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Freitag, 21. Juli 2017

Südafrika: Der ANC kann nicht reformiert werden

Prithiraj Dullay

18. Juli 2017

Aus dem Englischen: Einar Schlereth

anti-Zuma-Demonstration
Dass sich die Dinge in Südafrika zuspitzen, wird der Katalysator für einen Wechsel sein, der überfällig ist. Der Mythos, dass der ANC das Land zum Wohle aller seiner Menschen regiert, ist zerschlagen worden. Er ist zu einer Partei der ANC-Eliten geworden, die eine Tagesordnung haben, die ihre Position ausnutzt, um den Staat zu plündern so weit es möglich ist davonzukommen. Die breite Welle von anti-Zuma-Demos in allen größeren Städten am Freitag, den 7. April 2017 gaben ein mächtige, klare Botschaft: ein Wechsel ist zwingend. Man forderte die Entfernung eines unheilbar korrupten Präsidenten, nicht aber für die Beendigung des Zangengriffs einer neo-liberalen Ökonomie oder eine Landverteilung oder für Veränderungen, die grundlegend die Schaffung einer wahrhaft gleichen Gesellschaft.

Der Opportunismus war grell sichtbar. Die Weißen kamen zum ersten Mal in der Geschichte Südafrikas in großer Menge, um gegen irgendetwas zu protestieren. Wie viele farbige Menschen trocken bemerkten, kamen sie auf die Straße, um gegen die Herabstufung Südafrikas (SA) auf ‚junk Status‘ zu protestieren, weil ihre Geldbeutel getroffen wurden. Fragen wurden in allem Ernst gestellt: Wo waren die Weißen bei den Protesten gegen das Sharpeville Massaker 1960, wo 69 Schwarze getötet wurden und wo waren sie, wenn die Polizei und die Armee 1976-77 die Schwarzen zu hunderten mordeten. Warum protestierten sie nicht gegen die Morde in der Haft und die schiefe Ökonomie, wo die weißen Südafrikaner den höchsten Lebensstandard in der Welt hatten, während die Schwarzen in den Reservaten und Townships hungers starben. Warum marschierten sie nicht, um gegen die Menschenrechts-Verbrechen der Apartheid zu protestieren? Ja, es gab winzige Proteste der Black Sash der weißen Frauen und eine Handvoll Weiße in der Kommunistischen Partei. Wenn also jetzt Fragen über ihre Motivation gestellt werden, kann man nur sehr skeptisch sein. Doch diese passive Vergangenheit kann Weiße nicht ausschließen, sich den Reihen der demokratischen Kräfte anzuschließen, um den status quo herauszufordern.

Man kann nicht vergessen, dass der ANC die Hebamme war bei der Beendigung der Apartheid und der Geburt der Demokratie; dass es die eine Organisation war, die, wie zögernd auch immer, den wachsenden Widerstand sowohl innerhalb als auch außerhalb des Landes koordinierte. Auch kann nicht vergessen werden, dass bei der anfänglichen Euphorie einige Fortschritte gemacht wurden, um grundlegende Dinge für das Volk zu beschaffen. Dann kam der Ausverkauf an den IWF und die großen Banken. Der ANC führte das Land in die neo-liberale Wirtschafts-Falle. Im Grunde bedeutete das, dass der status quo beibehalten wurde, die Ökonomie und die Multis in weißen Händen und wenig Eifer, die Forderungen der Freiheits-Charta zu erfüllen, so begrenzt sie auch waren. Es war, mit ein paar Ausnahmen hie und da, business as usual. Natürlich musste die neue schwarze Elite zufriedengestellt werden mit Anteilen und Direktorenposten in den weißen Mega-Unternehmen. Die weißen Industriekapitäne bauten eine zweite Verteidigungslinie. Die neue schwarze Elite würde dafür sorgen, die schwarzen Forderungen nach einer Wirtschaft abzuwehren, die wirkliche Beteiligung  und ökonomische Gerechtigkeit erlaubte. Und die Realtität ist, dass die neue Elite einen exzellenten Job macht, den status quo zu stützen.

Es ist auch sehr transparent, dass der ANC heute wenig moralische Bindungen mit der Befreiungsbewegung hat und den erhabenen Idealen der Tambos, Sisulus, der Mbekis und der Kathradas. Die 107 Jahre alte Bewegung ist für dreißig Silberlinge verkauft worden. Der Mantel ihres großen Kampfes liegt zerrissen am Boden, zerfetzt von denselben Leuten, die behaupten, das alleinige Recht auf seine Geschichte zu haben. Was die Sache noch schlimmer macht, ist, dass diese Schurken die noble Geschichte des ANC nutzten, um die Bewegung von innen zu zerstören. Die traurige Realität ist, dass es keinen ANC mehr gibt; nur die verfaulenden Überreste eines Leichnams, an dem die Gupta-Maden und ihre Staatsfreunde schlemmen.

Eine Sache wundert einen: Wie konnte die einst glorreiche Bewegung von ihrem hohen moralischen Anspruch, ihrer Integrität und Glaubwürdigkeit in so einer kurzen Zeit losgelöst werden? Man brauchte über 100 Jahre, um eine mächtige Organisation aufzubauen, die die Apartheid beseitigte. Es dauerte weniger als zehn Jahre, dass ihre eigenen Führer sie auf die Knie zwangen, als sie die Früchte des Sieges schmeckten. Und es wurde eben nicht durch Kräfte der Apartheid getan, sondern durch die eigenen Führer in Zusammenarbeit mit reaktionären Kräften! Dies stinkt nach einem kompletten Betrug an allen, die Hoffnungen auf ein besseres Leben hegten, eine gleiche Gesellschaft und Glück nach 340 Jahren unvorstellbaren Elends.

Der Elephant im Zimmer, dessen Anwesenheit ignoriert wird von scheinbar paralysierten Südafrikanern, die sich an andere gleichermaßen perplexe Landsleute wenden. Was kann getan werden?  Kann der ANC gerettet werden? Kann er unter einer neuen Führung wiederbelebt werden?

Meine eindeutige Antwort ist: Nein, das geht nicht! Die Fäulnis ist tief bis zum Kern vorgedrungen. Wie der sprichwörtliche Fisch, der am Kopf zu stinken beginnt und hinunter bis zum Schwanz. Nein, der ANC ist gestorben. Die Paralyse ist so fortgeschritten, dass jede Entschuldigung zu seiner Verteidigung vom Nationalen Exekutiv Komitee (NEC) nur vorgebracht wird, aus Angst, dass ihre eigene Komplizenschaft in der Korruption aufgedeckt wird. Alle die Leute im MK Veteranen-Verband, die ANC-Frauenliga und Jugendliga, die Dreiparteien-Allianz der Kongress Handels-Gewerkschaft (COSATU)  und die Südafrikanische Kommunistische Partei drängeln sich, die Risse zu stopfen oder sie fliehen vom sinkenden Schiff. Ihre Entschuldigungen sind verspottete und schrille Marionetten-Stimmen, die von den wachsenden Protesten im Land verweht werden.

Ist die Wiederbelebung des ANC möglich? Nein, aus dem einfachen Grund, dass er ausgewählt wurde, nicht um den Weg einer nachhaltigen konsitutionellen Demokratie zu gehen, sondern das verräterische Einverständnis der Führung mit äußeren Kräften, wie den Guptas, den Bell Pottingers und anderen, um den Staat an sich zu reißen zum Zweck der massiven Plünderung und die Spuren zu verwischen, indem man die Kritik auf andere lenkt.

„Betrug“ ist das, was der ANC getan hat mit Jahrhunderte alten Traum von politischer und ökonomischer Freiheit und einer Wiederherstellung der Würde und Hoffnungen einer Nation.
Mehr noch. Wir sind uns voll bewusst der Verwüstung durch die Apartheid-Erziehung an unseren Kindern, da die ANC-Regierung es zuließ, dass die Erziehung von einer Gewerkschaft an sich gerissen wurde, die nicht die Interessen unserer Kinder im Sinn hatte, sondern nur die ihrer Mitglieder. Das ist vielleicht der größte Betrug! Wieder eine Generation verloren und die zweite ist auf dem Weg.

Da ich einen Universitätshintergrund habe, weiß ich, dass eine sehr große Anzahl von Studenten nicht die grundlegenden Anforderungen für ein Studium erfüllen. Die Rate von Versagern im ersten Jahr legt davon Zeugnis ab. Ich bin zutiefst betrübt, weil ich im Innern weiß, dass jeder gute Lehrer inspirieren, motivieren und Selbstvertrauen einflößen kann in den ärmsten Studenten, wodurch jeder das Potential seiner/ihrer Intelligenz erfassen kann. Ich habe das erreicht, weshalb ich weiß, dass es möglich ist … um der Liebe der Kinder willen.

Vielleicht wissen wir jetzt, wohin wir in der Erziehung driften. Es ist erstaunlicherweise vorgeschlagen worden, dass die Mathematik-Anforderungen für die siebte, achte und neunte Klasse um 20% gesenkt werden müssen, damit sie weiterkommen. SA ist bereits das vorletzte Schlusslicht von 138 Ländern in der Mathe-Erziehung. Das reduziert unsere Erziehung auf ‚junk status‘!

Die Südafrikanische Radio Korporation hat ihren höchsten Posten an einen Aufschneider vergeben (der seine Matrikulation gefälscht hat) nach Art von Donald Trump, der seine besten Talente gefeuert hat  und mit Sychophanten ersetzt, die sein Loblied singen. Der SABC ist ebenso wertlos geworden wie seine Führung, ohne jede Substanz!

Jede der südafrikanischen Staatsunternehmen: Eskom, Transnet, Denel, South African Airways wurden einfach zugrundegewirtschaftet durch völlig inkompetente Leute. Nur 17 Stadtverwaltungen im ganzen Land funktionieren entsprechend ihres Auftrags. Die übrigen sind Relikte von geplünderten Ressourcen, sowohl von der Regierung als auch von den örtlichen Behörden.

Über 100 Pensionäre mit Handicaps wurden aus der Regierungspflege an eine private NGO übergeben, die nicht im geringsten überprüft wurde. Das Ergebnis war, dass mehr als 90 an Durst und Hunger oder mangelnder Medikation starben. Doch sind keine Köpfe gerollt. Warum?

Das Verbrechen ist völlig außer Kontrolle geraten. Der Polizeichef muss Sicherheitsdienste anfordern, die die Polizei und die Polizeireviere schützen müssen vor genau den Kriminellen, die sie eigentlich in Schach halten sollen.

Gibt es vertrauenswürdige Angaben über die Anzahl gestohlener Polizeigewehre, die seit 1994 gestohlen worden sind? Wieviele hat man wiederbekommen? Wieviele Polizei-Dokumente sind passender/unpassenderweise verlorengegangen, wodurch Prozesse zu Ende waren?

Ich könnte tausend Fragen stellen, die anfangen mit : ‚Wieviele …?‘ Wir wissen, dass wir keine Antworten bekommen, und die wir bekommen, sind mehr oder weniger Vertuschungen.

Der ANC hat sich selbst zerstört. Die Macht des Volkes muss sich erneut manifetieren durch bürgerliche Organisationen, die einen Nationalkonvent einberufen, um einen neuen Weg voran zu entwerfen, damit wir unsere Würde als Nation zurückfordern können.

P. R. Dullay ist Akademiker, Autor, Kolumnist, Umwelt- und Menschenrechts-Aktivist. Er ist 1978 mit Frau und Kind aus dem Land nach Dänemark geflohen nach zwei Mordversuchen. Mala und er unterrichteten auch an der ANC-Schule in Morogoro/Tansania von 1981-82.  Die Dullays spielten eine große Rolle in anti-Apartheid-Kampagnen, wodurch das Apartheid-Regime zunehmend isoliert wurde. 1992 zog die Familie wieder nach SA.

Quelle - källa - source

3 Kommentare:

  1. "Gleichzeitig, und ganz unabhängig von der allgemeinen Fron, die das Lohnsystem einschließt, sollte die Arbeiterklasse die endgültige Wirksamkeit dieser tagtäglichen Kämpfe nicht überschätzen. Sie sollte nicht vergessen, daß sie gegen Wirkungen kämpft, nicht aber gegen die Ursachen dieser Wirkungen; daß sie zwar die Abwärtsbewegung verlangsamt, nicht aber ihre Richtung ändert; daß sie Palliativmittel anwendet, die das Übel nicht kurieren. Sie sollte daher nicht ausschließlich in diesem unvermeidlichen Kleinkrieg aufgehen, der aus den nie enden wollenden Gewalttaten des Kapitals oder aus den Marktschwankungen unaufhörlich hervorgeht. Sie sollte begreifen, daß das gegenwärtige System bei all dem Elend, das es über sie verhängt, zugleich schwanger geht mit den materiellen Bedingungen und den gesellschaftlichen Formen, die für eine ökonomische Umgestaltung der Gesellschaft notwendig sind. Statt des konservativen Mottos: "Ein gerechter Tagelohn für ein gerechtes Tagewerk!", sollte sie auf ihr Banner die revolutionäre Losung schreiben: "Nieder mit dem Lohnsystem!""

    http://www.mlwerke.de/me/me16/me16_101.htm#K14

    Wenn das oben Geschriebene nicht beherzigt wird, kann es nur so, wie von Dir beschrieben, enden. DDR UdSSR, etc. etc.

    Lohn muss von irgendwas bezahlt werden und das nennt man Kapital. Engels hat im "Anti-Dühring" die ökonomische Form "DDR" kritisiert. Das praktische Experiment gab ihm Recht.

    freundliche Grüße

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    1. "Lohn muss von irgendwas bezahlt werden und das nennt man Kapital" - Nicht das Kapital zahlt den Lohn, sondern das Produkt.
      Die Armen leben von der Arbeit, und die Reichen leben von den Armen - also von der Arbeit der Armen. Kapital bestellt nicht das Feld und backt nicht das Brot und produziert kein Auto.

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  2. Vollkommen richtig. Das betonten Marx, Engels, Lenin immer wieder. Für den ökonomischen Kleinkrieg war die Gewerkschaft zuständig, für das strategische Ziel die Partei. Hat man keine Partei, die den Namen Arbeiterpartei verdient, hat man auch keine anständige Gewerkschaft, sondern nur einen Sauhaufen, wie Dullay das in Südafrika beschreibt. Aber Partei und Gewerkschaft sind ja unmodern. Selbst ist der Mann. Extremer Individualismus. Aber die Oligarchie steht wie ein Mann zusammen. Auch wenn die sich untereinander mal kloppen, so vergessen sie nie ihr ultimatives Ziel: das Volk unten halten und die globale Weltherrschaft.

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