William Blum
26. September
Aus dem Englischen:
Einar Schlereth
Die
anti-russische/anti-sowjetische Voreingenommenheit in den
amerikanischen Medien scheint keine Grenzen zu kennen. Man sollte
denken, dass sie genug Selbstbewusstsein und genug journalistische
Integrität hätten, um sich um ihr Image zu kümmern. Aber es kommt
immer mehr, wird immer weiter und immer höher gestapelt.
Einer der jüngsten
Fälle ist die Rezension einer neuen Biographie über Michail
Gorbatschow in der New York Times Book Review (10. September). In der
Rezension heißt es, dass Gorbatschow "kein Held des eigenen
Volkes" sei, weil er "der Zerstörer ihres Reiches"
sei. So vermeidet die New York Times, etwas Positives über das Leben
in der Sowjetunion oder über den Sozialismus sagen zu müssen. Sie
möchten die Leser glauben lassen, dass es der Verlust solcher etwa
der Tschechoslowakei oder Ungarns u. a. war, der das russische Volk
erschütterte, und nicht der Verlust unter Gorbatschows Perestroika
eines anständigen Lebensstandards für alle, ein Verlust, der sich
auf Miete, Beschäftigung, Urlaub, medizinische Versorgung, Bildung
und viele andere Aspekte des sowjetischen Wohlfahrtsstaates
auswirkte.
In dieser Rezension
steht ein Zitat aus einer Times Review von 1996 aus Gorbatschow's
eigenen Memoiren, das besagte:
„Es ist für die Westler ein Rätsel, dass Michail Gorbatschow in
seinem eigenen Land verhasst und verspottet wird. Das ist der Mann,
der die Welt ein paar Schritte vom nuklearen Abgrund entfernt hat und
seinen Landsleuten eine tödliche Angst genommen hat, der blutige
Auslandsabenteuer beendete und Osteuropa befreite. .... Doch seine
Ablehnung zu Hause könnte kaum vollständiger sein. Sein politischer
Comeback-Versuch im Juni brachte weniger als 1 Prozent der Stimmen."
Gorbatschows
Unpopularität beim eigenen Volk wird damit weiter in die Kategorie
"Mysterium" verbannt und nicht den tiefgreifenden
gesellschaftlichen Veränderungen geschuldet.
Es sei darauf
hingewiesen, dass USA Today 1999 berichtete:
„Als die Berliner Mauer fiel [1989], stellten sich die Ostdeutschen
ein Leben in Freiheit vor, in dem Konsumgüter im Überfluss
vorhanden waren und die Not verblassen würde. Zehn Jahre später
sagen bemerkenswerte 51%, dass sie im Kommunismus glücklicher
waren."[1]
Frühere Umfragen
hätten wahrscheinlich sogar mehr als 51% eine solche Stimmung zum
Ausdruck gebracht, denn in den zehn Jahren waren viele von denen, die
sich mit einer gewissen Vorliebe an das Leben in Ostdeutschland
erinnerten, verstorben; owohl selbst noch 10 Jahre später, im Jahr
2009, konnte die Washington Post berichten:
"Westberliner sagen, sie hätten die Neigung ihrer östlichen
Kollegen satt, nostalgisch über die kommunistische Zeit zu reden."[2]