Mit Dank an Frau Karin Leukefeld und die Sputnik Redaktion übernehme ich diesen wichtigen Artikel mit der zusätzlichen Frage an die Bundesregierung Deutschlands:
Was hat Syrien jemals Deutschland angetan, um von
ihm seit 10 Jahren mit Krieg überzogen zu werden,
dem tausende Menschen, vor allem Kinder zum
Opfer fallen?
Es wäre angebracht, dass Russland, China, Syrien
die Bundesregierung vor dem Internationalen
Gerichtshof in Den Haag zur Rechenschaft ziehen
würden. Sollen diese Länder, die Syrien selbstlose
Hilfe geleistet haben, das (auch mit deutschen
Waffen) zerstörte Land alleine aufbauen?
Wirtschaftssanktionen
gegen Syrien – Wie Deutschland und seine
Verbündeten Syrien
zerstören
Karin Leukefeld
Sputnik Deutschland
29. Februar 2020
Maas und Merkel - dies ist euer Opfer! |
Nach neun Jahren
Krieg ist die zivil-militärisch-humanitäre Intervention für den
„Regime-Change“ in Syrien gescheitert. Nun tobt der Krieg nach
dem Krieg. Europa und die USA wollen das Land mit fortgesetzten
Wirtschafts- und Finanzsanktionen zerstören, weil es sich den
westlichen Neuordnungsplänen der Region widersetzt.
„Gestern hatte
meine Mutter Geburtstag“, berichtete mir kürzlich ein junger Syrer
aus Damaskus. „Weißt Du, was wir ihr geschenkt haben? Zwei Liter
Heizöl, damit wir den Nachmittag und Abend im Wohnzimmer heizen
konnten!“
Fragen Sie sich,
warum angesichts der bedrohlichen Meldungen aus Idlib so eine
Bagatelle eine Nachricht sein soll? Sie sollten sich fragen, warum
zwei Liter Heizöl in einem Land mit ausreichenden, eigenen
Ölressourcen im 21. Jahrhundert so kostbar sind, dass sie der Mutter
zum Geburtstag geschenkt werden.
Zumal Syrien eigene
Ölressourcen hat, die noch vor zehn Jahren vollkommen ausreichten,
die eigene Bevölkerung mit preisgünstigem Öl zu versorgen. Was
übrig blieb, das konnte Syrien nach Europa, auch nach Deutschland
exportieren. Und die Europäische Union (EU) machte zusätzlich
Profit, weil es syrisches Rohöl raffinierte und nach Syrien zurück
verkaufte.
Skandal statt
Bagatelle
Dass Heizöl in
Syrien rar und fast unerschwinglich geworden ist, ist keine
Bagatelle, sondern ein Skandal. Es hat mit der europäischen und
deutschen Politik gegenüber Syrien zu tun, genauer gesagt, mit den
westlichen Wirtschaftssanktionen, die 2011 gegen Syrien verhängt und
seitdem jährlich verlängert wurden.
Fragen Sie also den
bundesdeutschen Außenminister Heiko Maas, warum Heizöl für die
normale Bevölkerung in Syrien so teuer geworden ist, dass die
Menschen dort ihre Wohnungen im Winter nicht ausreichend heizen
können. Fragen Sie ihn, warum Syrien die eigenen Ölressourcen nicht
nutzen kann, warum es für die Syrer kein Öl, kein Gas, keine
ausreichenden Medikamente, keine Ersatzteile, keinen internationalen
Handel gibt.
Fragen Sie Maas,
warum Geldüberweisungen gestoppt und die Bewegungsfreiheit der Syrer
massiv behindert wird. Fragen Sie ihn, warum in der EU das Geld der
syrischen Zentralbank „eingefroren“ ist, obwohl das Land es
dringend für die Versorgung der eigenen Bevölkerung und für den
Wiederaufbau braucht.
Wirtschaftskrieg
statt Wiederaufbau
Fragen Sie den
deutschen Außenminister, warum er bei der Debatte um Idlib im
UN-Sicherheitsrat vor zwei Tagen mit Sanktionen gedroht hat, sollte
Syrien den Kampf um sein eigenes Territorium nicht einstellen. Fragen
Sie ihn, warum er gegenüber der ARD sagte, Sanktionen seien „immer
das letzte Mittel“? Dabei hat der EU-Rat – und damit auch
Deutschland – zuletzt vor wenigen Tagen die Sanktionen gegen Syrien
wieder einmal ausgeweitet.
Seit neun Jahren
führen Deutschland und die EU in Kooperation mit den USA mit
„einseitigen wirtschaftlichen Strafmaßnahmen“ einen
Wirtschaftskrieg gegen Syrien. Der englische Begriff „Coercive
Measures“ kann auch mit „Zwangs- oder Beugemaßnahmen“
übersetzt werden. Syrien soll gebeugt werden und sich den regionalen
Ordnungsplänen des Westens unterordnen.
Weil Syrien das
nicht tut und sich stattdessen mit denjenigen zusammenschließt, die
– wie die UN-Charta es festschreibt – die staatliche Souveränität
und territoriale Integrität Syriens respektieren, werden Syrien und
seine Verbündeten gleich mit bestraft. Die Sanktionen des EU-Rates
waren ursprünglich gedacht, um Syrien bei der Lösung seiner
internen Probleme 2011, dem Aufstand, der rasch in einen Krieg
mündete, zu behindern.
Eskalation statt
Friedenssuche
Erstmals wurden sie
im Sommer 2011 auf Vorschlag des damaligen Bundesaußenministers
Guido Westerwelle verhängt. Weil Sanktionen als zivile Strafmaßnahme
gelten und keine militärische Intervention sind, regte sich
hierzulande kein Widerspruch. Die mediale Begleitmusik dämonisierte
einerseits die syrische Regierung und Präsident Bashar al-Assad und
beförderte andererseits die Stimmen von „Rebellen“ und
Oppositionellen.
Die forderten neben
Sanktionen und der politischen Isolation Syriens auch Waffen,
Flugverbotszonen, Hilfe der Nato, Geld und humanitäre Unterstützung.
Die Herzen flogen den „Rebellen“ zu, die gegen den „Diktator“
kämpften. Man schloss sich mit den USA und den Golfstaaten zu den
„Freunden Syriens“ zusammen, Bundesregierung und der Europa-Rat
waren sich ihrer Sache sicher.
Der Krieg in Syrien
eskalierte und Jahr um Jahr wurden die einseitigen wirtschaftlichen
Beugemaßnahmen gegen das Land verlängert. Heute umfasst die
EU-Sanktionsliste gegen Syrien 277 Einzelpersonen und 71 Unternehmen
und Institutionen, darunter auch staatliche Unternehmen wie die
Zentralbank, die staatlichen Öl- und Gasförderunternehmen,
staatliche Ölraffinerien in Banias und Homs, staatliche
Krankenhäuser und medizinische Einrichtungen, die staatliche
Fluglinie, die Hafenbehörden und viele mehr. Die gesamte syrische
Regierung oder besser gesagt, syrische Regierungen seit 2011, stehen
auf der Sanktionsliste.
Öl-Raub statt
Wiederaufbauhilfe
Der syrische
Ölsektor unterliegt gleich mehrfach Sanktionen. Syrien darf
keinerlei notwendige Ausrüstung importieren. 2012/13 wurden die
Ölförderanlagen von der „Freien Syrischen Armee“ (FSA), dann
vom „Islamischen Staat im Irak und in der Levante“ (IS) besetzt.
2014 wurden die Ölförderanlagen von der US-geführten Allianz
bombardiert.
Dann haben
US-Spezialkräfte mit den von Kurden geführten „Syrischen
Demokratischen Streitkräften“, den US-Partnern am Boden, die
syrischen Öl- und Gasfelder im Osten des Landes besetzt. Heute sind
dort zusätzlich zu den US-Truppen Söldner stationiert. Es wird auf
jeden syrischen Soldaten geschossen, der es wagt, sich zu nähern.
Aus Not und Mangel
an Öl für den Betrieb der Elektrizitätswerke, für Transport und
Produktion, begann die syrische Regierung schließlich über einen
syrischen Geschäftsmann, das eigene Öl aus dem Osten des Landes
zurückzukaufen. Erst von der FSA, dann von Beduinenstämmen, die mit
dem „IS“ kooperierten, schließlich von den syrischen Kurden. Das
Öl wird auch über den kurdischen Nordirak in die Türkei verkauft
und auf verschlungenen Wegen an die Kämpfer in Idlib geschmuggelt.
Piraterie statt
Diplomatie
Die EU-Sanktionen
ergänzen sich mit dem von den USA verhängten Öl-Embargo gegen
Syrien und Iran. Der Iran ist mit Syrien seit 1979 verbündet und
liefert Öl, seitdem Damaskus der Zugriff auf die eigenen Ressourcen
verweigert wird. Die USA gehen weit bei der Durchsetzung ihres
Embargos und bedrohen Händler, Banken, Transportunternehmen,
Staaten, die mit Syrien oder dem Iran Geschäfte machen wollen.
Ungeachtet der
internationalen Rechtslage – wonach Länder ihre Handelspartner
frei wählen können – wurde auf US-Anforderung ein iranischer
Tanker, der im Sommer 2019 Rohöl nach Syrien liefern sollte, von
britischen Spezialkräften in der Straße von Gibraltar geentert und
festgesetzt. Im Mittelalter hieß das Piraterie.
Wirtschaftssanktionen
gegen ein Land müssen vom UN-Sicherheitsrat beschlossen werden. Die
verheerenden Auswirkungen solcher Maßnahmen waren zuletzt von 1990
bis 2003 im Irak zu sehen. Deshalb hat inzwischen der Sicherheitsrat von solchen Strafmaßnahmen Abstand genommen.
Strafmaßnahmen
statt Völkerrecht
So verhängen nun
die reichen Industriestaaten und Staatenbündnisse um die USA
einseitige wirtschaftliche Strafmaßnahmen. Da sie nicht vom
UN-Sicherheitsrat beschlossen wurden, gelten sie bei der Mehrheit der
UN-Mitgliedsstaaten als völkerrechtswidrig. Das machte Idriss
Jazairy, der UN-Sonderberichterstatter für die Auswirkungen von
einseitigen Wirtschaftssanktionen auf die Bevölkerung des
betroffenen Landes deutlich, als er im Mai 2019 Berlin besuchte.
Die Länder, von
denen die einseitigen Sanktionen ausgehen, nehmen das Recht in die
eigenen Hände. Sie versuchen Länder, die sich dem politischen
Willen der Ausgangsstaaten nicht unterordnen wollen, zu beugen. Das
sei eine Gefahr für den Weltfrieden, so Botschafter Jazairy. Für
Deutschland, seine EU-Partner und die USA gehören
Wirtschaftssanktionen zur Diplomatie im 21. Jahrhundert und sind Teil
der neuen Außenpolitik. Sie rechtfertigen sie mit nationaler
Rechtsprechung und Interessen. Das Völkerrecht wird ausgehebelt.
Einseitig verhängte
Sanktionen oder wirtschaftliche Straf- und Beugemaßnahmen sollen
einem gegnerischen Staat den gleichen Schaden zufügen wie ein Krieg.
Der Vorteil für die Ausgangsländer ist, dass sie bei Sanktionen
keine eigenen Soldaten gefährden. Soldaten, die im Krieg gegen ein
Land, das unterworfen werden soll, getötet werden, bringt die
Heimatbevölkerung gegen die Regierung auf, die den Einsatz befohlen
hat.
Einverständnis
statt Widerstand
Gegen Sanktionen
regt sich kaum Widerstand. Im Gegenteil: Selbst fortschrittliche
Oppositionsparteien und Teile der deutschen Friedensbewegung halten
Sanktionen für richtig, weil sie besser sind als Krieg.
Die am 17. Februar
erneut verschärften einseitigen wirtschaftlichen Strafmaßnahmen der
EU gegen Syrien richten sich direkt gegen den Versuch des Landes,
wieder aufzubauen. Wiederaufbauhilfe sei nicht vorgesehen, so
Bundesaußenminister Maas im Interview mit der ARD: „Letztlich wäre
das nur ein Beitrag dazu, die Macht Assads weiter zu stabilisieren.
Daran hat sicherlich die internationale Staatengemeinschaft kein
Interesse.“
Es ist wohl nicht
der deutsche Außenminister, der das Interesse der internationalen
Staatengemeinschaft vertritt. Maas klingt eher wie das Echo der
US-Administration, die ihre Verbündeten warnt, auf Syrien zuzugehen,
geschweige denn, beim Wiederaufbau zu helfen. Die deutsche
Syrien-Politik gibt sich als Erfüllungsgehilfe der US-Strategie
eines Wirtschaftskrieges gegen Syrien.
Erfüllungsgehilfen
statt Vermittler
Außenminister Maas
zeigte beim UN-Sicherheitsrat am Donnerstag, wie gehorsam die
US-Marschbefehle ausgeführt werden. Er sprach sich dabei laut der
Nachrichtenagentur DPA dafür aus, die syrische Regierung weiter zu
isolieren. Das war verbunden mit unbewiesenen Vorwürfen an Damaskus.
Ebenso sprach Maas
von weiteren Wirtschaftssanktionen gegen Damaskus und seine
Verbündeten. Gleichzeitig schloss er Wiederaufbauhilfe und
technische Unterstützung für Syrien aus. Die Bundesregierung
fordert zugleich mehr humanitäre Hilfe und die Öffnung weiterer
Grenzübergänge, über die UN-Hilfe in die Gebiete im Nordosten
Syriens und nach Idlib gelangen kann.
Selbst der Aufbau
von kleinen Projekten, die den Menschen mit Molkereien, dem Kauf von
Vieh oder Bienenstöcken Hilfe zum Leben in Aussicht stellen, sollen
mit Hilfsgeldern der EU oder Deutschlands nicht finanziert werden.
Damit werde nur „das Assad-Regime gestärkt“, heißt es.
Überlebenswille
statt Kapitulation
Die
Wirtschaftssanktionen gegen Syrien verhindern nicht nur den Aufbau
von Werkstätten, kleinen verarbeitenden Firmen und
Ausbildungsstellen. Sie hindern ebenso staatliche und private
Unternehmen, die auf der Sanktionsliste stehen, daran, zu bauen, zu
produzieren und Arbeitsplätze zu schaffen. Geschäftsleute in
Aleppo, die nicht nur von Sanktionen, sondern zuvor schon durch den
Krieg, die Plünderung ihrer Fabriken und die Abwanderung der
Arbeiter betroffen sind, sagten mir schon vor einem Jahr:
„Wenn wir
Arbeitsplätze schaffen, dann ernährt jeder Arbeiter eine Familie.
Die Hilfsorganisationen, die Sie schicken, machen unsere Bevölkerung
zu Bittstellern. Sie sind zum Nichts-Tun verdammt, warten auf die
Hilfe, haben keine Arbeit, keine Wohnung, sie verlieren ihre Würde,
ihre Zukunft!“
Noch einmal zurück
zum Heizöl: „Minus sieben Grad hatten wir die letzten Nächte“,
berichtete Hussam M., der in einem Vorort von Damaskus wohnt. „Wir
haben alle die Grippe, aber keine Angst, es ist nicht Corona“,
fügte er hinzu und lachte. „Strom wird rationiert, kein Heizöl,
um zu heizen, kein Gas, um zu kochen. Es ist wirklich schwierig für
uns und wahrscheinlich wird es noch schlimmer“, so Hussam weiter.
„Die USA und die anderen wollen uns zerquetschen. Aber keine Sorge,
wir werden überleben.“
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