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Montag, 22. Juni 2020

Wir verkauften unsere Sowiet Heimat für Plastiktüten


André Vltchek

21. Juni 2020

Aus dem Englischen: Einar Schlereth
Konsum, Konsum und Plastiktüten!
Seit Monaten ist dies eine Story, die ich mit den jungen Lesern in Hong Kong teilen will. Jetzt scheint der wirklich passende Moment gekommen zu sein, wo die ideologische Schlacht zwischen dem Westen und China in vollem Gang ist und als Folge davon Hong Kong und die ganze Welt leiden muss.

Ich möche sagen, dass nichts davon neu ist, dass der Westen bereits so viele Länder und Territorien destabilisiert hat und zahllosen Millionen junger Menschen die Gehirne gründlich gewaschen hat.

Ich weiß es, weil ich einer von ihnen war. Wäre ich es nicht, würde es unmöglich sein zu verstehen, was in Hong Kong jetzt geschieht.


*


Ich wurde in Leningrad geboren, eine wunderschöne Stadt in der Sojetunion. Jetzt wird es St. Petersburg genannt und das Land heißt Russland. Meine Mutter ist halbe Russin und halbe Chinesin, Künstlerin und Architektin. Mein Kindheit wurde geteilt zwischen Leningrad und Pilsen, eine Industrie-Stadt, bekannt für ihr Bier, am westlichen Ende von dem was einst die Tschechoslowakei genannt wurde. Der Vater war ein Atomphysiker.

Die beiden Städte waren verschieden. Beide repräsentierten etwas Wesentliches in der kommunistischen Planung, ein System, von dem man von westlichen Propagandisten zu hassen lernte.

Leningrad ist eine der erstaunlichsten Städte der Welt mit einigen der größten Museen, Opern, Ballet-Theatern und öffentlichnen Plätzen. In der Vergangenheit pflegte es die russische Hauptstadt zu sein.

Pilsen ist winzig, mit nur 180 000 Einwohnern. Aber als ich Kind war zählte man mehrere ausgezeichnete Bibliotheken, erstklassische Kinos, eine Oper, Avantgarde-Theater, Kunst-Gallerien, einen Forschungs-Zoo mit Dingen, die, wie ich später herausfand (als es zu spät war), es nicht einmal in den US-Millionen-Städten gab.

Beide Städte, eine große und eine kleine, hatten exzellente öffentliche Verkehrsmittel, riesige Parks und Wälder, die bis in die Vororte reichten sowie auch elegante Cafés. Pilsen hatte zahllose kostenlose Tennisbahnen, Fußballstadien und sogar Badminton-Spielplätze.

Das Leben war gut, sinnvoll. Es war reich. Nicht reich im Sinne von Geld, sondern kulturell reich, intellektuell und auch die Gesundheit betreffend. Jung zu sein, machte Spaß, mit kostenlosem und leicht zugänglichem Wissen, mit Kultur an jeder Ecke und Sport für jedermann. Das Tempo war langsam: genug Zeit zu denken, zu lernen und zu analysieren.


Aber, es war auch der Höhepunkt des Kalten Krieges.

Wir waren jung, rebellisch und leicht zu manipulieren. Wir waren niemals zufrieden mit dem, was uns gegeben wurde. Wir nahmen alles für gegeben hin. Abends klebten wir an den Radios und hörten BBC, die Stimme Amerikas, Radio Free Europa und andere Sender, die zuständig dafür waren, den Sozialismus und alle Länder, die gegen den westlichen Imperialismus kämpften zu diskreditieren.

Tschechische Industrie-Kombinate bauten solidarisch ganze Fabriken, von Stahlwerken bis zu Zuckermühlen in Asien, im Nahen Osten und in Afrika. Aber das sahen wir nicht als ruhmreich an, weil die westlichen Propaganda-Medien solche Unternehmungen lächerlich machten.

Unsere Kinos zeigten Meisterwerke von italienischen, französischen, sowjetischen, japanischen Filmen. Aber uns wurde weis gemacht, Schund aus den USA zu verlangen.

Das Musikangebot war großartig, live oder aufgezeichnet. Beinahe jede Musik war tatsächlich erhältlich, obwohl mit etwas Verspätung in örtlichen Geschäften oder sogar bei den Aufführungen. Was nicht in unseren Läden verkauft wurde, war nihilistischer Schund. Aber das war genau das, was wir uns wünschen sollten, wie uns erzählt wurde. Und wir wünschten es uns. Und kopierten ihn mit religiösem Eifer auf unsere Tonbandgeräte. Wenn etwas nicht zu bekommen war, dann schrien die westlichen Medien unisono, dass es eine grobe Verletzung der Rederfreiheit ist


Sie wussten und sie wissen es auch jetzt, wie man junge Gehirne manipulieren kann.


An einem gewissen Punkt waren wir in junge Pessimisten verwandelt, die alles in unseren Länder kritisierten, ohne Ausnahme, ohne uns im geringsten um etwas Objektivität zu kümmern.


Kommt einem das nicht bekannt vor?


Uns wurde was erzählt und wir wiederholten es: alles in der Sowjetunion oder der Tschechoslowakei ist schlecht. Alles im Westen war großartig. Ja, es war wie eine fundamentalistische Religion in Massen-Wahnsinn. Kaum einer war dagegen immun. Wir wurden tatsächlich infiziert, wir waren krank, verwandelt in Idioten.

Wir benutzten öffentliche, sozialistische Einrichtungen, von Bibliotheken bis zu Theatern, staatlich geförderte Cafés, um den Westen zu glorifizieren und unsere eigenen Länder mit Dreck zu bewerfen. So wurden wir von Radio-und Fernsehstationen aus dem Westen indoktriniert und von Publikationen, die in unsere Länder geschmuggelt wurden.

In jenen Tagen wurden Plastiktaschen aus dem Westen zu Status-Symbolen! Ihr wisst, diese Taschen, die man in billigen Supermärkten oder Kaufhäusern bekommt.

Wenn ich im Abstand von einigen Jahrzehnten daran denke, kann ich es kaum glauben: junge, gebildete Mädchen und Jungen liefen stolz die Straßen entlang und stellten billige Plastiktaschen zur Schau, wofür sie eine Menge Geld bezahlt hatten. Weil sie aus dem Westen kamen. Weil sie die Konsumgesellschaft symbolisierten! Weil uns gesagt wurde, dass die Konsumgesellschaft prima sei.


*


Uns wurde erzählt, dass wir uns Freiheit wünschen sollen. Freiheit nach Art des Westens.


Wir wurden unterwiesen, “für die Freiheit zu kämpfen”.


In vieler Hinsicht waren wir viel freier als im Westen. Ich wurde es gewahr, als ich zum ersten Mal nach New York kam und merkte, wie schlecht die Kinder meines Alters erzogen waren, wie hohl ihre Kenntnis von der Welt war. Wie wenig Kultur es in gewöhnlichen mittelgroßen Städten Nordamerikas gab.

Wir wollten, wir verlangten Designer-Jeans. Wir sehnten uns nach westlichen Musiklabels in der Mitte unserer Langspielplatten. Es ging nicht um den Gehalt oder die Botschaft. Es war Form vor Substanz.

Unser Essen war schmackvoller, ökologisch produziert. Aber wir wollten die farbige westliche Verpackung. Wir verlangten Chemikalien.

Wir waren ständig verärgert, erregt, angriffslustig. Wir verärgerten unsere Familien.


Wir waren jung, aber fühlten uns alt.


Ich veröffentlichte mein erstes Gedicht-Buch und haut ab, indem ich die Tür hinter mir zuschlug und ging nach NewYork.
Und bald danach merkte ich, dass ich betrogen worde!


*


Das ist eine sehr vereinfachte Version meiner Story. Der Platz ist knapp.

Aber ich bin froh, dass ich es mi meinen Lesern in Hong Kong teilen kann und natürlich mit allen meinen jungen Lesern in ganz China.

Zwei wunderbare Länder, die meine Heimat waren, wurden betrogen, buchstäblich für nichts, für ein paar Designerjeans und Plastiktaschen.

Der Westen feierte!Nur Monate nach dem Kollaps des sozialistischen Systems wurden beide Länder buchtäblich vollständig ausgeraubt von West-Unternehmen. Menschen verloren ihre Wohnung und Jobs und Internationalismus wurde verteufelt. Stolze sozialistische Unternehmen wurden privatisiert und in vielen Fällen liquidiert. Theater und Kinos wurden in billige secon-hand-Märkte verwandelt.

In Russland sank die Lebenserwartung unter das Niveau der sub-Sahara-Länder.


Die Tschechoslowakei wurde in zwei Teile gespalten.

Jetzt, Jahrzehnte danach, sind Russland und Tschechien wieder wohlhabend. Russland hat viele Elemente eines sozialistischen Systems mit zentraler Planung behalten.

Aber ich vermisse meine beiden Heimatländer, so wie sie einst waren, und alle Umfragen zeigen, dass die Mehrheit der Menschen sie auch vermissen. Ich fühle mich auch schuldig, Tag und Nacht, dass ich es zuließ, indoktriniert zu werden und in gewisser Weise betrogen wurde.

Nachdem ich die Welt gesehen habe, verstand ich, dass das, was sowohl der Sowjetunion und der Tschechoslowakei passiert war, auch so vielen anderen Teilen der Welt geschehen war. Und gnau jetzt nimmt der Westen China aufs Korn unter Ausnutzung Hong Kongs.

Wenn immer ich in China oder in Hong Kong bin, wiederhole ich immer wieder: folgt bitte nicht unserem schlimmen Beispiel. Verteidigt euer Land! Verkauft es nicht, metaphorisch, für ein paar lumpige Plastik-Einkauftaschen. Tut nicht etwas, was ihr für den Rest eures Lebens bereuen müsst!


*


Andre Vltchek ist Philosoph, Romancier, Filmemacher und Enthüllungsjournalist. Er hat über Kriege und Konflikte in Dutzenden von Ländern berichtet. Sechs seiner letzten Bücher sind "New Capital of Indonesia", "China Belt and Road Initiative", "China and Ecological Civilization" mit John B. Cobb, Jr., "Revolutionary Optimism, Western Nihilism", ein revolutionärer Roman "Aurora" und ein Bestseller des politischen Sachbuchs: "Die Aufdeckung der Lügen des Imperiums". Seine anderen Bücher finden Sie hier. Sehen Sie sich "Rwanda Gambit", seine bahnbrechende Dokumentation über Ruanda und DRCongo und seinen Film/Dialog mit Noam Chomsky "Über den westlichen Terrorismus" an. Vltchek lebt derzeit in Ostasien und Lateinamerika und arbeitet weiterhin auf der ganzen Welt. Er ist über seine Website, seinen Twitter und seinen Patreon zu erreichen.

Quelle - källa - source


4 Kommentare:

  1. Diese Geschichte kann man wohl auf alle ehemaligen sozialistischen Länder anwenden, wie eben auch der DDR, meine wirkliche und einzige Heimat; die BRD ist ein fremdes, feindliches Land für mich, in welches ich gezwungen wurde, ein Alptraum

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  2. Kann ich völlig unterschreiben! Der Freiheitsgrad der Menschen war im Sozialismus in Gänze um einiges größer (höher). Es war ein System, dass nicht auf Illusionen, Überlistung, Bluff ... Täuschung basierte.

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