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Montag, 11. April 2016

'Fair Trade' gegen 'Unequal Trade' – Die Kaffee-, Bananen- und Weizenmärkte


Die Tatsache, dass der Kaffee eine solche Bedeutung in den vergangenen Jahrzehnten gewonnen hat, ist mir neu. Und auch, dass immer noch die große Mehrheit der Kaffeebauern in Armut lebt – trotz Fair Trade und CSR und allen schönen Sprüchen. Aber ich pflichte dem Autor trotzdem bei, Fair Trade Kaffee zu kaufen, denn wir haben vor über 35 Jahren in dem „sozialistischen“ Tansania die Kaffeebauern gesehen, die nicht genug verdienten, um die Kinder in die Schule zu schicken. Und sie zeigten uns die Papierfetzen, die sie seit Jahren statt Bezahlung erhielten. Trotz Verboten rissen sie die Bäume heraus, um Nahrungsmittel für ihre Familien anbauen zu können. Seither kaufe ich Fair Trade Kaffee. 
Und hier noch ein deutscher Artikel  über die verdammt harte Arbeit mit dem Kaffee, bevor wir ihn aus der Tasse schlürfen können.
Jede Menge Handarbeit!
'Fair Trade' gegen 'Unequal Trade' – Die Kaffee-, Bananen- und Weizenmärkte


Prof. Gavin Fridell wird von Arturo Ezquerro-Cañete über gerechten und ungleichen Handel interviewt
7. April 2016


Aus dem Englischen: Einar Schlereth
(gekürzte Fassung)
Kaffee ist eins der wertvollsten Güter, die vom globalen Süden exportiert werden (übertroffen nur von Erdöl und illegalen Drogen); er bringt jedes Jahr Milliarden Dollar Profite für die Multis ein. Und doch, trotz der Ausdehnung und zunehmenden Sichtbarkeit von Fair-Trade Kaffee, lebt die Mehrheit der Kaffeebauern der Welt in relativer Armut. Gavin Fridells neue Buch 'Kaffee' (Polity, 2014) zeichnet nicht nur die lange und gewundene Geschichte der Ausbeutung und des Kolonialismus auf, sondern bemüht sich auch, die Täter dieser riesigen Ungleichheit zu entlarven.

Das zentrale Argument in Fridells Buch ist die Abweisung der gegenwärtigen Fixierung auf „marktorientierte Projekte“ als Lösung der Probleme Armut, Ungleichheit und Umwelt-Zerstörung, die mit dieser tropischen Bohne in Verbindung stehen. Seine Kritik basiert auf der Feststellung, dass der Staat und der Markt untrennbar sind und 'KaffeeStaatskunst' im Guten wie im Schlechten zentral gewesen und weiterhin ist bei den täglichen Operationen der Kaffee-Industrie. Daher selbst in einer von extremer Markt-Flüchtigkeit und korporativer Oligarchie beengten Industrie, so behauptet Fridell, ist das Streben nach sozial und ökologisch gerechteren Formen der Kaffee-Produktion nicht nur durch Markt-Korrekturen zu lösen, sondern erfordert ein größeres Maß an „besserer Kaffee-Staatskunst“, die geleitet wird von der Geschichte der Gewinne und Verluste im äußerst fehlerhaften globalen Kaffeemarkt.

Arturo Ezquerro-Cañete (AEC): Als erstes, können Sie kurz ihren akademischen Hintergrund beschreiben und wieso Sie die Forschung über die Produktion von Landwirtschafts-Gütern und Welthandelsabkommen begonnen haben?

Gavin Fridell (GF): Ich begann Warenketten zu studieren, als ich an der New Yorker Uni Anfang der 2000-er meinen PhD machte. Mein anfängliches Interesse entstand nicht aus einem besonderen Interesse für Waren, sondern für Versuche, den Markt in verschiedener Weise zu regulieren. Daher fing ich mit dem FairTrade Kaffee in Mexiko an, mehr aus dem Interesse für das Modell 'FairTrade' als für Kaffee. Das führte dann zur Arbeit mit Waren allgemein, wie Bananen in der Karibik.  Meiner Meinung nach war das ständige Thema der 'Markt' im Kapitalismus gewesen, als ich versuchte, die Grenzen der Marktherrschaft und 'Phantasien' vom 'Freihandel' zu erforschen und zu kritisieren, während ich nach neuen Modellen für sozialere Alternativen suchte.

AEC: In ihrem vorigen Buch 'Alternativer Handel: Erbe für die Zukunft' diskutieren sie drei Waren: Bananen, Weizen und Kaffee. Was brachte Sie dazu, sich ausschließlich dem Kaffee zu widmen und worin unterscheidet sich der Kaffee von anderen Waren Ihrer früheren Forschung?

GF: Der Fokus auf Kaffee kommt eigentlich von der Natur der 'Polity Resources Series', wo Autoren gebeten werden, ihre Ideen zu entwickeln mit dem Fokus auf eine bestimmte Ware. Gleichzeitig hat allein der Fokus auf Kaffee mir erlaubt, einige Ideen herauszufinden und zu entwickeln aus dem Buch 'Alternative Trade' und auch aus meinem früheren Buch 'Fair Trade Coffee'. Es gibt viele Unterschiede zwischen all den Waren natürlich, obwohl meine eigene Arbeit mehr auf die Ähnlichkeiten abzielte: die wachsende Konzentration der Macht und des Reichtums unter den größten Unternehmen oder die beständige Armut unter den kleinsten Bauern und Landarbeitern.

Ein interessanter Faktor, der mich jedoch immer zum Kaffee zog, ist seine reiche Geschichte und besonders die vielen historischen Beispiele staatlicher Einmischung in den Kaffee-Markt. Ich denke, dass es unter Verbrauchern eine Tendenz gibt, ihre Lieblingsgüter zu romantisieren, wozu im Fall des Kaffees die Vorstellung von seiner exotischen, 'dunklen' oder wilden Geschichte gehört. Gewiss hat der Kaffee eine brutale Geschichte und es gibt keinen Mangel an extremen Stories, vom Schwarzen Frost bis zu Börsenkrachs, um unterhaltsame Romane zu schreiben. Gleichzeitig ist viel seiner Geschichte gekennzeichnet von etwas, was fälschlicherweise als banal angesehen wird: die intensiven staatlichen Einmischungen von der kolonialen Ära bis heute. Das hat oft die Form gewaltsamer Staatsmaßnahmen geführt, um Menschen und Land zu erobern und Eliten-Interessen zu verteidigen. Gleichzeitig bietet der Kaffee einzigartige, ich würde sagen erfolgreiche Entwicklungsmodelle in moderner Zeit. Zwischen 1960 und 1980 z. B. regulierten die Verbraucher- und Produzentenländer von Kaffee die Kaffeepreise global. Das ist m. A. n. ein einzigartiges Modell, das wenig Beachtung von Akademikern und Politikern fand. Viele einzigartige Modelle gibt es auch auf nationalem Niveau; Costa Rica baute einen beeindruckenden sozialen Wohlfahrtsstaat in der Nachkriegszeit auf Basis von Reformen des Kaffee-Sektors. Das ist mehr als ein Entwicklungsmodell disktutiert worden und das sollte man wieder machen.


AEC: Ein besonders wichtiges Thema, das im Buch auftaucht ist, wie der Staat im Guten oder Schlechten absolut zentral war, wie der globale Kaffee-Markt läuft. Sie illustrieren dies mit dem Begriff Kaffee-Staatskunst. Ich frage mich, ob Sie dies als wichtigsten theoretischen Beitrag ihres Buches sehen?

GF: Ja, das denke ich auch. Gestützt auf Werke von David Harvey, Elle Meiksins Wood, Peter Gowan u. a. meine ich, dass die Kaffee-Staatskunst die zentrale Rolle für das Funktionieren der globalen Kaffee-Ökonomie spielt. Ich find Harveys Arbeit besonders nützlich hinsichtlich seines Verständnisses kapitalistischer Staaten, die getrieben von „territorialer“ Logik heimische Industrien, Jobs, Profite und eine „Kapital“-Logik verteidigen, um sicherzustellen, das alles vorhanden ist, um Privateigentum und die Reproduktion des Kapitalismus zu schützen.

Die Kaffee-Staatskunst ist eigentlich nicht neu für Leute, die den kapitalistischen Staat länger studiert haben. Sie erlaubt uns aber, einige wichtige Annahmen, wie der globale Kaffee-Markt funktioniert, neu zu überdenken. Von 1998 bis 2002 gab es eine große Krise wegen fallender Kaffee-Preise. Viele schoben das besonders auf Vietnams rapiden Aufschwung von einem unbedeutenden Exporteur zum 2.-größten der Welt in relativ kurzer Zeit. Algemein gesprochen stimmt das. Aber ich betone, dass Vietnams Aufstieg größtenteils von einer Kaffee-Staatskunst der Regierung getrieben wurde, die Migration in die Kaffee-Region ermutigte, Subventionen für Geräte, Chemiedünger, extensive Kredite, Bewässerung, Setzlinge, niedrige Landpreise ermöglichte. Als Ergebnis wurde Vietnam die effektivste Kaffee-Ökonomie der Welt. Mit dieser Linse gesehen, wurde die globale Krise und Vietnams Aufstieg nicht durch Marktkräfte bewirkt, sondern durch die Kaffee-Staatskunst Vietnams.


AEC: Das Internationale Kaffee-Abkommen (ICA) hatte seine Mängel, aber in ökonomischer Hinsicht gab es zu der Zeit weniger Schwankungen und höheren Lebensstandarf für die kleinen Bauern weltweit. Welches sind die politischen Einsichten aus Aufstieg und Fall der ICA?

GF: Die ICA wurde 1963 geschaffen nach der Kubanischen Revolution und nachdem Kennedy die „Allianz für den Fortschritt“ startete. Sie ging zu Ende 1989, als der Kalte Krieg zu Ende ging.



Die Politik des Kalten Krieges und die Drohung von Sozialismus und Kommunismus brachte die ICA hervor und als Sozialismus und Kommunismus verschwanden kam die Zeit ihrer Auflösung.

AEC: In Ihrem Buch sprechen Sie von der Verbesserung der fair-trade Strategien der Großunternehmen und wie das oft die Standards für die Armenpolitik und die Nachhaltigkeit im Kaffee-Sektor verschlechtert. Ich frage mich, ob Sie die wachsende Konvergenz zwischen Unternehmerischer Sozialverantwortung (CSR) und Fair Trade fortschreiten sehen, wodurch das fair trade Projekt weiter verwässert wird?

GF: Unglücklicherweise sehe ich das auch so.


In den vergangenen Jahren hatten es großen Druck auf Fair Trade gegeben, ihre Standards zu senken.


Zum Beispiel haben sich Fairtrade America, Conservation International, Starbucks, the Specialty Coffee Association of America (SCAA) und führende Kaffeegruppen getroffen, um gemeinsame Standards zu schaffen, um alle Kaffeebohnen der Welt zu zertifizieren. Man kann nur raten, wozu das führen wird … die Mehrheit der kleinen Bauern und Arbeiter werden weiter in Armut leben. Selbst die Zertifikation von Fair Trade mit ihren gegenwärtigen Standards hilft zwar kleinen Bauern, aber sie leben weiter in relativer Armut.

AEC: Trotz der Mängel von Fair Trade und ähnlicher Programme, liefern sie immer noch die am ehesten 'ethische' Option in unserer hegemonistischen Multi Kultur? Kaufen Sie, als Kaffee-Konsument auch Fair Trade Kaffee?

GF: Ja, das tue ich. Und ich würde alle ermutigen, es auch zu tun … und ich tue es auch, weil es wichtig ist, jedes Projekt, das mit marginalisierten Bauern und Arbeitern im globalen Süden arbeitet, zu unterstützen.



Die langfristige Lösung im Kampf gegen Armut und Ungerechtigkeit in der globalen Kaffee-Industrie kann aber nur durch kollektive Politik geschehen und nicht durch eine individuelle Konsum-Wahl.

[Am Ende kommt die Diskussion auch auf TTP und den sogenannten Freihandel zu sprechen und auch den Canadian Wheat Board, der von der reaktionären Regierung abgeschafft wurde ohne die Weizenbauern zu konsultieren, was ihre Einnahmen um ein Drittel verringert hat.

Der Autor betont die Notwendigkeit, den Neoliberalismus und den Freihandel zu bekämpfen als einen wichtigen Schritt zur Bekämpfung von Armut und Ungerechtigkeit.]

Quelle - källa -source

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