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Dienstag, 1. Januar 2013

Eritrea – Der letzte Askari ist gestorben

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Dieser schöne Nachruf erinnert mich an den guten alten Boniface, einen Askari aus Tansania, den wir weit im Süden des Landes, in Lindi an der Grenze zu Mosambik trafen. Er wurde 1915 in Ndanda, einer großen deutschen Benediktinermission südwestlich von Lindi geboren. Von den Engländern Ende der 30-er Jahre eingezogen, in Kenya ausgebildet und ebenfalls nach Libyen geschickt, wo er bei Tobruk kämpfte. Die Deutschen verloren, wollten das Kriegsglück wenden und schickten Fallschirmjäger, von denen die Engländer mitsamt Boniface bei Bengasi eingekesselt wurden und sich ergeben mussten. Die SS-Leute hatten schon den Finger am Abzug, um alle Gefangenen zu liquidieren, als Rommel dazwischentrat und ihnen das Leben rettete. Sie wurden erst nach Frankreich geschickt, später mussten sie zu Fuß bis Deuschland laufen und Boniface landete bei Hannover, dem großen Eisenbahnknotenpunkt, der ja ständig bombardiert und von Gefangenen ständig repariert werden musste. 
Dies ist nur die Kurzfassung seiner sehr langen Geschichte. Boniface konnte noch recht gut Deutsch sprechen, daneben Englisch, Kisuaheli, Arabisch und ein paar andere afrikanische Sprachen, u. a. Kihehe, weil seine Frau eine Mhehe war. Er wusste viele, darunter sehr schlimme Geschichten aus der Kolonialzeit zu erzählen. Wir hielten noch lange Briefkontakt, bis er dann 1991 gestorben ist. 
Die Geschichte der Millionen Afrikaner, Inder, Südostasiaten, die in den Kriegen der Weißen verheizt wurden, ist bis jetzt nicht geschrieben wurden. Sie kämpften immer sehr tapfer, erstens aus Wut auf die Weißen, denen sie es endlich einmal zeigen konnten, zum anderen, weil sie wussten, was sie erwartete, wenn sie in die Gefangenschaft gerieten. Dann machten die Faschisten meist kurzen Prozess mit ihnen. Und da gibt es Leute, die den Krieg heroisieren. Aber alle Kriege, wenn es keine wirklichen Verteidigungs- oder Befreiungskriege waren, sind immer nichts als Blut, Tränen, Verbrechen und Schande gewesen. Und darüber sollte nicht der Mantel des Schweigens gebreitet werden.



Thomas C. Mountain
30. Dezember 2012


Einer der letzten, wenn nicht der letzte eritreische Askari, aboy Welday Tecle Weldekidan Melkai Tensai aus dem Dorf Minche in der Serai Region, ist im Alter von 93 Jahren gestorben.


Aboy Welday wurde 1937 von der italienischen Kolonialarmee oder „askaris“, wie sie genannt wurde, beim ersten Einberufungs-Umgang in Eritrea eingezogen.


Italien hatte seine Invasion und Besetzung von Eritrea etwa 1880 begonnen, aber wegen eines halben Jahrhunderts harten bewaffneten Widerstandes wagten die Italiener nicht, Eritreer einzuziehen, auszubilden und zu bewaffnen aus Angst vor Revolten.

Erst als Anfang 1930 die letzten Reste des bewaffneten Widerstandes besiegt wurden und einige Jahre vergangen waren, riskierten die Italiener, die allgemeine Wehrpflicht einzuführen und eritreische askaris auszubilden, und da war aboy Welday beim ersten Jahrgang dabei.


Die Italiener hatten eine Art Volkszählung durchgeführt und ein System eingeführt, nach dem jedes Dorf je nach Menge der Bewohner eine bestimmte Anzahl junger Männer für die Kolonialarmee bereitzustellen hatte. Und er wurde im Alter von 18 Jahren von den Dorfältesten ausgewählt.


Kurz nachdem er seine militärische Ausbildung absolviert hatte, wurde aboy Welday für die Elite Tigris Kompanie von 100 Mann ausgewählt, ein Programm, nach dem jede größere ethnische Gruppe für die Italienische Afrika-Kolonialarmee 100 ihrer größten und schönsten Wehrpflichtigen stellen musste, um an der Italienischen Weltausstellung 1938 teilzunehmen.


Also bestieg aboy Welday zusammen mit tausenden anderen Ostafrikanern aus Eritreern, Somaliern und Äthiopiern das Schiff und fuhr nach Italien, wo die Ankunft der hübschen jungen Afrikaner in ihren schicken Uniformen eine Sensation hervorrief, besonders unter den jungen italienischen Frauen.


Diese Aufregungen wurden durch den Beginn des 2. Weltkrieges abgebrochen und Weldays Einheit wurde zusammen mit einer Artillerie-Brigade in die libysche Kolonie geschickt, um für ihre italienischen Herren gegen die britischen und amerikanischen Armeen zu kämpfen.


Mit der Niederlage und Kapitulation der Italiener wurde aboy Welday und die anderen askaris von den Briten unter harten Bedingungen in ein Gefangenenlager gesteckt, bis sie am Ende nach Eritrea zurückgeschickt wurden, wo jeder 25 Shillinge in die Hand bekam und entlassen wurde.


Aboy Welday ging in sein Dorf Damba Minche zurück und nahm sein früheres Leben eines Bauern wieder auf. Nachdem ihm die Heuschrecken alles auffraßen, war er gezwungen, in die Hauptstadt Asmara zu ziehen.

Aboy Welday hatte in der Armee sich selbst das Lesen und Schreiben beigebracht und fand daher schnell eine Arbeit im Telekommunikationsbereich in Eritrea unter den britischen Kolonialisten, danach den Äthiopiern, womit er eine fast 40-jährige Berufszeit begann mit dem Unterhalt des Telefonnetzes.


Da aboy aus Damba Minche war, eins der Zentren des eritreischen Nationalismus, wo Asmach Berhe, einer der Gründer der Eritreer-Bewegung ermordet wurde (Berhe war ein Verwandter von aboy), wurde aboy Welday selbst ein überzeugter eritreischer Patriot und am Ende für eine Zeit inhaftiert, weil er sich weigerte, in der äthiopischen Miliz zu dienen. Das war in Keren, wo aboy den größten Teil seiner Zeit bei der Telefongesellschaft verbrachte.


Von aboy Weldays neun Kindern gingen fünf in die Armee zur nationalen Befreiung unter Führung der Eritreischen Befreiungsfront. Einer von ihnen ist gefallen.


Aboy Welday, einer der letzten, wenn nicht der letzte, eritreischen Askaris hinterlässt seinen jüngeren Bruder Kuflom, 7 Kinder, 24 Enkelkinder und 5 Großenkel und wird in dem Familiengrab neben seiner mit 74 Jahren verstorbenen Frau Sebene Tecle in Damba Minche beigesetzt.


Thomas C. Mountain ist der Schwiegersohn von aboy Welday.

2 Kommentare:

  1. Was soll mensch dazu sagen?
    Schaut euch das an:
    http://www.youtube.com/watch?v=vorx0Y4Yn74

    Ich hoffe allen wird das suhlen in unserer zusammen geraubten Wohlstandsgemütlichkeit gründlich vergehen!!!


    Menschenzoos:
    Schaufenster der Unmenschlichkeit
    Völkerschauen in Deutschland, Österreich, Schweiz,
    Frankreich, Spanien, Italien, UK, Japan, USA

    von Pascal Blanchard, Nicolas Bancel, Gilles Boëtsch, Eric Deroo und Sandrine Lemaire. Es widmet sich dem Thema "Völkerschauen", welche der Fernsehsender ARTE "als einen der größten Skandale der westlichen Gesellschaften" bezeichnete. Dieses Thema wurde zu Unrecht vergessen, denn was insbesondere zwischen 1860 und 1931 hunderte von Millionen Menschen sahen, in sich aufsogen und auf folgende Generationen weitergaben, war nicht das Bild "vom Anderen" sondern das Bild von "wir oben, die unten". Unten hieß bis hinunter zum "missing link" -- dem fehlenden Verbindungsglied zwischen Menschen und Affen. Die MenschenZoos sollten nicht Wissen über fremde Völker vermitteln, sondern es ging ums Geschäft, um Rassismus und um Herrschaft. Wie es unser Autor Herman Lebovics in seinem Beitrag über die Internationale Kolonialausstellung 1931 in Paris schreibt: Kann man Herrschaft deutlicher zum Ausdruck bringen, als die Besiegten tot im Museum und lebendig im Zoo zur Schau zu stellen?

    Wie sehr die Besuche der MenschenZoos die Menschen aufwühlten, zeigt sehr deutlich die Titelseite des Buches: Wer sind die Wilden, wer ist zivilisiert? Der junge schwarze Mann, der bedrückt würdevoll in dem Gehege steht oder die Besucher, die von seinem Anblieck so aufgewühlt werden, dass sie sich an dem Zaun festhalten?

    Das auch heute noch bewusst oder unterbewusst verbreitete Bild des Wilden, des „Negers", des Exoten wurde in jener Zeit in Europa, Amerika und Japan durch Menschenzoos geprägt. Die Menschen gingen „mit Kind und Kegel" in den Zoo oder zu den Ausstellungen, um erstmals in ihrem Leben „die Wilden" zu sehen. Diese wurden hinter Barrieren oder Zäunen ausgestellt, wie Tiere. Oftmals wurden diese Menschen auch zwischen den Käfigen mit wilden Tieren platziert. Gelegentlich fand sich auch der entsprechende Hinweis „Bitte nicht füttern".

    Im öffentlichen Bewusstsein sind diese in Deutschland insbesondere von Carl Hagenbeck wirtschaftlich sehr erfolgreich organisierten „Völkerschauen" fast nicht mehr präsent. Doch spielten diese eine wesentliche Rolle im Kolonialzeitalter. Sie befriedigten das Interesse an fremden Kulturen in einer rassistischen Form. Der Andere, der Ausgestellte, war unterlegen, der Besucher war überlegen.: Der "Herr" versus "minderer Mensch" -- danach ist es kein sehr großer Schritt mehr zum "Herrenmenschen", den "Herrenrassen" und den "Untermenschen". Die Ausstellungen schufen oder bestärkten generationenübergreifende, bis heute vorhandene rassistische Vorurteile.

    Daher ist die Geschichte der Menschenzoos, wie der Fernsehsender ARTE zutreffend schreibt, auch eine Geschichte der Ursprünge des Rassismus.
    Ursprünge, die nicht vergangen sind sondern die bis heute fortwirken.

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  2. Nochmals der Link zum Doku; Kolonialismus: Das Tabu, Kolonialausstellung, Völkerschau in MenschenZoos 00:51 min.

    http://www.youtube.com/watch?v=010vzm5XUj4

    Es ist nun am Stück nicht mehr in 4 teilen, die 4 Teile sind gelöscht.

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