Samstag, 23. September 2017

Ich kam nach Haiti, um Gutes zu tun ...


Nora Schenkel
15. Mai 2013
Aus dem Englischen: Einar Schlereth

ICH KAM, UM GUTES ZU TUN


Haiti nach einem Hurrikan, die wie beim Stafettenlauf einander ablösen.
Als ich in Haiti lebte, baten mich Leute oft um Geld. Fremde auf der Straße hielten ihre Hände auf bei den seltenen Gelegenheiten, wenn ich zu Fuß ging. Die Bauarbeiter vor meinem Haus hielten ein, wenn ich das Tor auf meinem Weg zur Arbeit schloss und zeigten auf ihre Kehlen. „Ich bin hungrig“ bedeutete das.

Ich kam nach Haiti im Mai 2011 als Entwicklungshelfer über eine internationale nicht-Regierungs Organisation (NGO). Mir gefiel Haiti von Anfang an, aber in meinen 15 Monaten dort kämpfte ich mit dem Gefühl, dass mein Job ineffektiv war.

Ich verstand, warum Leute mich um Geld angingen, um einen Job, um Dinge. Die meisten Haitianer treffen Westler immer nur in ihrer selbsternannten Kapazität als Helfer. Wir sind niemals dort, weil wir in Haiti sein wollen; wir behaupten, wir sind hier, um das Leben der Haitianer zu verbessern. Aber sie haben uns seit Jahrzehnten kommen und gehen sehen und sie sind ärmer, denn jemals zuvor.

Unterdessen sehen sie uns die Lebensmittelläden verlassen mit Taschen voller Nahrung, die mehr kostet, als sie im Monat verdienen. Sie beobachten uns, wie wir in die großen Autos mit Klimaanlage steigen, die von ihnen gefahren werden, immer von ihnen. Sie sehen uns nachhause gehen in schöne, große Häuser, von hohen Mauern geschützt.
Und da ist etwas, was sie nicht wissen: Diese Häuser? Wir könnten sie uns zuhause niemals leisten. Diese Häuser haben wir, weil sie keine haben. Wir haben einen Job, weil sie arm sind. Und weil ihre Armut extrem ist, weil das Land, in dem sie geboren wurden, staubig, stürmisch, versaut und gefährlich ist, werden wir gut bezahlt.

Es gibt Leute unter uns, die gekommen sind mit echten Gefühlen und Hingabe, um zu helfen, um etwas zu bewirken. Manche sind bereit, ein sehr kleinen Lohn für ihre Bemühungen zu erhalten. Ich gehörte nicht zu denen.

Wie die meisten Entwicklungshelfer in Haiti lebte ich nicht mit den Haitianern. Ich hatte zwischen ihnen und mir meistens ein Aufofenster, ein Tor, eine Mauer. Ich saß nicht mit Haitianern im Dunklen beisammen, wenn der Strom wieder einmal ausgefallen war. Ich rannte nicht mit ihnen hinter den überladenen ‚Tap-Taps‘ hinterher, den klapprigen, wundervoll bemalten Autos, die die haitianische Version des öffentlichen Verkehrs sind. Ich ging nicht mit ihnen nachhause stundenlang über Bergrücken, in strömendem Regen oder unter der brennenden Sonne.

„Ich dachte, du bist hier, um zu helfen“, sagte ein kleiner Junge zu mir mit einem verwirrten Stirnrunzeln, als ich mich weigerte, ihm Geld zu geben oder einen neuen Fußball oder den Kuli in meiner Hand.

„Nun, ich helfe auf andere Weise,“ sagte ich und fügte eine ausweichende Erklärung hinzu, wie meine Arbeit die Gesundheit des haitianischen Volkes verbessern würde. Ich fühlte mich als Lügner, weil ich wusste, dass ich meine Tage in einem Büro mit Klimaanlage verbrachte, wo es wenig zu tun gab.

Vielleicht wäre es anders gewesen, wenn ich an meine Antwort geglaubt hätte.

Ich kannte Leute, die dauernd auftrumpften: „Wo ist deine Würde?“ fragte ein Freund einmal ein Mädchen in Schul-Uniform, das ihn um Geld anging. „Du bekommst eine Ausbildung. Du bist diejenige, von der erwartet wird, das Land voranzubringen.“

Ich verstehe seinen Zorn über das Mädchen. Aber wird dieses Mädchen jemals einen Job in Haiti finden, trotz seiner Ausbildung? Nein.

Als ich mich über meine Arbeit beschwerte, wurde mir gesagt, dass ich nach einer anderen suchen sollte, dass es reichlich Gelegenheiten gäbe nach dem Erdbeben. In einem Land, wo 80 Prozent unter der Armutsgrenze lebten, könnte ich von einem Moment auf den nächsten einen anderen Job finden.

Aber je länger ich in Haiti lebte, umso weniger glaubte ich an meine Arbeit.

„Ein Jahr in Haiti gibt dir genug Expertise für den Rest deines Lebens,“ sagte mir einmal jemand darüber, was unser Einsatz in der Karibik für unsere Karriere bedeutete. Und das war genau das, was meine Entwickler-Tätigkeit geworden ist: eine Karriere.

Ich verließ Haiti acht Monate bevor mein Vertrag auslief. Ich ging nach Schottland zurück auf die Universität mit einem klaren Ziel für mich: die Entwicklungstätigkeit aufzugeben und für mich eine andere Karriere zu finden. Ich habe immer noch das Gefühl, dass dies das Ehrlichste gewesen ist, was ich für Haiti tun konnte. Weil es noch eine andere Wahrheit gab -  dass ich nicht in Port-au-Prince ohne ein großes Haus hätte leben wollen.

Ich schreibe dies in Haiti. Ich kam  nach acht Monaten hierher zurück, um Freunde zu besuchen und die Schönheit des Landes zu genießen – als ein Besucher. Bisher hat mich noch niemand um Geld gebeten – vielleicht weil ich diesmal meistens zu Fuß oder auf dem hinteren Sitz eines Motorrad-Taxis fahre. Aber wenn mich jemand fragt, dann sage ich nein. Wenn sie fragen: „Bist du nicht hier, um zu helfen?“ Dann sage ich: „Nein. Ich bin hier, um in Haiti zu sein.“


Nora Schenkel macht ihr Examen an der Universität von Dundee in Schottland.


Quelle – källa - source

3 Kommentare:

  1. Was für eine Riesen.....a.....in. Ergeht sich in Selbstmitleid. Pfui deibel. Wer helfen WILL, der tut dies einfach. Das ist in einem Land wie Haiti megaeinfach, noch dazu wenn man dort hochdotiert thront.

    Das Problem wenn man in so einem Land helfen will: Es geht nicht ohne sich DIE HÄNDE SCHMUTZIG ZU MACHEN!

    Da die Kritzlerin dieses "Artikels" dazu offensichtlich keine Lust hatte und hat, ist sie an der Uni sehr viel besser aufgehoben.

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  2. Das finde ich nun gar nicht, dass sie sich in Selbstmitleid ergeht. Sie zeichnet ja ein sehr unvorteilhaftes Bild von sich selbst. Und machte das einzig Richtige: schleunigst abzuhauen. Seit vielen Jahren vertrete ich die Meinung, dass alle Länder der 3. Welt alle Experten umgehend rausfeuteln sollten. Auf die eigenen Kräfte vertrauen, das ist das Vernünftigste.

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  3. Finde ich auch... Selbsterkenntnis, aber kein Selbstmitleid ist in diesem Artikel, der gottseidank auch mal abgedruckt wurde, denn dass Entwicklungshilfe was mit Karriere zu tun hat will ja hier keiner wahrhaben. Zuzugeben, dass man ohne in einem bequemen Haus in diesem Land nicht wirklich leben möchte, bedeutet auch, trotz der "Schönheit" der Landschaft, sehen zu müssen, wie schwer es ist, ohne westlichen Komfort und mit den Auswirkungen der westlichen Manipulationen in Städtebau, Agrarwirtschaft und Klima, unter primitivsten Bedingungen zu überleben. Ich weiss von Entwicklungshelfern die regelmässig und vertraglich zugesichert literweise Alkohol aus dem Heimatland erhalten und die sofort entlassen oder weggestänkert werden, wenn sie in Mitmenschlichkeit zuviel Empathie und Identifikation zeigen. Ein sexuelles Verhältnis mit einem dieser "schönen Menschen" wird oft nicht nur geduldet, sondern sogar erwartet - so zeigt man Achtung (?). In Haiti wurde übrigens vor relativ kurzer Zeit eine jahrelang als Nonne arbeitende Frau (immer in Zivilkleidung) mitten auf der Strasse erschossen. Sie war bekannt, geschätzt und wurde gebraucht. Wahrscheinlich hat sie so gelebt, wie der obige, anonyme Schreiber(in) erwartet.

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