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Donnerstag, 29. September 2011

Ein irreführendes Bild von Syrien

In der Nr. 7 von Folket i Bild berichteten Eva Myrdal und Hashim Al-Malki ausführlich, was sie auf ihrer Reise durch Hashims Heimat gesehen und erlebt hatten. Dieser wahrheitsgetreue Bericht ist vielen Leuten übel aufgestoßen, weil er mit ihrem Phantasiegebilde nicht übereinstimmte. Folglich insinuierte man, dass sie gelogen hätten und al-Assad huldigen würden. Und auf der bekannten internationalen Übersetzerseite Tlaxcala wurde ihr Artikel sogar mitsamt meiner Übersetzung gelöscht. Die Wahrheit ist halt nicht immer leicht verdaulich.


Svante Svensson sitzt in seinem TV-Sofa, fest verankert in der, wie er es nennt, „internationalen Berichterstattung“ zusammen „mit der ganzen Welt“, und er weiss genau, was in Syrien geschieht. „Die internationale Berichterstattung“ hämmert in die Köpfe, dass dort unten ein Volksaufstand im Gange ist, unter Führung von friedlichen Demonstranten, die mit der Parole „Freiheit“ Präsident Bashar al-Assads Rücktritt fordern, die dann systematisch vom Präsidenten ermordet werden: „massenweise Tote und Verwundete“, „Massentötungen“, „bergeweise Tote, die vom Regime geschlachtet wurden“.
Diese Beschreibung gibt ein irreführendes Bild der Ereignisse. Die Widersprüche sind komplex und die Proteste manifestieren sich nicht nur friedlich. Och so war es auch schon, als ir das Land im April und Mai bereisten. Schwedische Journalisten schrieben zu der Zeit von „dem geschlossenen Land“. Danach hat dann ja Duraid al-Khamisi aus sowohl Damaskus und auch Deir ez-Zur berichtet. Aber wir waren Touristen im Lande. Als Touristen konnten wir frei in Damaskus und von dort Richtung Osten reisen. Das ist eine Feststellung. Keine Theorie, keine Sammlung von Meinungen, keine Aufforderung. Wir sagen klar, wo wir gereist sind.
Während unserer Reise sehen wir Aufrufe vom schwedischen Außenministerium und die Nachrichten von internationalen TV-Sendern wie CNN, BBC und Al- Dschasira auf arabisch und englisch. Wir stellen fest, dass die Unstimmigkeiten zwischen dem, was die behaupten über Plätze, wo wir sind, und den Fakten vor Ort systematisch sind. Und in den vergangenen Monaten ist es noch deutlicher geworden, dass „die internationale Berichterstattung“ à la Svensson eine Desinformationskampagne betreibt.
Wir schrieben von Bekannten, die über Telefon erzählten, dass sie Angst vor den maskierten, bewaffneten Motorradfahrern in der Küstenstadt Banias hätten. Bewaffnete Gruppen, die schießen um zu töten entlang der Grenze zu Libanon, der Türkei und Iran; davon wird seither sogar in den pip-Nachrichten (aber nicht in den Magazin-Programmen) in Schwedens Radio berichtet. Ende August hat das schwedische Radio „Guten Morgen, Welt“ das aufgefangen, wovon wir im Mai schrieben: Teile der Opposition, die von der „internationalen Berichterstattung“ akzeptiert werden, sprechen davon, dass Syrien eine NATO-Invasion braucht. Statt zu fragen, für wen das ein wünschenswerter Krieg wäre, will man von der Auslandskorrespondentin Agneta Ramberg wissen, ob es möglich wäre, dass die NATO mit einem militärischen Angriff gegen Syrien den gleichen Erfolg hätte wie jetzt in Libyen. Agneta Ramberg antwortet, dass das schwer wäre, weil man nicht wie in Bengasi einen Brückenkopf zur Verfügung habe.
Nein, so ein Territorium gibt es heute noch nicht, da die bewaffnete Truppe, die Jisr-al-Shigur an der türkischen Grenze im Juli unter ihre Kontrolle gebracht hatten, von Syriens Armee zurückgeschlagen wurde, nachdem die zivile Bevölkerung teils über die Grenze in die Türkei geflohen war (wo ausländische Journalisten in dem von der Türkei eingerichteten Flüchtlingslager nicht mit ihnen sprechen durften) und teils in andere Städte Syriens.
Das Völkerrecht gibt der Regierung des Landes das Mandat, einheimischer bewaffneter Gewalt im Rahmen der Gesetze des Landes entgegenzutreten, aber nicht unter Übertretung der Menschenrechte. Svante Svensson hat von der „internationalen Berichterstattung“ kein grünes Licht erhalten, weshalb er über diese bewaffneten Gruppen und Kämpfe nicht diskutieren kann.
Wir schrieben, dass es lebhafte Oppositionsgruppen gibt, die von der „internationalen Berichterstattung“ nicht akzeptiert werden, nämlich jene syrischen Bürger, die offen in Syrien arbeiten für eine andere Wirtschaftspolitik gegen die „soziale Marktwirtschaft“ und für demokratische Grundrechte, die aber nicht die Forderung nach Bashar al-Assads Abgang aufstellen. Auf bekannte McCarthy-Manier wird das in der Svensson'schen Fassung zu „Eva Myrdal und Hashim Al-Malki, die praktisch Bashar al-Assad huldigen“.
Wir schrieben von einer salafitischen Mobilisierung vor den Moscheen an Freitagen und von der Facebook-Gruppe „Die syrische Revolution“ und anderen ähnlichen Gruppen, die über das Netz die wahhabitisch-salafitische Botschaft durch Filme von Demonstrationen verbreiten, die gegen Syriens Christen, Alawiten, Ismailiten, Drusen und Säkularisten gerichtet sind.
Im Satelliten-Fernsehen sitzt der Salafitenscheich Adnan Al-Arour, Syrier im Exil seit 1982 in Saudiarabien, und verspricht buchstäblich, aus den Gegnern Hackfleisch für die Hunde zu machen, wenn die Revolution siegt und sie die Macht übernehmen. Aber so etwas landet auch außerhalb der Fernsehschirme, wenn Svensson die „internationale Berichterstattung“ wählt. Vielleicht, weil er kein Arabisch kann?
„Die internationale Berichterstattung“ stellt NATOs Alliierte unter den Exilpolitikern ins Bild, die sich in Antalya und Paris treffen. Diejenigen, die wir in Syrien trafen und mit denen wir die Sache diskutierten, waren sich einig – die wollten Reformen, aber die wollten keinen Krieg wie in Irak oder in Libyen. Die mit der NATO alliierte Opposition, die bewaffneten Gruppen mit ihrer sektiererischen Botschaft und die sektiererischen Fanatiker hoffen hingegen auf so einen Krieg; und von denen gibt es auch eine Menge im Lande. Im Lande gibt es auch die, die von der „sozialen Marktwirtschaft“ profitiert haben und die an der Korruption Schuld haben, die jetzt viele andere beseitigen wollen.

Und es gibt auch Demonstranten, die mit „Freiheit“ als einziger Parole den Paragraph 8 im Grundgesetz weghaben möchten (der Paragraph, der besagt, dass die Arabische Sozialistische Baath-Partei den Staat und die Gesellschaft führt), die aber nicht schießen. Und im Land wohnen auch jene, die ohne Svante Svensson oder die „internationale Berichterstattung“ um Erlaubnis zu fragen, an den großen Demonstrationen zur Unterstützung von Präsident Bashar al-Assad im Frühjahr teilnahmen.
Dies sind konkrete politische und soziale Widersprüche, die von den Syriern selbst gelöst werden müssen. Es sind ja die Syrier und nicht Svensson, die mit den Konsequenzen werden leben müssen.         
Wer Zugang zum Internet hat und nicht arabisch kann, aber dennoch Analysen und Berichte von Augenzeugen kennenlernen will, die tiefer reichen als die „internationale Berichterstattung“, kann zum Beispiel den britischen Diplomaten Alastair Crooke in der Asia Times vom 15. Juli lesen oder den belgischen Historikerprofessor Pierre Piccinin in Counterpunch vom 4. August oder auf die Startseite von „Global Research“ gehen und dort zum Beispiel James Corbett vom 2. September lesen.

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