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Montag, 14. Februar 2011

Die Tabus der US-Gesellschaft

Im Zusammenhang einer Diskussion über die ägyptische Revolution schrieb mir vorgestern ein Freund aus den USA über seine Schwierigkeiten in einer kleineren Stadt, die wirklichen Probleme zu diskutieren. Ich habe seinen Brief übersetzt und frage mich, ob der Unterschied zu unserer Lage wirklich so groß ist. Ich glaube es nicht. Der größte Unterschied ist wohl eine Frage der Allgmeinbildung, wo bei uns der Fundus auch in der arbeitenden Klasse einfach größer ist. Aber jeder kann sich selbst ein Bild machen:


Einar, ich bin gerade zuhause, um rasch etwas zu Mittag zu essen.
Einstweilen habe ich beschlossen, dass das Wichtigste und vielleicht Entscheidendste, was wir in den USA tun können – zumindest bis wir organisiert und in den Straßen sind – einfach die Sprache ist, die Sprache der globalen Solidarität, des Klassenkampfes, des Anti-Imperialismus, Sozialismus zu benutzen. Mit anderen Worten, in der Art Medien und politischen Umgebung, in der wir hier in den USA leben, sind viele Wörter und viele Bücher tabu geworden, zensiert und vergessen. Du kannst Klassen nicht diskutieren, weil du sonst angeklagt wirst, den Klassenkampf zu befürworten. Du kannst so gut wie nichts diskutieren, was mit der Gemeinde, den Dienstleistungen für die Armen oder der Verteilung des Reichtums zu tun hat, weil du sonst angeklagt wirst, ein Sozialist oder Kommunist zu sein. Du kannst nicht über den Anti-Imperialismus sprechen oder die Niederlage der US-Armee, weil du dann angeklagt wirst, anti-amerikanisch zu sein oder ein Terrorist. Darauf gibt es nur eine Antwort. All diese Wörter so häufig wie möglich und in der täglichen Unterhaltung mit der Familie, Freunden und den Mitarbeitern zu benutzen, Das tue ich. Es ist eine Art, die Welt neu zu bestimmen. Hier sind wir in eine Schachtel hineindefiniert worden, alle wir einfachen Leute, die arbeiten.
Außerhalb der Schachtel sind die Elite, die herrschende Klasse, die Mammutunternehmen und die Medien. Im Handumdrehen und mit keinerlei „demokratischem Prozess“ wurden im Oktober 2008 Billionen Dollar an die Banken und die Multis verteilt. Jetzt können wir als Nation, Staat, Bezirk, Stadt und Familie diskutieren, wie die Krise zu lösen ist – aber nur innerhalb der Schachtel. Wir können diskutieren das Beschneiden oder die Privatisierung unseres nationalen sozialen Wohlfahrtssystems. Wir können – wie es der Staat Washington am 1. Februar d. J. getan hat – 5000 Familien mit Kindern inmitten der Winterkälte die Bezüge der Wohlfahrt an Bargeld streichen. Alles und jedes scheint offen auf dem Tisch zu liegen. Außer der Besteuerung der Reichen, der Nationalisierung der Banken, der rechtlichen Verfolgung der Unternehmensspitzen, die gelogen und betrogen haben. Alles, was die Reichen und Mächtigen betrifft, ist außerhalb der Schachtel und darf nicht diskutiert werden. Es kann nicht diskutiert werden, weil das die Regeln sind, die von der Elite und den Medien aufgestellt wurden. Aber es kann auch deswegen nicht diskutiert werden, weil wir, das Volk, die Idee akzeptiert haben, dass bestimmte Wörter tabu sind, und akzeptiert haben, dass unsere Stimmen erstickt werden und unsere Gedankenprozesse abgestellt werden. Als Individuum kämpfe ich mit Wörtern dagegen an, die historische Prozesse der Veränderung und Revolution, revolutionäre Denker und Kämpfer und die täglichen Bewegungen für Freiheit und Recht uns gegeben haben. Dies ist mein Ausgangspunkt.
Gestern abend habe ich es auf einem Forum über Gewalt in unserer Gemeinde gemacht, wo ein Bürgermeister und Polizeichef und Scheriff (wieder) versuchten, alles in den Rahmen von Verbrechen und Abweichung zu bringen und die Notwendigkeit der Staatsmacht, die Ordnung aufrechtzuerhalten. Ich stand auf, um die soziale und wirtschaftliche Ordnung zu diskutieren, um Raum auch für andere zu schaffen, diese Themen zu diskutieren. Selbst der Bürgermeister hat sich dann auf den „ökonomischen Kollaps“ bezogen.
Ich werde versuchen, weiterhin Löcher in die Schachtel hauen, in die wir mit unserer Erlaubnis gesteckt wurden, und wo von uns erwartet wird, dass wir alle Einschränkungen akzeptieren, die uns von den Mauern auferlegt werden, die von den besitzenden und herrschenden Klassen definiert und errichtet wurden, um uns zu kontrollieren und sich selbst auszuschließen, von der Definition der Probleme und ihrer Lösung, die vor uns liegen.

1 Kommentar:

  1. Herzlichen Dank für Ihren wertvollen Bericht aus dem Zentrum der Weltmacht USA. In Europa haben wir genau die gleiche Situation: die Äußerung bestimmter Gedanken wird mit einem Tabu belegt (z.B. das Vorhandensein von Menschenrassen), es wird versucht, diese per Strafverfolgung zu eliminieren oder sie werden eiskalt zensiert (siehe z.B. KETZERBRIEFE - Ausgabe 157/158 - des Ahriman Verlages). Ich bin so einig mit Ihren Gedanken, daß ich nur ein Zitat hinzufügen möchte:
    "Freiheit ist die Freiheit zu sagen, daß zwei und zwei gleich vier ist. Sobald das gewähr-leistet ist, ergibt sich alles andere von selbst" (George Orwell).
    Ich würde mich freuen, Ihnen einmal direkt eine E-mail schreiben zu können (auch in englischer Sprache), denn nur wenn man miteinander kommuniziert und sich verbünden kann, hat man eine Chance. Meine E-mail Adresse ist: adrasteia14@yahoo.com

    Herzliche Grüße aus Europa

    Andrea

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