einartysken

Dienstag, 25. Oktober 2011

Der vergessene Krieg in West-Papua – Gewalt gegen friedlichen Kongress


Über diesen Krieg in West-Papua habe ich seit 1969 im Zusammenhang mit meinen Büchern über Indonesien berichtet. Er wird mit genau derselben rohen Grausamkeit und Brutalität von der indonesischen Armee (bestens mit US-Waffen ausgerüstet) geführt, wie die damalige Besetzung von Ost-Timor. Dort bequemte sich die UNO, nachdem man jahrelang weggeschaut hatte, am Ende dazu, auf Indonesien Druck auszuüben und seine Armee zum Abzug zu zwingen. West Papua ist niemals in den Fokus der Medien gerückt, wofür die USA und ihre indonesischen Lakaien gesorgt haben. Denn dort liegen die größten Gold- und Kupferminen der Welt, die von US-Gesellschaften augebeutet werden. Daneben gibt es ungezählte andere wertvolle Ressourcen. Grund genug, den Deckel drauf zu halten, keine Meldungen nach draußen dringen zu lassen und möglichst keine Journalisten hineinzulassen. Wie Alex Rayfield es geschafft hat, weiss ich nicht. Jedenfalls bin ich ihm dankbar. Das Original liegt hier.
Menschen strömen zum 3. West Papua Kongress


Das indonesische Militär und die Polizei begannen gestern gegen 14.37 zu schießen. Informationen sind noch nicht vollständig, aber mindestens eine Person wurde erschossen, viele sind verhaftet worden, hunderte sind in die Berge und Dschungel geflohen, von denen die Hauptstadt umgeben ist.

Ein Papua-Priester, der bei der Schießerei floh, hat New Matilda kontaktiert und berichtet, dass ein Armee-LKW ihn überholte und viele Papua-Teilnehmer geladen hatte, die am Dritten Papua Kongress teilgenommen hatten. Sie seien „blutüberströmt“ und „zerschlagen und angeschossen“.

Die Gewalt entstand beim Abschluss des Dritten Papua Kongresses, eine dreitägige Versammlung, die in Taboria oval in Abepura stattfand, auf der Papua-Führer die Unabhängigkeit von Indonesien erklärten.

Bis zu 20 000 Papuas hatten sich versammelt, tanzten und debattierten, wie sie ihre bürgerlichen und politischen Rechte erringen könnten. Drei Tage lang war die Atmosphäre sehr gespannt. Die Versammlung war von Armee-Truppentransportern umringt und Barracudas – ein Typ von bewaffnetem Jeep, den die paramilitärische Polizei bevorzugt. Maschinengewehre waren auf die Teilnehmer gerichtet und tausende Soldaten und Paras mit automatischen Waffen waren anwesend.
Die Papua-Aktivisten fürchteten, dass die Armee und Polizei die friedliche Versammlung gewaltsam auflösen würden. Aber die Papuas waren entschlossen, ihren Kongress durchzuführen.
Ein Aktivist sagte zu New Matilda: „Vielleicht werden wir sterben, aber der Kongress wird weitergehen.“ Und er ging weiter. Die verbotetene „Morgenstern“-Fahne wurde gehisst und die verbotene Nationalhymne wurde gesungen. Aber zur Essenszeit am 3. Tag (19. Oktober) erfuhren die Mitglieder des Organisationskomitees und Leute der Kirche, dass die Polizei und das Militär begannen, Gewalt anzuwenden, um die Versammlung aufzulösen.
Um 14.00 Uhr wurde der Kongress abgeschlossen. Forkorus Yanoisembut, Vorsitzender des einflussreichen Customary Papaun Council wurde zum Präsidenten gewählt und Edison Waromi zum Premierminister des „West Papua Bundesstaates“. Die Menge war begeistert. Ein älterer Stammesführer schickte folgende Botschaft via SMS an New Matilda: „Der Kongress ist erfolgreich gewesen! Keine Reaktion des Militärs. Gott sei Dank!“


Der Jubel kam zu früh.
Gleich nach Erhalt der Botschaft an New Matilda verlasen Yaboisembut und Waromi eine Unabhängigkeitserklärung. Daraufhin eröffneten Polizei und Militär das Feuer und stürmten die Bühne. Als Forkorus Yaboisembut verhaftet werden sollte, griffen seine Bodyguards ein, um ihn zu schützen. Ein Zeuge sagt, dass mindestens eine Person erschossen wurde. Laut einem SMS, das New Matilda von Yaboisembut erhielt, „wurden hunderte umzingelt, beschossen und dann verhaftet“.
Vor der Verhaftung sprach Yaboisembut mit einem Journalisten von Bintang Papua, einer örtlichen Jayapura Tageszeitung. Yaboisembut habe da gesagt, dass das Ziel des Kongresses gewesen sei, die grundlegenden Rechte der indigenen Papua-Bevölkerung zu diskutieren und nicht, die Republik von Indonesien zu zerstören.
Auch wenn wir die politischen Rechte diskutieren, respektieren wir die indonesische Regierung, weil es nicht unsere Absicht ist, [die Republik von Indonesien] zu zerstören. Dies ist eine Sache des Prinzips“, sagte er.
„Was wir tun, ist für die Rechte des indigenen Volkes von Papua zu kämpfen. Das schließt unser grundlegendes Recht als Nation ein.“
Yaboisembut weiss, wovon er spricht. Er hat kürzlich ein Buch über internationales Recht, Selbstbestimmung und das Recht auf Sezession geschrieben – ein Recht, das jüngstens von der internationalen Gemeinschaft im Südsudan und davor in Kosovo hochgehalten wurde.
Menschenrechtsaktivisten in West Papua haben bestätigt, dass außer Yaboisembut, Edison Waromi und seine Frau und ein Kind, Selfius Bobi (Vorsitzender des Organisationskomitees), Agus Krar, Abraham Kareni, Yudit Kambuaya und Jan Piet Mirino auch verhaftet wurden.
Zur Zeit dieser Niederschrift wurden die Verhafteten in der örtlichen Jayapura Polizeistation festgehalten. Eine andere Quelle sagt, dass Selfius Bobi seither nicht gesehen wurde. Leute von West Papua Media Alerts befürchten sehr, dass er gefoltert wird.
Estreme Gewalt wurde angewendet, um eine friedliche Versammlung aufzulösen.
Dies war das dritte Mal, dass die West-Papuas einen Kongress abgehalten haben. Der zweite fand im Jahr 2000 statt. Er gipfelte in der Wahl eines Papuan Presidium Council, der ein Jahr später, Ende 2001, zerbrach, als der Vorsitzende heys Hiyo Eluay von der Kopassus, den indonesischen Spezialeinheiten ermordet wurde.
Der erste Papua Kongress wurde am 1. Dezember 1961 gehalten, ein Tag, den die West Papuas als ihren Nationalfeiertag ansehen, und 18 Monate, bevor Indonesien am 1. Mai 1963 Papua Neu Guinea besetzte.
Gestern war es das zweite Mal, dass die Papuas die Unabhängigkeit von Indonesien erklärten. Das erste Mal war am 1. Juli 1976 durch Seth Rumkorem in Markas Viktoria, einer Guerillabasis an der Grenze zu Papua Neu Guinea.
Yaboisembuts Unabhängigkeitserklärung vor tausenden von Papuas und tausenden von schwer bewaffneten Polizisten ist eine klare Eskalation des Unabhängigkeitskampfes. Sie zeigt auch Yaboisembuts Überzeugung, dass der Kampf durch eine Erhebung der unbewaffneten Bürger durchgeführt werden müsse.

Nachtrag:
Zwei Tage später stand fest, dass sechs Menschen erschossen worden waren und immer noch 800 Delegierte festgehalten wurden.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen