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Montag, 9. Januar 2012

Putins Brandrede verschreckt die Münchner Sicherheitskonferenz 2007 und warnt die USA und NATO

Anlass für diesen Post bilden die Artikel von Christof Lehman 'Wider Middle- East and Global War Imminent?' (Steht ein größerer Krieg im Nahen Osten oder ein globaler Krieg bevor?) sowie der Artikel 'The Geo-Politics of the Strait of Hormuz: Could the US Navy be defeated by Iran in the Persian Gulf?' (Die Geopolitik der Straße von Hormus: Könnte die US-Kriegsmarine von Iran im Persischen Golf besiegt werden?') von Mahdi Darius Nazemroaya. Dr. Lehman befasst sich eingehend mit 'Putins Brandrede' auf der Münchener Sicherheits-Konferenz von 2007. Diese glänzende Rede Putins zeigt, welch weitsichtiger  Analytiker Putin ist und obendrein, dass er in allen Punkten Recht behalten hat. Doch der Westen - also die USA in ihrer unermesslichen Arroganz und die übrigen Pfeifen von westlichen Staatschefs, die gewohnheitsmäßig hinterher dackeln -  hielt es nicht für nötig zuzuhören. Vor allem, als Putin ihn an seine Versprechungen erinnerte, die NATO nicht gen Osten auszuweiten, stellte er sich völlig taub. Und machte weiter wie zuvor. Doch Russland hätte gewarnt sein müssen, denn wann hat der Westen jemals Versprechen oder Verträge eingehalten? Auf jeden Fall empfiehlt es sich, Putins Rede heute nochmals und etwas genauer zu lesen.


Der zweite Artikel von Nazemroaya befasst sich zum einen mit der rechtlichen Situation. Zwei Absätze sind von Bedeutung:
"Der Seeverkehr, der die Straße von Hormus passiert, hat immer in Kontakt mit den iranischen Marinebehörden stattgefunden, vor allem die reguläre iranische Kriegsmarine und die Flotte der iranischen revolutionären Garden.
Beide kontrollieren die Straße von Hormus zusammen mit dem Sultanat von Oman durch die Musandam, eine Enklave von Oman. Noch wichtiger ist, dass der gesamte Transitverkehr, also auch der amerikanische, durch iranische Gewässer führt. Die Eingänge führen durch iranische Hoheitsgewässer und die Ausfahrten durch omanische.
Iran erlaubt ausländischen Schiffen die Benutzung seiner Hoheitsgewässer in gutem Glauben und auf Basis von Teil III der UN-Konvention zum Seerecht mit den Bestimmungen für den Transitverkehr, in denen es heisst, dass Schiffe freie Durchfahrt auf der Straße von Hormus und ähnlichen Wasserwegen haben, wenn sie zügig und ohne Unterbrechung von einem offenen Hafen auf die hohe See hinausfahren. Obwohl Teheran gewohnheitsmäßig der Navigationspraxis entsprechend dem Seerecht folgt, ist Teheran nicht rechtlich daran gebunden. Wie Washington hat Teheran den internationalen Vertrag zwar unterschrieben, aber niemals ratifiziert."
Aber vor allem beschäftigt sich Nazemroaya mit der Frage, ob die US-Navy einen Krieg überleben oder gewinnen könnte. Dazu haben die USA eigentlich selber die Antwort geliefert. Einmal durch ein gigantisches Seemanöver unter realistischen Verhältnissen im Jahre 2002, genannt 'Red'. Dem Manöver zufolge hätten die USA verloren unter gigantischen Verlusten. In einem zweiten Manöver haben sie etwas mit den (unrealistischen) Voraussetzungen gemogelt und siehe da, sie gewannen.

Der Grund, dass die US Navy im Persischen Golf keine guten Karten hat, liegt in der Geographie. Er ist so schmal, dass die Iraner mit ihrer Küstenartillerie, ihren Raketen und ihren vielen kleinen Schnellbooten, die zwar neben den US- Zerstörern und Flugzeugträgern lächerlich aussehen, aber mit Raketen bestückt sind, nicht nur der US-Flotte überlegen sind, sondern obendrein alle Erdölterminals, Pipelines und Basen auf der anderen Seite eindecken können. Zwar hat die US-Kriegsflotte ihre Manöver daraufhin außerhalb des Golfes durchgeführt, aber das taten ihnen die Iraner mit ihren vergangenen Manövern nach. 


Dieser Artikel ist also ebenfalls sehr lesenswert, aber leider eben auf englisch. Zur Not kann man ja ausnahmsweise Google zu Hilfe nehmen. Ja ja, ich weiss, da kommen manchmal grausame Sachen bei heraus. Ob das wohl Absicht ist?
Denn  Google findet nicht einmal die obige Seite zur Putinrede in München. Ist das rein zufällig?


Wladimir Putin 2007 in München: "Die USA hat ihre Grenzen in fast allen Bereichen überschritten." Foto: Kai Mörk


Ein Hauch von Kaltem Krieg


Von Oliver Rolofs

Bereits im Vorfeld wurde mit großer Spannung die Rede von Russlands Präsident Wladimir Putin auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2007 erwartet. Kaum einer der Konferenzteilnehmer hatte jedoch damit gerechnet, dass Putin mit seiner Brandrede ein Sturmgewitter am Tagungsort im Hotel Bayerischer Hof entfacht. In drastischer Weise warnte er massiv vor einer amerikanischen Weltherrschaft, bezeichnete die NATO-Osterweiterung als Provokation und drohte: Moskau verfüge über Waffen, die das geplante US-Raketenabwehrschild in Osteuropa wirkungslos machen würde.

Am Anfang zeigten sich die Spitzen der Außen- und Sicherheitspolitik noch gut gelaunt. Erstes Aufhorchen im Konferenzsaal dann, als Putin, der zum ersten Mal an der Münchner Sicherheitskonferenz teilnahm, sagte: Er hoffe, dass Konferenzleiter Teltschik ihm nicht gleich das Mikrofon abschalten werde. Gleich würde er erklären, was er einmal ohne "diplomatische Rücksichten" wirklich über internationale Sicherheitsprobleme denke.
Kurz darauf begann er seine knapp 20minütige Rede zum Thema "Russlands Rolle in der Weltpolitik". Schonungslos kam er sofort zur Sache. Die bisher lockere Stimmung im Saal kühlte merklich ab, als Putin von Beginn an zum rhetorischen Angriff überging. Er sprach vom Bestreben zur monopolaren Weltherrschaft eines Macht- und Entscheidungszentrums. Die Minen der US-amerikanischen Delegation in der ersten Reihe beginnen sich zu versteinern. Ihnen schwant Böses in den nächsten Minuten. Sie waren die unmittelbaren Adressaten von Putins Generalkritik am Zustand des internationalen Systems. Er machte weiter und sprach vom monopolaren Status quo, "von der Welt eines Herrschers, eines Systems, das nichts mehr mit Demokratie zu tun habe". Jeder im Westen sei bereit, Russland in Sachen Demokratie zu belehren, doch selbst sei man nicht bereit zu lernen, rief er in den Saal.

Massive Kritik an den USA

Putin holte weiter aus und monierte: Vielmehr habe das Ende des Kalten Krieges weit mehr Tote und bewaffnete Konflikte verursacht als je zuvor. Der Versuch, Probleme einseitig zu lösen, habe menschliche Tragödien ausgelöst. "Wir sind Zeugen einer übermäßigen Militäranwendung in internationalen Fragen." Diese Tatsache habe zu einer Verachtung grundlegender Grundsätze des Völkerrechts in der Welt geführt und provoziere ein neues Wettrüsten in der Welt. Putins Worte knallten wie Peitschenhiebe durch den Saal. Gebannt starrten die Konferenzteilnehmer auf das Rednerpult. Dann wurde Putin konkret: "Die USA hat ihre Grenzen in fast allen Bereichen überschritten." Er fragte: "Wem soll das gefallen?", und warnte, dass sich in diesem politischen Klima "niemand sicher fühle."

Warnung vor US-Raketenschutzschild und NATO-Osterweiterung

Und Putin ging weiter auf den Westen los. Die von den USA geplante Stationierung eines Raketen-Schutzschildes in Osteuropa bezeichnete der Präsident als ein Wettrüsten, dass Europa nicht dienlich sei. Es sei ihm nicht plausibel, welchen Nutzen man aus einer solchen Abwehr ziehen könne, zumal sie gegen Russland wirkungslos bleibe, so Putin. "Wir haben Waffen, die dieses System überwinden können", betonte er. In der anschließenden Diskussionsrunde stellte Putin im Rahmen des Streits um US-Raketenabwehr auch  klar, dass mögliche Zuspitzungen in dieser Frage in letzter Konsequenz auch die Anwendung des Selbstverteidigungsrecht der UN-Charta für Russland  zur Folge hätte.
Auch die NATO-Osterweiterung wurde in der massiven Kritik des russischen Präsident nicht ausgelassen. Er erinnerte in seiner Rede an die einstige Zusicherung der NATO, keine Truppen in Ostdeutschland zu stationieren, was immer als eine Garantie für die Sicherheit Russlands galt. In Anspielung auf die NATO-Mitgliedschaft ehemaliger Staaten des Warschauer Paktes fragte er die Konferenzteilnehmer direkt: "Und wo ist diese Garantie jetzt?" Der Präsident warnte ausdrücklich davor, dass ein weiteres Festhalten an der NATO- Osterweiterung "provozierend" auf Russland wirke und das gegenseitige Vertrauen gefährde. "Man will uns neue Trennlinien und Mauern aufzwingen, die abermals den Kontinent zerschneiden."

Die Ankündigung eines russischen Comebacks?

Nach Putins Redegewitter waren die Fronten klar. Sprachlosigkeit im Saal unter den Teilnehmern. Bei allen Gepflogenheiten des traditionell offenen Dialoges auf der Münchner Sicherheitkonferenz – so direkt war selten ein Politiker in München. Russlands Präsident dürfte selbst jene Beobachter erschreckt haben, welche schon lange auf eine Reaktion Russlands über die demütigende Rolle einer schwindenden Weltmacht seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 warteten. Jetzt kam sie. Ein Hauch von Kalter Krieg wehte für den Rest des Konferenztages durch den Bayerischen Hof. Der Alarmruf Moskaus sollte auf die gewachsene Rolle des Landes auf der Weltbühne aufmerksam machen. Gleichzeitig war es Putins konkrete Warnung an den Westen, dessen Grenzen durch die NATO-Erweiterungsrunden immer näher an Russland gerückt sind, dass unilateristische Zielsetzungen von Staaten im internationalen System von Moskau künftig nicht mehr klaglos hingenommen werden. Deutlicher konnte Putin kaum werden.

Doch wurde seine Warnung auch von allen verstanden? Während einige skeptische Sicherheitsstrategen einen spürbaren Bruch in den NATO-Russland-Beziehungen und den „Anfang eines neuen Kalten Krieges“ prophezeiten, entkräftete unter anderem US-Verteidigungsminister Robert Gates am Folgetag solche Annahmen. Er versuchte die Konfrontationen mit Humor zu mildern. "Alte Spione sprechen halt eine klare Sprache. Aber ein 'Kalter Krieg' war genug", befand Gates. Vielmehr stünden alle vor vielen gemeinsamen Problemen und Herausforderungen, die in der Partnerschaft mit anderen Ländern einschließlich Russlands angegangen werden müssen. Etwas hilflos klang dieser Appell. Eine ernsthafte Analyse der Rede Putins blieb aus. Spätestens im Sommer 2008 besann man sich wieder der harschen Worte des russischen Präsidenten – als im Zuge der Kaukasus-Krise ein durch den globalen Energieboom starkes Russland das Drehbuch zur Peripetie in den Beziehungen zum Westen weiterschrieb und indirekt an das nicht eingehaltene Versprechen des Westens aus dem Jahr 1990 erinnerte, die NATO-Grenzen nicht nach Osten zu verschieben. Nach der NATO-Mitgliedschaft der baltischen Staaten im Jahr 2004 war nun ein potentielles NATO-Mitglied Georgien für Moskau nicht mehr hinnehmbar.

Schließlich warnte ein Jahr nach Putins Rede auf der Münchner Sicherheitkonferenz nochmals Russland – diesmal in konzilianteren Tönen - vor außenpolitischen Alleingängen ohne eine Einbindung Moskaus. Russlands Vize-Premier Sergej Iwanow sagte im Hinblick auf die bevorstehende Unabhängigkeit des Kosovos: "Wenn es zu einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung kommt, wird das eine Büchse der Pandora öffnen." Putins Rede im Jahr 2007 war nicht nur ein russischer Befreiungsschlag, sondern auch ein Vorbote einer ernstzunehmenden Krise in den transatlantisch-russischen Beziehungen. Jene Skeptiker, die der Rede von Putin beiwohnten, behielten in gewisser Form Recht, dass die Zeiten eines schwachen Russlands vorbei waren – die Büchse der Pandora ließ sich schließlich im August 2008 bekanntlich nicht vollständig unter Verschluss halten.


Quelle

2 Kommentare:

  1. "… das Ende des Kalten Krieges …"

    Nach Stephen F. Cohen hat der Kalte Krieg nur ganz kurz aufgehört. Die USA führen ihn weiter, streiten aber ab, dass sie das tun:

    http://www.thenation.com/article/new-american-cold-war

    um so unverschämter sind die Behauptungen, dass Russland zum Kalten Krieg zurückkehre.

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