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Montag, 19. September 2011



UNO unter NATO-Diktat

Von Uli Brockmeyer und Arnold Schölzel
 
Anti-Ghaddafi-Kämpfer bei der Gefangennahme eines angeblich
Anti-Ghaddafi-Kämpfer bei der Gefangennahme eines angeblichen Regierungsmilizionärs am Sonnabend bei Bani Walid (Foto: Reuters)
 
Ungeachtet der anhaltenden Kämpfe in Libyen entzog die UN-Vollversammlung am Freitag der Regierung des Landes das Mandat in der UNO. Das Gremium beschloß, den sogenannten Nationalen Übergangsrat als Vertreter Libyens in der UNO einzusetzen. Die meisten westlichen Medien verschwiegen allerdings, daß der Entscheidung eine Debatte voranging, in der sich Vertreter mehrerer Staaten unter Berufung auf das Völkerrecht vehement gegen das Diktat der NATO aussprachen und einen entsprechenden Resolutionsentwurf einbrachten. Dieser Antrag wurde mit 107 gegen 22 Stimmen bei zwölf Enthaltungen abgelehnt.

114 von 193 Mitgliedstaaten, darunter alle NATO und EU-Länder, folgten schließlich der Empfehlung des Mandatsprüfungsausschusses der UNO zur Übergabe des UNO-Sitzes an die Ghaddafi-Gegner. Gegen die Empfehlung stimmten 17 Staaten, darunter Angola, Bolivien, Kuba, DR Kongo, Ecuador, Kenia, Namibia, Nicaragua, Südafrika, Tansania, Venezuela, Sambia und Simbabwe. 15 Staaten enthielten sich, 47 Staaten entzogen sich der Abstimmung.

In der Debatte stellte der Vertreter Angolas »das Verfahren, die Legalität und die Grundsätze« des Mandatsprüfungsausschusses in Frage. Er habe die Geschäftsordnung der Vollversammlung verletzt, in der klar festgelegt sei, daß Anträge auf die Vertretung in der UNO durch den Staats- oder Regierungschef oder mindestens den Außenminister des betreffenden Staates an den Generalsekretär der UNO zu übergeben sind. Vertreter Venezuelas und Kubas erklärten, daß sie jegliche Versuche ablehnten, Libyen zu einem Protektorat der NATO oder des UNO-Sicherheitsrates zu machen. Der venezolanische Botschafter verurteilte in seiner Rede die Militäroperationen zugunsten eines Regimewechsels in Libyen. Die Vollversammlung werde nun aufgefordert, eine Gruppierung anzuerkennen, die unter Anleitung der USA und der NATO agiere und keinerlei moralische oder legale Autorität besitze. Die Anerkennung des Rates durch die Vollversammlung stelle einen »abscheulichen Präzedenzfall« dar, der die elementarsten Prinzipien des Völkerrechts verletze.

Der Vertreter Kubas wies darauf hin, daß die Einmischung und die militärische Aggression der NATO den Konflikt in Libyen verschärft habe. Es sei hinlänglich bekannt, daß die NATO unter dem Vorwand des »Schutzes der Zivilbevölkerung« einen Regimewechsel herbeigebombt habe, wobei Tausende unschuldige Männer, Frauen und Kinder getötet und verletzt wurden. Der Kriegspakt habe auch die Bemühungen der Afrikanischen Union und anderer regionaler Bündnisse um eine Verhandlungslösung torpediert.

Der Vertreter Boliviens betonte, daß bisher nicht einmal die Zusammensetzung des Übergangsrates bekannt sei. Die Vertreterin Nicaraguas forderte, daß das Schicksal Libyens vom libyschen Volk bestimmt werden müsse und nicht durch die NATO.

Der UN-Sicherheitsrat billigte ebenfalls am Freitag auf Antrag Großbritanniens einstimmig eine Lockerung der Sanktionen gegen Libyen. Der Beschluß erlaubt u.a. die Lieferung von Waffen.

Am Sonntag scheiterten die Kräfte des Übergangsrats mit einem neuen Anlauf, den Wüstenort Bani Walid zu stürmen. Auch in der Geburtsstadt Muammar Al-Ghaddafis, Sirte, kam es zu heftigen Schußwechseln. Ein Sprecher Ghaddafis erklärte am Samstag, der 69jährige sei weiterhin in Libyen. Bei NATO-Luftangriffen seien in Sirte Wohnhäuser getroffen und 354 Menschen getötet worden, insgesamt hätten die NATO-Bomben binnen 17 Tagen insgesamt mehr als 2000 Menschen das Leben gekostet.
 
Der Original-Artikel erschien in die Junge Welt.

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