Einar Schlereth
Donnerstag, der 6. September 2012
Nun hat der Tod zum dritten Male einen Freund mit sich genommen. Diesmal den Bruder meines besten Schulfreundes, der schon vor sehr langer Zeit von einem Herzinfarkt dahingerafft wurde. Er hat meine Lieblingsschwester geheiratet, die dann vor über vierzig Jahren zu ihm nach Kanada zog. Dadurch lernte ich ihn erst richtig kennen und schätzen. Ein ruhiger, liebenswürdiger Mensch und Lehrer aus Leidenschaft, dem ich wahrlich meine Schwester gönnte.
Unsere gegenseitige Zuneigung ist wohl
auch der Tatsache zu verdanken, dass sie in der Familie über zwei
Generationen hinwegreicht. Winfried machte nämlich bei meinem
geliebten Großvater das Mathematik-Abitur – d. h. nicht direkt,
denn mein Großvater war mit 12 Jahren ein Vollwaise geworden und mit
3 Jahren Volksschule ja fast noch Analphabet. Aber er begann bei der
Reichsbahn zu arbeiten, zog seine zwei kleineren Geschwister mit groß
und bildete sich autodidaktisch mit eisernem Willen stets weiter. Er
schaffte es bis zum Oberinspektor – weiter ging's nicht, weil ihm
ja die 'Bildungsbeweise' fehlten. Aber nach dem Krieg gab es am
Gymnasium im fränkischen Bad Neustadt a.d.Saale Lehrermangel und da
holte man 'den alten Schlereth', wie er überall liebevoll genannt
wurde. Er war ja in der ganzen Stadt als mathematisches Genie
bekannt, als hochgebildeter Mann mit einem phänomenalen Gedächtnis.
Abnehmen durfte Großvater das Abitur allerdings
nicht. Er setzte sich – aus stiller Rache? - in die Weinstube Dörr um die Ecke vom Gymnasium. In Pinkelpausen flitzten die Prüflinge um die Ecke zu ihm, er löste in Sekundenschnelle jedes mathematische Problem und die Schüler flitzten zurück. Ist kein Wunder, dass der 'alte Schlereth' allseits beliebt war. Und etwas von Winfrieds Liebe zu ihm ist wohl auch auf mich übergegangen.
Nun muss man ja in meinem Alter damit rechnen, dass die alten Freunde für immer fortgehen. Doch ist es jedesmal ein Klopfen an die eigene Haustür. Zur Erinnerung, dass Meister Tod einen nicht vergessen hat. Mir jagt er jedenfalls keinen Schrecken ein, sondern lässt mich höchstens bitten, es kurz zu machen und nicht zu einer Folter. Nicht wie bei Winfried, der drei Jahre einen Kampf mit dem Krebs führen musste.
nicht. Er setzte sich – aus stiller Rache? - in die Weinstube Dörr um die Ecke vom Gymnasium. In Pinkelpausen flitzten die Prüflinge um die Ecke zu ihm, er löste in Sekundenschnelle jedes mathematische Problem und die Schüler flitzten zurück. Ist kein Wunder, dass der 'alte Schlereth' allseits beliebt war. Und etwas von Winfrieds Liebe zu ihm ist wohl auch auf mich übergegangen.
Nun muss man ja in meinem Alter damit rechnen, dass die alten Freunde für immer fortgehen. Doch ist es jedesmal ein Klopfen an die eigene Haustür. Zur Erinnerung, dass Meister Tod einen nicht vergessen hat. Mir jagt er jedenfalls keinen Schrecken ein, sondern lässt mich höchstens bitten, es kurz zu machen und nicht zu einer Folter. Nicht wie bei Winfried, der drei Jahre einen Kampf mit dem Krebs führen musste.
Und die Trauer dämpft natürlich den
Elan zum Weitermachen. Also zwinge ich mich, an die Kiste zu gehen
und mir die Horror-Nachrichten reinzuziehen. Eine hat mich besonders
schmerzlich berührt: 'Oil
Giants’ Onslaught Threaten Humanity’s Hope In Ecuador' (Der
Angriff der Ölgiganten bedroht die Hoffnung der Menschheit in
Ecuador). Es geht hier um den gigantischen Yasuni – Nationalpark,
dessen Einrichtung ein paar lumpige Milliarden Dollar kosten sollte.
Das dort entdeckte Erdöl sollte im Boden bleiben, wofür Ecuador
gewissermaßen kompensiert werden sollte. Einen Teil der Kosten
wollte Ecuador übernehmen, während der größte Teil vermittels
eines Abkommens mit der UNEP von der vielgerühmten Weltgemeinschaft
übernommen und sogar großmäulig versprochen wurde.
Aber wie
gewöhnlich werden die Versprechungen keineswegs eingehalten.
Reporter dieses Artikels vom Guardian konnten feststellen, wie in
Teilen des Yasuni-Nationalparks tatsächlich schon Öl gefördert
wird und Straßen gebaut werden. Die Ölgiganten haben sich auf das
probate Mittel des 'Teile und herrsche' verlegt und spielen ein
Indio-Volk gegen das andere aus. Bestechung und Korruption spielen
auch eine große Rolle. Correa sagte jedenfalls, dass das Ergebnis
der Geldsammlung für das Projekt bisher enttäuschend sei.
Ich habe dazu diesen
Artikel auf Tlaxcala veröffentlicht und auch in diesem Artikel
auf meinem Blog ist vom Yasuni-Nationalpark
die Rede. Außerdem habe ich 1998 das Buch 'Die Krieger des
Jaguars' von Joe Kane übersetzt, das im Goldmann Verlag als
Taschenbuch erschienen ist (es ist antiquarisch noch vielerorts
erhältlich). Darin beschreibt Kane sehr eingehend den heroischen
Kampf der Indios und ihrer Zentralorganisation CONAIE gegen die
Ölmultis, die eine unglaubliche Verseuchung des Landes mit Erdöl
angestellt haben, ohne nur den Versuch von Aufräumarbeiten zu
unternehmen. Dies ist ein spannendes und zugleich erschütterndes
Dokument.
Viel später ist es den Indios und der
CONAIE gelungen, mehrere reaktionäre Regierungen zu stürzen und
auf ihren Schultern Raffael Correa an die Macht zu bringen. Er ließ
eine progressive Verfassung ausarbeiten, in der auch der Schutz der
Natur und der Ökosysteme festgeschrieben wurde. Außerdem hat er
einen Prozess gegen die verantwortlichen Ölgesellschaften
angestrengt, der auch gewonnen wurde. Er war auch der erste Präsident
Ecuadors, der mehrere Indios in seine Regierung und in sein Kabinett
holte. Allerdings hielt die Ehe nicht lange und 2011 hat er auch die
letzte indigene Person, eine Ministerin, wegen Unstimmigkeiten
entlassen.
Ich habe mich also recht intensiv mit
Ecuador beschäftigt und seine weitere Entwicklung verfolgt. Deswegen
hat mich diese Nachricht sehr getroffen. Aber das war ja beileibe
nicht die einzige üble Nachricht.
Wie wahrscheinlich auch ihr schon
mitbekommen haben werdet, ist nach diesem rekord-heißen und langen
Sommer – nicht gerade bei uns, aber im größten Teil der Welt
(siehe hier
und hier)
- mit einer katastrophalen Ernte zu rechnen, was die Reichen nicht
weiter jucken wird, aber die Armen umso mehr. Deswegen wird auch
wieder mit weltweiten Tumulten wie schon vor ein paar Jahren
gerechnet. Schon jetzt sind die Preise für Getreide um 30%
gestiegen. Und was macht die kriminelle Mafia der Barclay Bank (die
im übrigen einschlägig vorbestraft ist)? Ein Spielchen mit dem
Hunger und wettet und spekuliert mit der Nahrungskrise, womit sie
bisher schon 500 Mill. £ Gewinn gemacht hat. Natürlich mischen da
auch Goldman Sachs und Morgan Stanley mit. Das ist so ekelhaft, dass
' man nicht so viel fressen kann, wie man kotzen möchte' (frei nach
Liebermann). Den Artikel kann man sich hier
zu Gemüte führen.
Ja richtig. Die Krise. Die geht
natürlich weiter und wird immer heftiger und während überall die
Kosten für Gesundheit drastisch zusammengestrichen werden – bis um
50% - steigen die Depressionen,
die Selbstmorde und die psyschischen Probleme. Wie ihr sicher
bereits erraten habt, betrifft dies natürlich keineswegs die
Einprozenter. Die springen heute nicht mehr aus dem Fenster wie in
der Krise von 1927. Die haben gelernt und sich alle rechtzeitig mit
reichlich Fallschirmen eingedeckt. Es betrifft also hauptsächlich
die untersten Gesellschaftsschichten. Allein in England haben sich
bisher schon 1000 Menschen das Leben genommen. Die Einprozenter sagen
sicher, das sei doch gar nichts, und schielen nach Indien, wo sich
die Armen zu Hunderttausenden das Leben nehmen.
300 englische Familien-Ärzte haben
Daten zusammengetragen, die zeigen, „dass Sparmaßnahmen die
Gesundheit der Patienten beeinträchtigen. 67% sagten, dass ihre
Patienten ungesünder wären wegen des ökonomischen Klimas und 77%
sagten, dass mehr Patienten Behandlung wegen Ängsten suchen würden“.
Außerdem stellten sie eine Zunahme „an übermäßigem
Alkoholgenuss, an Ängsten und Depressionen fest sowie vermehrte
Aborte aus ökonomischen Gründen“. Aber der Konsum von
Anti-Depressiva seit um 28% gestiegen, von 34 Millionen Rezepten 2007
auf 43.4 Millionen im Jahr 2011. Na, was für ein Glück. Dann gehen
wenigstens die Pharmazeutischen Multis nicht bankrott.
Den Spaniern geht es womöglich noch
dreckiger als den Engländern, aber von dort habe ich keine
Selbstmordziffern erhalten, obwohl die Arbeitslosigkeit –
offiziell! - bei 25% liegt, für die Jugend sogar bei 40%. Ich habe
hier nur einen Artikel darüber, „dass DIE Spanier 75
Mrd. Euros von den Banken abgezogen haben“, während
'Rettungsgelder' von 100 Mrd. Euros in die Banken geflossen sind. Und
viele würden das Geld in London anlegen und dazu mal rasch
hinüberfliegen. Na wie schön. Die Bourgeoisie und die gehobene
Mittelschicht bringen ihre Schäfchen ins Trockene. Aber vielleicht
bekommen in London ja die Mafiosi von der Barclay die Gelder in die
Klauen. Dann ade, du schöne Welt.
Zum Schluss noch eine kurze Nachricht
aus dem Land der unbegrenzten Möglichkeiten, das diesem Namen mal
wieder alle Ehre macht. Die Zahl der Armen ist im Juni weiter von
46.514 auf 46. 670 Millionen gestiegen und somit beziehen 15%
aller Amerikaner Nahrungsmittelkarten“, die höchste Zahl aller
Zeiten. Das sind natürlich offizielle Statistiken und was von denen
zu halten ist, wissen wir. Inoffiziell muss es sehr viel schlimmer
aussehen, denn allerorts schießen ideelle Vereinigungen aus dem
Boden, die via Suppenküchen die Ärmsten speisen. Dies ist
allerdings in mehreren Staaten schon verboten worden. Mancherorts
wurden die Idealisten von der Polizei vom Platz geprügelt und die
Suppenkessel zerstört. Unbegrenzte Möglichkeiten!
Einen schönen Abend allerseits.
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