Vandana Shiva wird u. a. von Stan Goff neben Elaben Bhatt in seiner großen Indien-Analyse 'India takes the stage' (Indien betritt die Bühne) als eine der wichtigsten Frauengestalten bezeichnet, die eine große historische Verantwortung trägt bei der Beseitigung des Agro-Business-Wahnsinns.Der größte Irrtum der Techno-Adepten ist ja zu glauben, dass die Erde genau wie eine Maschine behandelt werden kann. Je mehr Gas gegeben wird, umso schneller läuft sie und umso mehr produziert sie. Dies beruht seinerseits wieder auf der perversen Wachstums-Ideologie. Quantität statt Qualität. Das führt in allen Bereichen ohne Ausnahme zu schädlichen und sogar verhängnisvollen Folgen.
Vandana Shiva
24. September 2012
Berichte, die Zweifel über
organischen Anbau säen, überfluten plötzlich die Medien. Dafür
gibt es zwei Gründe. Erstens haben die Leute die Nase voll von der
Flut an Giften und GMOs seitens der Mammut-Multis. Zweitens wenden
sich die Menschen dem organischen Anbau und organischen Nahrung zu
als einer Möglichkeit, den Giftkrieg gegen die Erde und unsere
Körper zu beenden.
Zu einer Zeit, wo die Industrie die
Superprofite im Blick haben, die von Saat-Monopolen durch patentierte
Saat und mit giftigen Genen behandeltes Saatgut und Genen, um
Feldfrüchte immun gegen Herbizide zu machen, erzielt werden, wollen
die Menschen Nahrungs-Freiheit durch organische, nicht-industrielle
Nahrung gewinnen.
Die Food-Revolution
ist die größte Revolution unserer Zeit und die Industrie gerät in
Panik. Deswegen setzt sie Propaganda in Gang und hofft, dass nach dem
Muster von Goebbels eine hundert Mal erzählte Lüge zu Wahrheit
wird. Aber Nahrung ist anders.
Wir sind, was wir essen. Wir sind
unsere eigenen Barometer. Unsere Bauernhöfe und unsere Körper sind
unser Laboratorium, und jeder Bauer und jeder Bürger ist ein
Wissenschaftler, der am besten weiss, wie schlechter Anbau und
schlechte Nahrung das Land und unsere Gesundheit schädigen, und wie
guter Anbau und gute Nahrung den Planeten und die Menschen heilen.
Ein Beispiel eines
Industrie-Landwirtschafts-Mythos findet sich in „The Great Organic
Myths“ von Rob Johnston, das in der Ausgabe vom 8. August in The
Tribune veröffentlicht wurde.
Er argumentiert:
„Organische
Nahrung ist nicht gesünder oder besser für die Umwelt – und sie
ist voller Pestizide. Im Zeitalter des Klimawechsels und Knappheit
ist diese Nahrung ein Luxus, den wir uns nicht leisten können.“
Dieser
Artikel war in The Independent veröffentlicht
und widerlegt worden, aber wurde von The Tribune
aufgegriffen ohne die
Widerlegung.
Jedes Argument in dem Artikel ist eine Fälschung
Der
beherrschende Mythos der Industrie-Anbaus ist, dass sie mehr Nahrung
erzeugt und Land spart. Jedoch je mehr sich der industrielle Anbau
ausbreitet, umso mehr hungernde Leute gibt es. Und je mehr der
Industrie-Anbau
sich ausweitet, umso mehr Land wird entwendet
Die
Produktivität beim Industrieanbau wird mit dem Begriff „Ertrag por
Hektar“ gemessen, nicht mit dem Gesamtausstoß. Und als einziger
Input wird die Arbeit gewertet, die es im Überfluss gibt, nicht
Naturressourcen die rar sind.
Ein
Ressourcen-hungriges und Ressourcen-zerstörendes Anbau-System ist
nicht landsparend, es erfordert Land. Deswegen hat der
Industrie-Anbau einen weltweiten Landraub in Gang gesetzt. Das führt
zur Entwaldung der Regenwälder im Amazonas für Soya und für Palmöl
in Indonesien. Und es fördert den Landraub in Afrika, wodurch Hirten
und Bauern vertrieben werden.
Laut
der FAO International Technical Conference on Plant Genetic Resources
in Leipzig (1995) ist die Agro-Industrie für 75 % der Biovielfalt
Verringerung, 75 % der Wasserverschmutzung, 75 % der
Bodenverschlechterung und 40 % der Treibhausgase verantwortlich. Das
ist eine zu schwere Last für den Planeten. Und, wie die 270 000
Selbstmorde von Bauern seit 1997 in Indien zeigen, eine zu schwere
Last für unsere Bauern.
Die
Schadstoffe und Gifte beim chemischen Anbau schaffen ein
Gesundheitsproblem in unserer Gesellschaft. Erinnert euch an Bhopal.
Erinnert euch an die Endosulfan Opfer in Kerala. Und erinnert euch an
Punjabs
Krebs-Zug.
Navdanyas
bevorstehender Bericht 'Poisons in our Food' (Gifte in unserer
Nahrung) ist eine Synthese aller Studien über die
Gesundheitsgefahren von Pestiziden, die im Industrie-Anbau, aber
nicht im organischen Anbau verwendet werden.
Die
Agro-Industrie ist ein ineffektives und verschwenderisches System,
das Chemie-intensiv, Treibstoff-intensiv und Kapital-intensiv ist. Es
zerstört das Kapital der Natur einerseits und das Kapital der
Gesellschaft andererseits, indem es die Kleinbauern verdrängt und
unsere Gesundheit zerstört. Laut David Pimentel, Professor für
Ökologie und Agro-Wissenschaft an der Cornell Uni werden 10
Einheiten Energie als Input benötigt für eine Energieheit für
Food.
Diese
Verschwendung wird durch einen weiteren Faktor von 10 vergrößert,
wenn Tiere in Fabrikfarmen mit Getreide gefüttert werden statt mit
Gras auf Freiland-Öko-Systemen. Rob Johnston feiert diese
Tiergefängnisse als effektiv, indem er die Tatsache ignoriert, dass
man 7 kg Getreide braucht, um ein kg Fleisch zu produzieren, 4 kg für
1 kg Scheinefleisch und 2.4 kg für ein kg Huhn.
Die
Vervielfältigung des Futtergetreides hat großen Anteil am Hunger in
der Welt. Und die vielen Hektar zur Produzierung dieses Futters
werden nie gezählt. Europa benutzt eine 7-fach größere Fläche
außerhalb Europas, um das Futter für Fabrikfarmen zu produziere
Die
Kleinfarmen der Welt produzieren 70 % der Nahrung, werden aber
dennoch zerstört im Namen von niedrigen „Erträgen“. 80 % der
Nahrung wird innerhalb derselben Öko-Region oder des Landes verbraucht, wo
sie erzeugt wird.
Industrialisierung
und Globalisierung sind die Ausnahme, nicht die Norm. Und wo die
Industrialisierung nicht die Kleinfarmen zerstört hat, können
Bio-Vielfalt und Nahrung die Bevölkerung ernähren. Die Bio-Vielfalt
wird von Kleinbauern aufrechterhalten.
In
einem ETC-Bericht „Who will feed us“ (Wer wird uns ernähren)
heisst es: „Bauern züchten und füttern 40 Nutztierarten und
beinahe 8000 Rassen. Bauern züchten auch 5000 Sorten Nutzpflanzen
und haben den Gen-Banken der Welt 1.9 Millionen Pflanzen-Varietäten
geschenkt.
Fischer-Bauern
ernten und schützen mehr als 15 000 Süßwasserfische. Die Arbeit
von Bauern und Hirten zur Erhaltung der Bodenfruchtbarkei ist 18 mal
so viel wert als synthetischer Dünger von den sieben größten
Unternehmen.“
Wenn
dieses Bio-Vielfalt-reiche Nahrungssystem mit Industrie-Monokulturen
ersetzt wird, wenn Nahrung zum Massenartikel wird, dann sind Hunger
und Unterernährung das Ergebnis. Von den 6.6 Mrd. Menschen der Welt
bekommen 1 Mrd. nicht genügend Nahrung; eine weitere Milliarde
bekommt vielleicht genügend Kalorien, aber nicht genug Nährwert,
besonders Mikro-Nährstoffe.
Weitere
1.3 Mrd. sind zu fett und leiden unter falscher Ernährung, weil sie
verurteilt sind, künstlich billige, kalorienreiche, nährwertarme
bearbeitete Nahrung zu essen.
Die
Hälfte der Weltbevölkerung ist Opfer strukturellen Hungers und
Nahrungs-Ungerechigkeit durch das heute vorherrschende Food-Design.
Wir haben in der Vergangenheit gehungert, aber das wurde durch äußere
Gründe verursacht – Kriege und Naturkatastrophen. Es war örtlich
und zeitlich begrenzt.
Der
heutige Hunger ist permanent und global. Es ist ein beabsichtigter
Hunger. Das heisst nicht, dass jene, die das gegenwärtige
Food-System entwerfen, beabsichtigen, Hunger zu schaffen. Es
bedeutet, das die Schaffung des Hungers in das Unternehmensmuster
industrieller Produktion und globalisierter Nahrungs-Verteilung
eingebaut wird.
Eine
Serie von Medienberichten haben eine andere Studie veröffentlicht
von einem Team unter Leitung von Bravata, Mitglied von Stanfords
Zentrum für Gesundheitspolitik, und Crystal Smith-Spangler, MD, MS,
die in der Abteilung für Allgemeinmedizin unterrichtet und ärztliche
Forschung für das Palo Alto Health Care System betreibt, die die
umfassendste Meta-Analyse bis heute erstellten zum Vergleich von
organischer und koventioneller Nahrung.
Sie
fanden keine starken Beweise, dass organische Nahrung nahrhafter sei
oder weniger Gesundheitsrisiken habe als konventionelle Nahrung,
obwohl organische Nahrung das Risiko durch Pestizid-Vergiftung
reduziere.
Diese
Studie kann kaum die „umfassendste Meta-Analyse“ genannt werden;
die Forscher haben tausende Papiere durchgeblättert und 237 der
relevantesten für die Analyse ausgesucht. Dies zeigt schon ihre
Einseitigkeit. Die größte Meta-Analyse ist von der UNO gemacht
worden: die International Assessment of Agricultural Knowledge,
Science and Technology for Development (IAASTD = der vollständige
Bericht kann hier als PdF
heruntergeladen werden).
Vierhundert
Wissenschaftler aus der ganzen Welt haben vier Jahre lang gearbeitet,
um alle Publikationen über die verschiedenn Methoden der
Landwirtschaft zu analysieren und sie kamen zu dem Schluss, dass die
chemische Industrie-Agrikultur nicht mehr eine Option sei sondern
nur der ökologische Anbau.
Dennoch
präsentierte das Stanford-Team seine Studie als die umfassendste und
behauptete, dass es keine Gesundheitsvorteile durch organischen Anbau
gäbe, obwohl es keine Langzeitstudien über Gesundheitsfolgen für
Leute gibt, die organisch essen gegenüber denen, die konventionell
erzeugte Nahrung verzehren. Die Dauer von Studien mit Menschen
dauerten von zwei Tagen bis zu zwei Jahren.
Zwei
Tage ergeben keine wissenschaftliche Studie. Keine Auswirkung kann in
zwei Tagen gemessen werden. Das ist Schrott-Wissenschaft, die sich
als Wissenschaft ausgibt.
Ein
Prinzip über Nahrung und Gesundheit ist, dass unsere Nahrung so
gesund ist wie der Boden, auf dem sie wächst. Und sie ist so
schlecht wie die Böden, die chemischer Behandlung unterzogen werden.
Industrielle
chemische Landwirtschaft schafft Hunger und Mangelernährung, da sie
den Körper der Nährstoffe beraubt. Industrieproduzierte Nahrung ist
nährstoffleere Masse, geladen mit Chemikalien und Giften. Nahrhafte
Nahrung bezieht die Nährstoffe aus dem Boden.
Agro-Industrie,
die auf der Basis der NPK (Nitrium, Phosphor, Kalium) -Mentalität beruht,
führt zur Erschöpfung der vitalen Mikro-Nährstoffe und
Spurenelemente wie Magnesium, Zink, Kalzium und Eisen.
David
Thomas, ein Geologe, der zum Ernährungs-Wissenschaftler wurde,
entdeckte, dass Gemüse zwischen 1940 und 1991 im Durchschnitt 24%
des Magnesiums, 46 % des Kalziums, 27 % des Eisens und 76 % des
Kupfers verlor (David Thomas „A Study on the mineral depletion of
the foods available to us as a nation over the period 1940 to 1991“,
Nutrition and Health, 2003, 17 (2): 85-115).
Mohrrüben
hatten 75 % ihres Kalziums verloren, 46 % ihres Eisens und 75 % ihres
Kupfers. Kartoffeln hatten 30 % ihres Magnesiums, 35 % ihres
Kalziums, 45 % ihres Eisens und 47 % ihres Kupfers verloren.
Um
dieselbe Menge Nährstoffe zu erhalten, müssen die Leute viel mehr
Nahrung zu sich nehmen. Die Zunahme der „Erträge“ von leerer
Masse ergibt nicht mehr Nährstoffe. Sie führt zu Mangelernährung.
Das
IAASTD erkennt an, dass durch die agro-ökologische Methode „selbst
Agro-Systeme der ärmste Gesellschaften durch ökologischen Anbau und
IPM das Potential haben (Integrated
Pest Management – nachhaltige Ungeziefer-Bekämpfung),
dieselben oder höhere Erträge als durch konventionellen Anbau zu
erzielen, den Landbedarf zu reduzieren, Ökosysteme
wiederherzustellen (insbesondere Wasser), die Verwendung von
synthetischem Dünger aus Erdöl zu reduzieren und auch die Verwendung von
gefährlichen Herbi- und Pestiziden.“
Unsere
25-jährige Erfahrung in Navdanya zeigt, dass ökologischer,
organischer Anbau der einzige Weg ist, Nahrung zu produzieren, ohne
dem Planeten und der Gesundheit des Volkes zu schaden. Dies ist ein
Trend, der wachsen wird, egal, wieviele Pseudo-Wissenschafts-Stories
in die Medien von der Industrie gepflanzt
werden.
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