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Freitag, 28. September 2012

Mythen über Industrielle Landwirtschaft


Vandana Shiva wird u. a. von Stan Goff neben Elaben Bhatt in seiner großen Indien-Analyse 'India takes the stage' (Indien betritt die Bühne) als eine der wichtigsten Frauengestalten bezeichnet, die eine große historische Verantwortung trägt bei der Beseitigung des Agro-Business-Wahnsinns. 
Der größte Irrtum der Techno-Adepten ist ja zu glauben, dass die Erde genau wie eine Maschine behandelt werden kann. Je mehr Gas gegeben wird, umso schneller läuft sie und umso mehr produziert sie. Dies beruht seinerseits wieder auf der perversen Wachstums-Ideologie. Quantität statt Qualität. Das führt in allen Bereichen ohne Ausnahme zu schädlichen und sogar verhängnisvollen Folgen.

Vandana Shiva
24. September 2012

Organischer Anbau ist „der einzige Weg, um Nahrung zu erzeugen“, ohne dem Planeten und der Gesundheit des Volkes zu schaden.



Berichte, die Zweifel über organischen Anbau säen, überfluten plötzlich die Medien. Dafür gibt es zwei Gründe. Erstens haben die Leute die Nase voll von der Flut an Giften und GMOs seitens der Mammut-Multis. Zweitens wenden sich die Menschen dem organischen Anbau und organischen Nahrung zu als einer Möglichkeit, den Giftkrieg gegen die Erde und unsere Körper zu beenden.
Zu einer Zeit, wo die Industrie die Superprofite im Blick haben, die von Saat-Monopolen durch patentierte Saat und mit giftigen Genen behandeltes Saatgut und Genen, um Feldfrüchte immun gegen Herbizide zu machen, erzielt werden, wollen die Menschen Nahrungs-Freiheit durch organische, nicht-industrielle Nahrung gewinnen.
Die Food-Revolution ist die größte Revolution unserer Zeit und die Industrie gerät in Panik. Deswegen setzt sie Propaganda in Gang und hofft, dass nach dem Muster von Goebbels eine hundert Mal erzählte Lüge zu Wahrheit wird. Aber Nahrung ist anders.
Wir sind, was wir essen. Wir sind unsere eigenen Barometer. Unsere Bauernhöfe und unsere Körper sind unser Laboratorium, und jeder Bauer und jeder Bürger ist ein Wissenschaftler, der am besten weiss, wie schlechter Anbau und schlechte Nahrung das Land und unsere Gesundheit schädigen, und wie guter Anbau und gute Nahrung den Planeten und die Menschen heilen.
Ein Beispiel eines Industrie-Landwirtschafts-Mythos findet sich in „The Great Organic Myths“ von Rob Johnston, das in der Ausgabe vom 8. August in The Tribune veröffentlicht wurde. Er argumentiert:
Organische Nahrung ist nicht gesünder oder besser für die Umwelt – und sie ist voller Pestizide. Im Zeitalter des Klimawechsels und Knappheit ist diese Nahrung ein Luxus, den wir uns nicht leisten können.“
Dieser Artikel war in The Independent veröffentlicht und widerlegt worden, aber wurde von The Tribune aufgegriffen ohne die Widerlegung.


Jedes Argument in dem Artikel ist eine Fälschung
Der beherrschende Mythos der Industrie-Anbaus ist, dass sie mehr Nahrung erzeugt und Land spart. Jedoch je mehr sich der industrielle Anbau ausbreitet, umso mehr hungernde Leute gibt es. Und je mehr der Industrie-Anbau sich ausweitet, umso mehr Land wird entwendet

Tatsachen gegen den industriellen Anbau
Die Produktivität beim Industrieanbau wird mit dem Begriff „Ertrag por Hektar“ gemessen, nicht mit dem Gesamtausstoß. Und als einziger Input wird die Arbeit gewertet, die es im Überfluss gibt, nicht Naturressourcen die rar sind.
Ein Ressourcen-hungriges und Ressourcen-zerstörendes Anbau-System ist nicht landsparend, es erfordert Land. Deswegen hat der Industrie-Anbau einen weltweiten Landraub in Gang gesetzt. Das führt zur Entwaldung der Regenwälder im Amazonas für Soya und für Palmöl in Indonesien. Und es fördert den Landraub in Afrika, wodurch Hirten und Bauern vertrieben werden.
Laut der FAO International Technical Conference on Plant Genetic Resources in Leipzig (1995) ist die Agro-Industrie für 75 % der Biovielfalt Verringerung, 75 % der Wasserverschmutzung, 75 % der Bodenverschlechterung und 40 % der Treibhausgase verantwortlich. Das ist eine zu schwere Last für den Planeten. Und, wie die 270 000 Selbstmorde von Bauern seit 1997 in Indien zeigen, eine zu schwere Last für unsere Bauern.
Die Schadstoffe und Gifte beim chemischen Anbau schaffen ein Gesundheitsproblem in unserer Gesellschaft. Erinnert euch an Bhopal. Erinnert euch an die Endosulfan Opfer in Kerala. Und erinnert euch an Punjabs Krebs-Zug.
Navdanyas bevorstehender Bericht 'Poisons in our Food' (Gifte in unserer Nahrung) ist eine Synthese aller Studien über die Gesundheitsgefahren von Pestiziden, die im Industrie-Anbau, aber nicht im organischen Anbau verwendet werden.
Die Agro-Industrie ist ein ineffektives und verschwenderisches System, das Chemie-intensiv, Treibstoff-intensiv und Kapital-intensiv ist. Es zerstört das Kapital der Natur einerseits und das Kapital der Gesellschaft andererseits, indem es die Kleinbauern verdrängt und unsere Gesundheit zerstört. Laut David Pimentel, Professor für Ökologie und Agro-Wissenschaft an der Cornell Uni werden 10 Einheiten Energie als Input benötigt für eine Energieheit für Food.
Diese Verschwendung wird durch einen weiteren Faktor von 10 vergrößert, wenn Tiere in Fabrikfarmen mit Getreide gefüttert werden statt mit Gras auf Freiland-Öko-Systemen. Rob Johnston feiert diese Tiergefängnisse als effektiv, indem er die Tatsache ignoriert, dass man 7 kg Getreide braucht, um ein kg Fleisch zu produzieren, 4 kg für 1 kg Scheinefleisch und 2.4 kg für ein kg Huhn.
Die Vervielfältigung des Futtergetreides hat großen Anteil am Hunger in der Welt. Und die vielen Hektar zur Produzierung dieses Futters werden nie gezählt. Europa benutzt eine 7-fach größere Fläche außerhalb Europas, um das Futter für Fabrikfarmen zu produziere
Die Kleinfarmen der Welt produzieren 70 % der Nahrung, werden aber dennoch zerstört im Namen von niedrigen „Erträgen“. 80 % der Nahrung wird innerhalb derselben Öko-Region oder des Landes verbraucht, wo sie erzeugt wird.
Industrialisierung und Globalisierung sind die Ausnahme, nicht die Norm. Und wo die Industrialisierung nicht die Kleinfarmen zerstört hat, können Bio-Vielfalt und Nahrung die Bevölkerung ernähren. Die Bio-Vielfalt wird von Kleinbauern aufrechterhalten.
In einem ETC-Bericht „Who will feed us“ (Wer wird uns ernähren) heisst es: „Bauern züchten und füttern 40 Nutztierarten und beinahe 8000 Rassen. Bauern züchten auch 5000 Sorten Nutzpflanzen und haben den Gen-Banken der Welt 1.9 Millionen Pflanzen-Varietäten geschenkt.
Fischer-Bauern ernten und schützen mehr als 15 000 Süßwasserfische. Die Arbeit von Bauern und Hirten zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkei ist 18 mal so viel wert als synthetischer Dünger von den sieben größten Unternehmen.“
Wenn dieses Bio-Vielfalt-reiche Nahrungssystem mit Industrie-Monokulturen ersetzt wird, wenn Nahrung zum Massenartikel wird, dann sind Hunger und Unterernährung das Ergebnis. Von den 6.6 Mrd. Menschen der Welt bekommen 1 Mrd. nicht genügend Nahrung; eine weitere Milliarde bekommt vielleicht genügend Kalorien, aber nicht genug Nährwert, besonders Mikro-Nährstoffe.
Weitere 1.3 Mrd. sind zu fett und leiden unter falscher Ernährung, weil sie verurteilt sind, künstlich billige, kalorienreiche, nährwertarme bearbeitete Nahrung zu essen.
Die Hälfte der Weltbevölkerung ist Opfer strukturellen Hungers und Nahrungs-Ungerechigkeit durch das heute vorherrschende Food-Design. Wir haben in der Vergangenheit gehungert, aber das wurde durch äußere Gründe verursacht – Kriege und Naturkatastrophen. Es war örtlich und zeitlich begrenzt.
Der heutige Hunger ist permanent und global. Es ist ein beabsichtigter Hunger. Das heisst nicht, dass jene, die das gegenwärtige Food-System entwerfen, beabsichtigen, Hunger zu schaffen. Es bedeutet, das die Schaffung des Hungers in das Unternehmensmuster industrieller Produktion und globalisierter Nahrungs-Verteilung eingebaut wird.
Eine Serie von Medienberichten haben eine andere Studie veröffentlicht von einem Team unter Leitung von Bravata, Mitglied von Stanfords Zentrum für Gesundheitspolitik, und Crystal Smith-Spangler, MD, MS, die in der Abteilung für Allgemeinmedizin unterrichtet und ärztliche Forschung für das Palo Alto Health Care System betreibt, die die umfassendste Meta-Analyse bis heute erstellten zum Vergleich von organischer und koventioneller Nahrung.
Sie fanden keine starken Beweise, dass organische Nahrung nahrhafter sei oder weniger Gesundheitsrisiken habe als konventionelle Nahrung, obwohl organische Nahrung das Risiko durch Pestizid-Vergiftung reduziere.
Diese Studie kann kaum die „umfassendste Meta-Analyse“ genannt werden; die Forscher haben tausende Papiere durchgeblättert und 237 der relevantesten für die Analyse ausgesucht. Dies zeigt schon ihre Einseitigkeit. Die größte Meta-Analyse ist von der UNO gemacht worden: die International Assessment of Agricultural Knowledge, Science and Technology for Development (IAASTD = der vollständige Bericht kann hier als PdF heruntergeladen werden).
Vierhundert Wissenschaftler aus der ganzen Welt haben vier Jahre lang gearbeitet, um alle Publikationen über die verschiedenn Methoden der Landwirtschaft zu analysieren und sie kamen zu dem Schluss, dass die chemische Industrie-Agrikultur nicht mehr eine Option sei sondern nur der ökologische Anbau.
Dennoch präsentierte das Stanford-Team seine Studie als die umfassendste und behauptete, dass es keine Gesundheitsvorteile durch organischen Anbau gäbe, obwohl es keine Langzeitstudien über Gesundheitsfolgen für Leute gibt, die organisch essen gegenüber denen, die konventionell erzeugte Nahrung verzehren. Die Dauer von Studien mit Menschen dauerten von zwei Tagen bis zu zwei Jahren.
Zwei Tage ergeben keine wissenschaftliche Studie. Keine Auswirkung kann in zwei Tagen gemessen werden. Das ist Schrott-Wissenschaft, die sich als Wissenschaft ausgibt.
Ein Prinzip über Nahrung und Gesundheit ist, dass unsere Nahrung so gesund ist wie der Boden, auf dem sie wächst. Und sie ist so schlecht wie die Böden, die chemischer Behandlung unterzogen werden.
Industrielle chemische Landwirtschaft schafft Hunger und Mangelernährung, da sie den Körper der Nährstoffe beraubt. Industrieproduzierte Nahrung ist nährstoffleere Masse, geladen mit Chemikalien und Giften. Nahrhafte Nahrung bezieht die Nährstoffe aus dem Boden.
Agro-Industrie, die auf der Basis der NPK (Nitrium, Phosphor, Kalium) -Mentalität beruht, führt zur Erschöpfung der vitalen Mikro-Nährstoffe und Spurenelemente wie Magnesium, Zink, Kalzium und Eisen.
David Thomas, ein Geologe, der zum Ernährungs-Wissenschaftler wurde, entdeckte, dass Gemüse zwischen 1940 und 1991 im Durchschnitt 24% des Magnesiums, 46 % des Kalziums, 27 % des Eisens und 76 % des Kupfers verlor (David Thomas „A Study on the mineral depletion of the foods available to us as a nation over the period 1940 to 1991“, Nutrition and Health, 2003, 17 (2): 85-115).
Mohrrüben hatten 75 % ihres Kalziums verloren, 46 % ihres Eisens und 75 % ihres Kupfers. Kartoffeln hatten 30 % ihres Magnesiums, 35 % ihres Kalziums, 45 % ihres Eisens und 47 % ihres Kupfers verloren.
Um dieselbe Menge Nährstoffe zu erhalten, müssen die Leute viel mehr Nahrung zu sich nehmen. Die Zunahme der „Erträge“ von leerer Masse ergibt nicht mehr Nährstoffe. Sie führt zu Mangelernährung.
Das IAASTD erkennt an, dass durch die agro-ökologische Methode „selbst Agro-Systeme der ärmste Gesellschaften durch ökologischen Anbau und IPM das Potential haben (Integrated Pest Management – nachhaltige Ungeziefer-Bekämpfung), dieselben oder höhere Erträge als durch konventionellen Anbau zu erzielen, den Landbedarf zu reduzieren, Ökosysteme wiederherzustellen (insbesondere Wasser), die Verwendung von synthetischem Dünger aus Erdöl zu reduzieren und auch die Verwendung von gefährlichen Herbi- und Pestiziden.“
Unsere 25-jährige Erfahrung in Navdanya zeigt, dass ökologischer, organischer Anbau der einzige Weg ist, Nahrung zu produzieren, ohne dem Planeten und der Gesundheit des Volkes zu schaden. Dies ist ein Trend, der wachsen wird, egal, wieviele Pseudo-Wissenschafts-Stories in die Medien von der Industrie gepflanzt werden.


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