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Mittwoch, 30. September 2020

Afghanistan: Das Wüstenmärchen, das zum Horrortrip werden kann

EINE ANDERE SICHT

Einar Schlereth

Das unten stehende WÜSTENMÄRCHEN ist kein Märchen, sondern beruht auf harten Fakten. Ich kann nicht verstehen, wie sich ein junger Mann frischen Mutes in solch ein Abenteuer stürzen kann, ohne sich im geringsten um das zu kümmern, was die Generationen vor ihnen gemacht haben, und zwar nicht nur von 100 oder 200 oder gar 1000 Jahren gemacht haben. Man muss sogar noch weiter zurückgehen, ein paar tausend Jahre.

Nun das habe ich schon vor 50 Jahren in Jan Myrdals Büchern von  'Indien vänter' (gibt es auf deutsch in meiner Übersetzung), in Die Seidenstraße' und in seinem Afghanistan-Buch erfahren habe. Myrdal meinte, dass diese geniale Karez-Technik in China/Sinkiang oder auch in Afghanistan entwickelt wurde und von dort weiter verbreitet wurde nach Persion, dem Irak, über Ägypten bis in die Libysche Wüste hinein. 

Ich konnte allerdings nachweisen, dass Heinrich Barth auf seiner Forschungsreise durch die zentralafrikanischen Staaten im Tassili-Gebirge 1850, tausende Kilometer weiter westlich ein Karez beschreibt, ohne zu wissen, wozu es dienen sollte.Danach konnte ich die Grenze der Karaz-Technik nochmals ein paar tausend Kilometer  weiter nach Westen verschieben, bis zum Atlantik in MAROKKO, wo man sie nicht Karez sondern Foqqara nennt.

In Ägypten auf unserer Reise unter Führung des klugen Hesham Bahari durch fast alle Oasen konnte ich in zwei Oasen Überreste von Karezen finden, die sogar ihm unbekannt waren. Einmal in Bahariya 300 km westlich von Kairo und eine sehr kleine Oase, auf dem Weg nach Siwa, deren Name mir entfallen ist. Sie wurde vom römischen Militär angelegt und dort sah ich erstmals die Maulwurfshügel, die dort entstanden, wo der Stollen vorgetrieben wurde. Das Gebirge lag sehr weit weg.

Diese Technik hat mehrere revolutionäre Aspekte. In einem Berg/Gebirgszug wird eine Quelle gefasst, Dann wird von dort unterirdisch ein Kanal gegraben, der je nach Länge ein präzises Gefälle aufweisen muss, nicht zu stark, sonst verschlammt er  und nicht zu schwach. Über Dutzende Kilometer hinweg: Erstens wurde das Wasser nicht verschmutzt, zweitens bewahrt es sein Kühle, drittens findet keinerlei Verdunstung statt. Viertens wird das wertvolle Grundwasser nicht abgesenkt, im Gegenteil. In Persion wurden große Städte auf diese Weise versorgt, mit großen mit Ziegeln gemauerten Verteilernetzen unter der Stadt. 

In Sovjetrussland hat man diese altmodischen Anlagen verkommen lassen von dem Kaspischen Meer bis Samarkand und moderne Methoden eingesetzt mit Brunnen-bau (immer tiefer, wie  hier unten beschrieben) und nach 10 - 20 Jahren waren die böden versalzen und unbrauchbar. Mao hingegen hat eine andere Methode genutzt und zwar wurden die wenigen alten Leute ausfindig gemacht, die diese Technik noch beherrschten, es wurden Schulen eingerichtet, wo sie ihr Wissen weitergeben konnten. Wie das weitergegangen ist, kann ich nicht sagen. Kann gut sein, dass Deng Xiaoping das ebenso brutal beseitigt hat wie die Kommunen, ob die Leute es wollten oder nicht.

Haushalt in Afghanistan mit Wasserbassin und Solarzellen.
 © Mansfield, AREU

 

Afghanistan: Das Wüstenmärchen, das zum Horrortrip werden kann

Daniela Gschweng / 28. Sep 2020 - Solarkraft lässt in einer der harschesten Gegenden der Welt die Wüste ergrünen. Das ist nur bedingt eine gute Nachricht.

Afghanistan ist bekannt für Terror und Taliban, nicht für disruptive Technologien. Zumindest, solange sie nicht im Drohnenkrieg zum Einsatz kommen. Nachhaltigkeit und grüne Wirtschaft ist nicht das, was man in einer der am schwersten zugänglichen Gegenden der Welt erwarten würde.

Solarkraft hat in diesem gar nicht so unwichtigen Winkel der Welt unbemerkt grosse Veränderungen angestossen, die Auswirkungen auf die ganze Welt haben. Mit ökologischen Überlegungen hat das nichts zu tun.

Über der Wüste geht die Sonne auf

Das erste glitzernde Solarpaneel wurde in Afghanistan 2013 gesichtet. Der Reporter Justin Rowlatt, damals BBC-Korrespondent für Südasien, sah 2016 aus einem Militärhelikopter über Helmand die ersten Solarzellen. Das Muster am Boden wiederholte sich: ein Hof, ein paar Solarpaneele, ein Wasserreservoir.

Die Veränderung war 2016 bereits in vollem Gang. Solartechnologie hatte die Abhängigkeit der Bauern von teurem Dieselkraftstoff schlechter Qualität beendet, mit dem sie ihre Wasserpumpen betrieben hatten. Über der Wüste war die Sonne aufgegangen.

Die bebaute Fläche, 2002 noch 48'000 Hektaren, hat sich bis zum Ende der US-amerikanischen Besatzungszeit 2012 auf 157'000 Hektaren und bis 2019 auf 344'467 Hektaren vergrössert. Auf Satellitenbildern ist das rasante Wachstum gut erkennbar. Die Wüste ist grün geworden.

Die solarbetriebene Opiumfabrik

Das ist nicht nur eine gute Nachricht. Rowlatts Geschichte stellt vieles in Frage, was wir sonst als gut und erstrebenswert ansehen.

Helmand ist etwa so gross wie die Schweiz und eine der gefährlichsten Gegenden der Welt. Vor allem aber ist die afghanische Provinz zusammen mit der Nachbarprovinz Kandahar das bei weitem produktivste Opiumanbaugebiet der Welt.

Auf den Feldern wächst nicht nur Mohn, aber er ist die lohnendste Saat. Die Bauern in der Region können zwei- bis dreimal im Jahr ernten. Sie bauen auf dem neu gewonnenen Ackerland ausser Mohn auch Getreide und Gemüse an. Die Region ist aufgeblüht. Die lokalen Märkte sind von einer temporären Veranstaltung zu einer ständigen Einrichtung geworden, das Angebot ist gewachsen. Solarpaneele, zeigt ein Bild der «BBC», türmen sich meterhoch.

Nicht nur die legale Wirtschaft boomt

Für 5'000 Dollar bekommt ein Bauer in Helmand einige Paneele und eine Pumpe. Er lässt einen etwa 100 Meter tiefen Brunnen bohren und baut ein Reservoir. Das unbewirtschaftete Land urbar zu machen, ist harte Arbeit. Wer das geschafft hat, baut ein Haus und holt die Familie nach.

Am anderen Ende der Welt, in England, wird die Entwicklung genau verfolgt. Richard Brittan, ein ehemaliger Soldat, der sich mit dem Unternehmen «Alcis» auf die Analyse von Satellitenbildern spezialisiert hat, wertet auf seinen Bildschirmen aus, was in Afghanistan passiert. Er sieht Siedlungen, Felder und auch die Paneele und Reservoirs, die Rowlatt auf seinem Helikopterflug sah. 2019 zählte er mehr als 67'000 Solarpaneele im Tal von Helmand.

Zwischen 2002 (dunkle Farben) und 2019 (heller) hat die bewirtschaftete Fläche in Helmand drastisch zugenommen. (Alcis, grössere Auflösung)

 

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