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Freitag, 24. März 2017

Offener Brief an Isabella Lövin, Schwedens Vize-Ministerpräsidentin

Offener Brief an Isabella Lövin, Schwedens Vize-Ministerpräsidentin und Ministerin für internationale Entwicklungskooperation

Sigyn Meder
Vorsitzende der IrakSolidaritet

22. März 2017

Aus dem Schwedischen: Einar Schlereth (Mitglied der IrakSolidaritet)
Vorbemerkung: In Schweden duzt man sich, auch den König! Außerdem verwende ich die international gültige Schreibweise für Falluja und nicht die deutsche.
Die maßlose Zerstörung Fallujas.
Beste Isabella Lövin!

Du bist kürzlich aus dem Irak zurückgekehrt, wo du u. a. Schwedens langfristige Hilfsstrategie für den Irak mit verschiedenen irakischen Vertretern diskutiert hast.

In Falluja konntest du die große Zerstörung feststellen, die durch die vergangenen Jahre der Kämpfe gegen den IS stattfanden. Falluja lag in Ruinen, als die irakische Armee es im Sommer 2016 eroberte. Der Bedarf an Wiederaufbau ist enorm. Du besuchtest sogar ein Krankenhaus in Falluja und konntest dort auch die große Zerstörung sehen.

Der Verein IrakSolidarität folgte Falluja in den Jahren der Besatzung. 2004 ging die USA gegen die Stadt in zwei Groß-Angriffen im April und November vor. Die USA nannte den Terroristen Al-Sarqawi als Vorwand für eine kollektive Bestrafung der Zivilbevölkerung der Stadt mit Tausenden von Toten und großer Zerstörung als Folge.

Vertreter der Bevölkerung Fallujas wandten sich in einem rührenden Brief an den UN-Generalsekretär und baten um Hilfe, dass sie nicht bombardiert werden. Niemand hatte Al-Sarqawi gesehen und man versprach, ihn zu töten, falls er auftauchen sollte.

Falluja hatte sich einen Namen gemacht als Stadt des Widerstands gegen die Besatzung. Der Widerstand begann, als die USA eine Schule einnahm und sie im März in eine Militärbasis verwandelte. Als Eltern und Kinder  friedlich vor der Schule demonstrierten, eröffnete die USA das Feuer und tötete 17 Kinder und Eltern. Danach kam der Angriff auf die Stadt. Es ging eher darum, den Widerstand zu brechen.

Die USA setzte beim Angriff chemische Waffen gegen die Zivilbevölkerung ein: sowohl DU (abgereichertes Uran) als auch weißen Phosphor.

Nach neun Monaten wurden immer mehr Kinder mit schweren Missbildungen geboren von einer Art, wie sie die Ärzte noch nie gesehen hatten. 2007 übernahm Dr. Samira Alani die Verantwortung für die Abteilung, wo diese Kinder geboren wurden. Sie führte eine sehr genaue Statistik, beschrieb und fotografierte die Kinder und veröffentlichte das erschreckende Resultat.

Sie nahm an der Forschung über die Ursachen für diese Missbildungen mit anderen unabhängigen Forschern teil. Die Falluja-Sammlung der IrakSolidaritet hat mit ihren gesammelten Geldern zur Forschung beigetragen.

Diese und weitere Forschung deuten darauf hin, dass DU-Waffen die Ursache der langfristigen Gesundheitsprobleme der Bevölkerung sind. Selbst Krebs und neurologische Erkrankungen haben sich dramatisch in Falluja, Basra, Bagdad, Hawija und anderen betroffenen Städten erhöht. Auch US-Veteranen sind schwer betroffen worden.

Darüber gibt eine ganze Menge Material, aber es ist offensichtlich, dass die Forschung über diese Fragen in großem Umfang totgeschwiegen wird. Das ‚Miljömagasin‘ gehört zu den Zeitschriften, die Artikel zu dieser Frage veröffentlicht hat.

Friedliche Proteste im Jahr 2013 und vorher wurden mit großer Gewalt niedergeschlagen. Das führte am Ende zu einer Art Selbstverteidigung. Dem IS glückte es trotzdem, die Stadt zu infiltrieren und die meisten Zufahrtswege zu kontrollieren. Die Zivilbevölkerung wurde zu Geiseln.

Unter dem Vorwand, dass die IS sich in der Stadt befand, begann die Regierung im Januar 2014 und die USA im August 2014 die Stadt abermals zu bombardieren.
In der Periode der Kämpfe um die Stadt, wurde das Allgemeine Krankenhaus der Stadt 41 Mal bombardiert und mit Raketen beschossen. Große Teile des Personals flohen und ein paar gebliebene Ärzte versuchten mit großer Mühe, akute Schäden zu behandeln. Mehrere tausend Zivilisten, darunter viele Frauen und Kinder wurden in der Zeit getötet. Die Leichen wurden im Krankenhaus registriert und ein uns bekannter Arzt hat die Statistik veröffentlicht. Eine furchtbare Statistik.

Jetzt wird Mosul von der US-Koalition seit dem August 2014 bombardiert mit einer zunehmenden Anzahl an toten Zivilisten und großer Zerstörung. Man darf wohl fragen, was das für eine „Befreiung“ ist. Es ist offenbar eine kollektive Bestrafung – ein Kriegsverbrechen.

Wir hoffen, dass die langfristige Hilfe für den Irak auch eine stark erhöhte humanitäre Hilfe bietet und Hilfe beim Wiederaufbau dessen, was totalverstört wurde.

Mit diesem Brief bittet der Verein dich mit deinem starken Umweltbewusstsein, den Aufbau von Dr. Samiras Abteilung im Krankenhaus, die Fallujah Maternity und das Children Teaching Hospital zu unterstützen. Wertvolle und notwendige Ausrüstung wurde zerstört. Wir bitten auch um Unterstützung der Forschung über die Schädlichkeit der DU-Waffen. Es laufen in der UNO Kampagnen, diese Waffen zu verbieten.

Große Gebiete des Irak sind buchstäblich vergiftet. Kinder spielen in ausgebrannten Panzern, atmen radioaktive Partikel ein und werden krank. Das ist eine langfristig stattfindende, verheerende Vergiftung, die schädlich für die Volksgesundheit ist. Frauen und Kinder sind am stärksten betroffen. Diese Waffen müssen verboten werden. Wo es geht, muss der Boden gesäubert werden! Es ist unsere Meinung, dass die USA Schadenersatz leisten muss, aber die ganze Welt muss mithelfen.

Es ist unsere Hoffnung, dass Schweden sich in dieser Frage stark engagiert!
Der Verein kann einen Beitrag leisten mit Links zu der Forschung und mit Artikeln.


Quelle - källa - source

1 Kommentar:

  1. schmerzhaft......vorallem wenn man dann mal Überlebende persönlich kennengelernt hat. Die werden von der deutschen Bürokratie weiterhin mit Misstrauen und grosser Distanz behandelt (keine Familienzusammenführung trotz schwerkranker und traumatisierter Angehörigen) - andere, die in Deutschland nur besser und interessanter Leben wollen,
    haben hingegen keine Schwierigkeiten....
    (?)

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