgendwie ein ehemaliger Sympathisant der Söldner gewesen ist und Archäologie-Student in Damskus war, Interesse an dem Mosaik gefasst, nicht weit von seinem Heim, aus dem seine Familie vor Monaten geflohen war. Dann wurde ein Kontakt mit der syrischen Armee hergestellt und ein Treffen fand statt zwischen einer Delegation von Bewohnern und Rebellen-Milizen, mit denen einige schon vor der Krise bekannt waren, die im Besitz des mindestens 1500 Jahre alten unersetzlichen Mosaiks waren. Die Bürger, wie so viele Syrer, die ich getroffen habe, haben ein inniges Verhältnis zu syrischen Erbe. Sie ersuchten die Rebellen, ihr geliebtes Syrien an die erste Stelle zu setzen und drängten darauf, das Kulturerbe des Landes von den Zerstörungen des Krieges zu verschonen und die Zerstörung der archäologischen Stätten zu beenden. Ein Augenzeuge berichtete, dass die Kämpfer irgendwie gerührt wurden von dem unerwarteten Spektakel. Bald kam eine Delegation von Spezialisten für Mosaike und Artefakte nach Berhalia, um Untersuchungen anzustellen.

Einige Bewohner deuten an, dass ein Umschlag die Hände gewechselt hat mit annähernd einer Million syrischen Pfund (1200 Dollar). Aber niemand will noch mehr Leute ermutigen, schnell an Syriens Geschichte reich zu werden, weswegen niemand seine Rolle beim Kauf oder Verkauf von Syriens Geschichte zugibt. Eher ist die Haltung zu hören, dass alles, was Syriens kulturelle Erbe betrifft, unter dem Schutz der Bürger steht. Das habe ich etliche Male gehört von der syrischen Öffentlichkeit, die verzweifelt so schnell wie möglich ein Ende der Gewalt wünscht, um zum normalen Leben zurückehren zu können. Sofort wurden dann die mehr als tausend Pfund Mosaiksteinchen, 2 x 2 cm groß, in einem Militär-LKW nach Damaskus in Sicherheit gebracht.

Es war um jene Zeit, dass der Direktor der DGAM, Prof. Maamoun Abdulkarim und einige Kollegen es zu ihrer persönlichen Aufgabe machten, diesen unersetzlichen Schatz nicht nur zu erhalten, sondern wiederherzustellen. Die Mosaiksteinchen wurden dann in das Restaurations-Labor in den befestigten Palast gebracht, der als die alte Zitadelle von Damaskus bekannt ist.

Das Mosaik von Berhalia ist eins von mehreren seltener Mosaike, die in der Damaskus-Region entdeckt wurden, und wird heute von einem Team von 15 Studenten unter Aufsicht des syrischen Direktorats archäologischer wissenschaftlicher Restaurations-Laboratorien und besonders der Instruktoren Kayd und Borhan Al Zarra restauriert. Wenn ihre Arbeit beendet ist, wird es in der Zitadelle ausgestellt.

Im Verlauf von Besuchen archäologischer Stätten verbrachte ich einige Zeit mit diesem bemerkenswerten und geschickten Team von Restaurations-Studenten. Als eines Tages 4 von ihnen eine Pause machten und mich zu Tee und einheimischem Gebäck einluden, stellte ich ihnen einige Fragen, die sie bereitwillig beantworteten. Glücklicherweise hat mir die brilliante Studentin Nohad der Uni Damaskus bei der Übersetzung geholfen. Sie stammt aus einem Dorf in der Nähe von Homs, hält sich aber wegen Sicherheitsproblemen in Damaskus auf. Hier ein paar Auszüge aus dem Gespräch (die Namen wurden auf Wunsch der Studenten geändert).

Frage: "Wie fühlt ihr euch bei dieser Arbeit mit dem Wissen, dass es Leute in Syrien gibt, die Greuel begehen von der Art, wie sie in manchen Videos auf YouTube gezeigt wurden? Habt ihr Angst? Fürchtet ihr, gekidnappt zu werden?"

Hanan, eine 20-jährige Studentin, die seit vergangenem Winter freiwillig bei der Restauration hilft, antwortete zuerst:
"Ich bin wie alle in Syrien, besonders unter meinen Freunden und Studentenkameraden, entsetzt über das, was da geschieht. Besonders von den Gruppen ISIS und Jabhat al Nursa in Ostsyrien. Dies ist nie in unserem Land geschehen und es war ganz gewiss nie Teil unserer säkularen Kultur. Aber was können wir tun? Unsere Armee bringt große Opfer, das zu stoppen, damit wir zu einem normalen Leben zurückehren können. Ja, ich habe Angst, wie die meisten meiner Freunde. Wir passen auf und wir gehen in den Unterricht und kehren nachhause zurück vor Einbruch der Dunkelheit. Unsere Arbeit hier ist ziemlich sicher, obwohl im vergangenen Jahr 17 Studenten der Uni für Architektut von einer Rebellen-Mörser-Granate getötet wurden. Normalerweise verbringen wir die Nacht zuhause. Aber hier in Damaskus ist die Sicherheit besser als in den Dörfern auf dem Lande. Wenn es einige Tage ruhig ist, gehen wir in ein Café und treffen Freunde.

Es stimmt, dass es viele Kidnappings gegeben hat, aber gewöhnlich sind das Leute aus reichen Familien oder wichtige politische Persönlichkeiten, von denen man Geld erpressen möchte. Ich gehöre nicht zu der Gruppe. Unglücklicherweise ist mehr als die Hälfte der arbeitenden Bevölkerung, wie mein Vater und meine Onkel, ohne Arbeit."

Frage: "Was habt ihr für Gefühle zu wissen, dass die USA begonnen hat, die syrischen Rebellen mit anti-Panzer-Waffen auszurüsten und anderen schweren Waffen? Verstärkt das eure Angst?"

Abed, der ein Ingenieurstudium an der Baath Universität in Homs macht, sagt:
"Das ist sehr erschreckend? Wann wird das enden? Die meisten meiner Freunde glauben, dass Ausländer den Krieg in Gang halten, weil sie glauben, dass sie gewinnen können. Weiß die USA wirklich, wenn sie da bewaffnet und was die Kämpfer tun werden, wenn ihr sie trainiert? Glaubt ihr, die Dschihadisten werden euch lieben, weil ihr ihnen gegen ein nationalistisches arabisches Regime helft, das die zionistische Besatzung von Palestina ablehnt? Wir fragen uns mit Sorge, wann es enden wird. Wer kann es beenden, wenn andere Länder das Töten befördern? Ihr wisst sehr gut, was mit uns geschehen ist. Mehr als die Hälfte unserer Familien mussten flüchten. Wie können wir jemals unser Land, das wir lieben, wieder aufbauen? Wann wird der Krieg enden? Was wird übrigbleiben? Sicher haben wir Angst. Meine Mutter ist krank vor Sorgen. Sie weint jeden Tag. Wir haben keine Ahnung, was aus vielen unserer Verwandten in ganz Syrien geworden ist. Und was ist mit DAASH?

Sie kontrollieren das Raqqa Gouvernat und jetzt auch Teile von Irak und sie planen, irgendein proto-Kalifat zu gründen, zu dem auch Syrien gehören soll. Wir haben Verwandte in Raqqa. Wird Syrien wie Irak oder Somalia werden? Oder schlimmer? Dies ist es, was mir und meinen Freunden Sorgen macht und wir fühlen uns machtlos, das, was hier passiert, zu stoppen oder zu beeinflussen. Wie alle Syrer sind wir erschöpft von den Kriegsjahren. Wir sind müde und wollen, dass dies ein Ende hat. Haben wir unrecht? Was denken Sie?"

Frage
: "Die Medien spekulieren viel in diesen Tagen über die ISIS oder DAASH, weil sie als die extremsten Töchter der Al Qaida gelten und weil sie Shia Moslems und Christen töten, wo sie sie finden. Was haltet ihr von DAASH?"

Zeina, deren Familie im Yarmouk Lager lebt und die ihr Haus und Geschäft 2012 durch Dschihadisten verlor, ist BWL-Studentin an der privaten Yarmouk Universität. Sie erzählt von den Milizen, die das Lager invadiert haben:

"Von den meisten dieser Gruppen hatten wir nie gehört. Vor ein paar Jahren gab es ein paar Berichte von Extremisten-Dschihadisten in Afghanistan, Irak und Libyen. Wir dachten, die seien verrückt oder machten Witze. Ich dachte nicht im Traum daran, dass sie Hilfe bekommen und hier operieren würden, weil Syrien ist und historisch immer säkular war. Wir haben immer ander politische Auffassungen, ethnischen Hintergrund und Religionen respektiert. Wir haben niemals diese Art Hass erfahren. Es stimmt, dass wir in Syrien unsere Feste mit allen Religionen und Traditionen teilen und uns gefällt das, weil wir so von anderen lernen und wir haben alle Freude an dem Hintergrund und der Kultur anderer Völker. Wir in Syrien sind keine religiösen Fanatiker und waren es nie. Hoffentlich werden wir es nie. Ist es nicht natürlich und normal, die Traditionen unserer Nachbarn zu teilen? Ich bin sicher, dass ihr es in eurem Land auch tut. Das weiß ich, weil wir Familie in Amerika und Europa haben.

So wir in Syrien sind ebenso überrascht wie alle, als die DAASH hierher kam und begann, verrückte Regeln für uns aufzustellen - besonders für Frauen. Frauen werden wie Sklaven behandelt. Was stimmt nicht mit diesen Gangs? Sie sind meiner Meinung nach keine Moslems. Sie sind meiner Meinung nach irregeführt. Ich bin religiös. Ich bin Moslem. Ich bin Sunni, wie sie von sich auch behaupten. Und ich habe den Heiligen Koran mein ganzes Leben lang studiert. Ich versuche, seinen Lehren zu folgen, aber ich habe niemals so einen Unsinn gefunden, was sie als den wahren Islam behaupten. Haben sie je den Koran studiert? Sicher haben sie Scheichs, die sie anstacheln."

Frage: "Mit allem, was außerhalb dieser Zitadelle stattfindet - wie fühlt ihr euch, hier zu sein und beinahe jeden Tag hier zu arbeiten?

Jilan, der englische Literatur an der Uni Damaskus studiert, antwortete:
"Oh, mein Gott! Sind Sie Psychiater? (lacht) Ich brauche einen und frage mich das selbst auch. Meine Mutter hat mich vor nicht langer Zeit dasselbe gefragt. Einige Gründe, die Sie vielleicht seltsam finden, werde ich ihnen geben.

Allah ist mein Zeuge, ich fühle mich sicher hier tief innerhalb der alten Mauern und ich wünschte, meine Familie wäre hier mit mir. Ich mache mir ständig Sorgen um sie. Ich fühle mich sicher hier, weil mir viele Leute gesagt haben, dass diese Mauern Mörsern standhalten, mit denen wir manchmal beschossen werden von Ost-Gouta und Gebieten südlich von Damaskus. Artilleriegeschosse oder selbst Bomben können uns nichts anhaben. Wie Sie sehen, ist alles still und friedlich hier. Sie hören keine Schießereien oder Raketen oder Jetflugzeuge am Himmel.

Eine andere Sache, die mir an der Arbeit mit der Restaurierung gefällt, ist die, als würde ich jene ehren, die vor mir waren in unserer Geschichte und Kultur. Mir gefällt, daran zu denken, wie deren Leben gewesen ist im Vergleich zu unserem. Ich fühle, dass ich etwas Nützliches tue in dieser schrecklichen Zeit und dass ich Zuversicht in meine geliebte Heimat zeige, dass wir irgendwie dies überstehen werden und am Ende wieder aufbauen können, was zerstört worden ist. Was wir hier tun in unserem einfachen Restaurations-Laboratorium. Und ich liebe die Freunde, die ich hier gefunden habe. Bei der Arbeit haben wir viel Zeit zu reden und einander kennenzulernen. Und schließlich treffen wir, nicht sehr oft in diesen Tagen, Fremde, die kommen, um unsere Arbeit zu sehen und ihre Unterstützung ausdrücken für das, was wir tun. Danke, dass Sie uns besucht haben. Ich wünschte, amerikanische und andere Studenten würden kommen und mithelfen. Ich bin sicher, ihnen würde die Arbeit gefallen."


Quelle: Brief von  Adel Mahmoud <adel.m70@gmail.com>
Der Artikel wird mit Sicherheit demnächst auf Al Manar auftauchen.


8 Kommentare:

  1. Die Nachricht ist sicherlich bewundernswert.

    Wie kann Franklin Lamb aber Heute schon für den 15.7.2014 eine Nachricht verfassen?
    Lebt er in der Zukunft? ;-)

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    1. & std. Zeitunterschied! Kann er um Mitternacht geschrieben haben.

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  2. Wir, als Deutsche und zwar alle Deutsche, haben hier und heute eine ganz wesentliche Bestimmung zu erfüllen.

    Die Aufgaben bestehen darin, dass wir uns auf keinen Fall in einen kriegerischen, inneren Konflikt und auch auf keinen äußeren einlassen, oder uns hinsichtlich handelnd beteiligen, sondern den Frieden auf der ganzen Welt fördern und bewahren.

    Eine Bestimmung, die für uns Alle gilt, ist, hier und heute, als reale und prioritäre Aufgabe zugedacht, damit wir allen leidenden Völkern, eine realistische und zeitnahe Aufklärung, der gesamten Verbrechen an der Menschheit, vor Augen führen.

    Diese sind unsere wirklichen Hauptaufgaben, alle Menschen,- Völker- und Rechtsverletzungen, aufzuzeichnen und in ein klares Licht zu stellen, damit es für alle Menschen realisierend und erkennbar, sowie nachvollziehbar ist, um den Wandel der Umkehrung zu verwirklichen.

    Wir Alle, brauchen und wollen keine Kriege, sondern Frieden und Freiheit, für ein wohl gesonnenes Miteinander.

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