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Montag, 7. Februar 2011

Die revolutionäre Flut in den moslemischen Ländern

Ja, diese Flut hat uns in Tlaxcala auf die Stühle genagelt. Berichte via Internet, Al-Dschazira, Press TV, TeleSur, France 24 heures, BBC, Facebook, Videos - man möchte alles zugleich sehen, erfahren und wissen. Wir haben so viel wie möglich übersetzt und veröffentlicht mit Fotos, Videoclips, Cartoons, damit viele Menschen sich ein möglichst genaues Bild machen können. Und unsere Herzen schlagen im Takt mit denen der Menschen auf dem Tahrir-Platz in Kairo, in Suez, Alexandria, aber auch mit jenen in Jemen, Jordanien, Gaza, Tunesien etc. die auf die Barrikaden gehen und für ihre Menschenwürde kämpfen.
Und diesen Menschen fühle ich mich näher als meinen Nachbarn in meinem ruhigen, verschlafenen schwedischen Dorf, deren Gleichgültigkeit mich krank macht. Die nicht einmal Solidarität mit den Europäern in Island, Frankreich, Griechenland empfanden, als jene für ihre Rechte auf die Straßen gingen.  Wie sollen sie da mit denen da unten - man weiss kaum, wo das überhaupt liegt - außerdem sind es 'svartskallar' (so nennt man sie in Schweden: Schwarzköpfe) - wie soll man mit denen Solidarität empfinden?* Natürlich gibt es Ausnahmen, nur muss man sie mit der Lupe suchen.
Aber eigentlich denke ich an etwas anderes. Können wir uns wirklich ein Bild von den Bildern machen, die uns überfluten? Wir wissen allzu wenig über die wahren Kräfteverhältnisse in Ägypten und noch weniger über die in den anderen Ländern. Wie ist die Stimmung in der Arbeiterschaft (der Aufruf der neuen Gewerkschaft zum Generalstreik scheint verpufft zu sein), wie in der 1 1/2 Mill. Armee? Und bei den Bauern, den Fellachen, die am meisten unterdrückte Klasse in Ägypten und mit 60% die größte Bevölkerungsgruppe?
Gewiss empfinde ich Solidarität mit diesen jungen, enthusiastischen Menschen, mit all den anderen Menschen, Alten, Jungen, den tapferen Frauen - gleichzeitig aber habe ich Angst um sie, Angst, dass all ihre Begeisterung, ihre Tränen der Freude und des Schmerzes, ihre Opfer, ihr Wille, zu neuen Ufern aufzubrechen, vergeblich sein könnte. Dieselbe Angst, die ich empfand, als ich die Millionen Obama bei seinem Wahlsieg zujubeln sah. Und ich spüre immer noch diese Wut im Bauch über den gigantischen Betrug dieses Rattenfängers.
Eins kenne ich genau: die wilde Besessenheit und Entschlossenheit der Imperialisten, zu retten was zu retten ist, wo nun wieder einmal ihre mit Milliarden gestopften Geheimdienste von nichts was gewusst haben.
Erst einmal Gewaltlosigkeit und Friedlichkeit den Protestlern predigen, aber selbst nicht im Traum daran denken. Sie lieben die Gewaltlosigkeit der anderen, deren gewaltlose Unterwerfung. Selbst greifen sie immer zu jedem - ich wiederhole jedem - Mittel, wenn es um ihre Interessen geht. Sie vergessen nie den Satz Maos: Die Macht kommt aus den Gewehrläufen.
Und ihre Interessen sind in diesem Fall ungeheuer umfassend. Da ist das Erdöl an erster Stelle. Die geostrategische Lage. Die Gefahr für das Schoßkind Israel. Die Gefahr für die lieben saudischen Freunde. Und natürlich die Ansteckungsgefahr für alle anderen arabischen Länder.
Und ich denke an Indonesien 1965, an Chile 1973, Gwangju in Südkorea 1980 und  - ja, warum so weit gehen - an Deutschland 1989, die friedliche Revolution der Ostdeutschen. Es ging ja alles so friedlich zu. Wir haben sie umarmt, unsere lieben Brüder und Schwestern, ihnen die Mäuler mit Bananen gestopft, es wurde manipuliert und intrigiert und subventioniert und ehe sie sich versahen, waren sie alle über den Löffel balbiert. Man hatte doch längst seine Handlanger präpariert und indoktriniert und am Ende hatten wir ein Musterexemplar davon an der Spitze Deutschlands und da hatten wir den Kohl, also nicht DEN Kohl, sondern die Angela, ein Mix aus Adenauer, Strauß und Kohl. Alles ganz friedlich.
Und wenn ich sehe, mit welcher Chuzpe die Yankees es wagten, den Ägyptern ihren Oberfolterer vor die Nase zu setzen, dann schwant mir nichts Gutes. Und wie der die Moslem-Bruderschaft einzuseifen versucht und wie der Obama plötzlich die Bruderschaft gar nicht so schlimm findet. Und wie hohe Militärs und "Berater" zwischen Washington und Kairo hin- und herflitzen und die Europäer ihren dämlichen Senf dazugeben, alles mit dem einzen Ziel, die Leute auf dem Tahrir-Platz noch eine Weile ruhig und friedlich zu halten, damit sie in Ruhe ihr Süppchen gar kochen können.
Nun, ich hoffe innigst, dass ich Unrecht habe. Ich wünsche den Ägyptern einen neuen Nasser, einen besseren Nasser, der das Land wirklich unabhängig macht, der alle Berater, Experten, Globalisten rausfeutelt und auf die Kraft des eigenen Volkes vertraut. Der nicht Ägypten zur größten arabischen Macht machen will, sondern zum größten und leuchtendsten Vorbild. Das hätte dieses Land mit seiner glänzenden, uralten Kultur wirklich verdient.



*Anmerkung: Erinnert sich niemand an die großen Töne der Gewerkschaften, als sie die Trommeln für die EU schlugen? 'Wir werden stärker werden!' - 'Mit uns wird man rechnen müssen!' Pustekuchen. Die hohen Herren Gewerkschaftler sind alle unter die warme Decke der Herrschenden gekrochen - am Fußende. Froh, dass sie nicht mit einem Tritt hinausbefördert werden.



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