Diese Nachricht nenne ich deshalb gut, weil ich und auch Freunde manches Mal sagten, was ist nur mit den Japanern los. Die lassen sich wohl alles gefallen. Ja, von wegen. Unsere unabhängigen, objektiven und so wahrheitsliebenden Medien haben uns dies alles nur verschwiegen. Dreimal darf man raten, wer wohl dahintergesteckt hat. In Wirklichkeit ist der Teufel los in Japan. Und wie wir sehen, liegt dieser Höhepunkt mit einer Massendemonstration schon wieder über drei Monate zurück. Es braucht also einzelne mutige Menschen, wirkliche Nachrichten zusammenzustellen und in die Welt zu schicken. Danken wir also Jason Combs.
anti-AKW Demo in Shinyuko/Tokyo |
von Jason Combs
am 11. Januar 2012
Am 19. September 2011 versammelten
sich 60 000 Menschen in Tokyos Meiji Park mit einem „Goodbye,
Atomkraftwerke!“ Diese Demo war die größte seit den Protesten
1060 gegen das US-Japan Streitkräfte-Abkommen, ein Militärpakt, der
Japan fest an die US-KalteKriegs-Politik band.
Unter den Marschierern fanden sich
Mütter aus dem Distrikt Fukushima, Gewerkschaftler aus und dem
Umkreis der großen Gewerkschaften, Mitglieder der
Oppositionsparteien, Umweltschützer, Studenten,
Anti-Kriegs-Aktivisten und religiöse Demonstranten. Aus Fukushima
kamen ganze Busladungen und sogar obdachlose Arbeiter aus Osaka, die
als Tagelöhner angeheuert wurden, um atomaren Mist wegzuräumen.
Massendemo am 19. September 2011 |
Polizei hielt den Marsch stundenlang
auf, hielt Tausende auf engstem Raum zusammengesperrt ohne Zugang zu
Wasser oder Toiletten und hofften, dass die Leute aufgäben und
nachhausegingen. Aber die Demonstranten gaben nicht auf.
Eine Katastrophe, die immer größer
wird
Monate sind vergangen seit der großen
Katastrophe. Warum sind die Leute böse?
Die Situation in Fukushima ist immer
noch kritisch. Die Reaktoren liegen immer noch offen da und TEPCO
pumpt weiterhin Wasser direkt auf die Brennstäbe, das verdampft und
an die Luft Radioaktivität abgiebt. Es ist immer noch kein
geschlossenes Kühlsystem installiert worden.
Die Strahlung hat das Wasser, die Luft
und die Nahrung verseucht. Kinder, die besonders anfällig für
Strahlung sind, essen verseuchte Nahrung in den Schulen von
Fukushima. Was hat die Regierung getan? Sie hat für Kinder das
Strahlungsniveau heraufgesetzt!
Die Strahlung hat bei 45% der Kinder
in dem 20 km Evakuierungs-Umkreises gefährliche Ausmaße angenommen.
Beinahe 10% zeigen bereits Anzeichen von
Thyreoidal-Unregelmäßigkeiten, was das Krebsrisiko erhöht.
Gewerkschaften und Eltern in Fukushima und anderswo sagen den
Schulvorstehern und Erziehungsbehörden wütend ihre Meinung.
Die Leute sind wütend, weil die
Regierungsbehörden atomare Sicherheit versprachen und logen. Sie
akzeptierten überholte Werke und verheimlichten
Sicherheits-Übertretungen, hielten Informationen über die
Kernschmelze viele Tage lang zurück, haben die Evakuierung schlecht
durchgeführt und ignorieren immer noch die Sicherheit und die
Wohlfahrt der Menschen. Die Leute beginnen zu begreifen, dass die
Situation schlimmer war und ist, als die Regierung zugeben will.
Laut Naoto Kan, dem damaligen Premier,
wollte Tepco mitten in der Kernschmelze einfach aufgeben, was er aber
verboten hat. Stattdessen entwarf die Regierung für den schlimmsten
Fall Evakuierungspläne für die 30 Millionen des gesamten Gebietes
von Tokyo. Kan gab zu, dass in einem solchen Szenario Japan aufgehört
hätte, als Staat zu funktionieren.
Bevor Kan zurücktrat, hat er noch
rasch ein Gesetz durchgebracht, das die Entwicklung von erneuerbaren
Energien fördern soll. Aber der jetzige Premier Yoshihiko Noda hat
seine Abgesicht angekündigt, der Atomindustrie unter die Arme zu
greifen und Japans Reaktoren wieder in Gang zu bringen.
Heute leben 34 % aller Familien wegen
der Evakuierung immer noch getrennt. Es gibt keine genauen
Statistiken, weil viele Leute in aller Eile aufgebrochen sind, ohne
sich bei den Behörden zu registrieren. Konservative Schätzungen
sprechen von 55 000 Menschen, die in anderen Präfekturen leben und
über 100 000 Menschen in anderen Teilen von Fukushima, die nicht mehr
in ihre Häuser zurückkehren wollen.
Die Notunterkünfte, die gleich nach
der Katastrophe geschaffen wurden, sind im wesentlichen im Juni
geräumt worden. Der Winter naht und viele Leute, auch alte, leben
jetzt in Wohnwagen ohne Gas und Heizung – eine unmögliche, unangemessene und
vorübergehende Lösung.
Wut auf die Atom-Maschinerie
Am 19. September-Demo war die bisher größte in einer Serie von Aktionen gegen die Atom-Energie, die Japan
erschütterten.
Am 20. März, nur neun Tage nach dem
Tsunami hielten Doro-Chiba und andere militante Gewerkschaften ihre
jährliche anti-Kriegs und anti-Atomwaffen-Versammlung ab mit anschließendem Marsch
durch Tokyos Shibuya Distrikt. Beim Marsch am 31. März am
Tepco-Haupquartier vorbei verhaftete die Polizei Aktivisten der
Zengakuren, der radikalen All-Japan Förderation der Studentenselbstverwaltung, bei der von
Tepco angeheuerte Schläger die Demonstranten angriffen. Am 11. Juni
demonstrierten 10 000 Menschen auf mehreren Demos in Tokyo, und auch
anderswo, wie in Osaka in Westjapan, gab es Demonstrationen, die von
vielen Gewerkschaftern unterstützt wurden.
Am 11. September, sechs Monate nach dem Unfall, demonstrierten 10 000 politische und
gewerkschaftliche Aktivisten gegen Atomenergie und die Polizei
verhaftete mehrere. Die gesamte Zahl der Versammlungen, Streiks und
Demos, die seit dem 11. März 2011 in Japan stattgefunden haben,
läßt sich überhaupt nicht schätzen. Zum Beispiel gab es auch
kürzlich einen Streik von Eisenbahnern, die sich weigerten, mit
Zügen durch radioaktiv verseuchte Gebiete zu fahren. Und nun will
man 10 Millionen Unterschriften sammeln mit der Forderung, die
Atomenergie zu beenden. Die sollen nächstes Jahr (2012) der
Regierung übergeben werden.
Die Gewerkschaften treten auf den Plan
Entscheidend für die Massendemo am
19. September war die Billigung und Unterstützung der
Gewerkschaften, einschließlich der großen Gewerkschaften Zenroren
und Zenrokyo, die ihr Gewicht in den Anti-Atom-Kampf einbrachten.
Japan ist ein Land mit sinkenden Löhnen, Schlupflöchern bei
Arbeitsgesetzen, unsichere Anstellungen, gestrichene
Zusatzleistungen, hinausgeschobenen Pensionen, massiver
Privatisierung und zunehmend regressiver Besteuerung. Die Gier der
Unternehmen und die Inkompetenz der Regierung, die zur Vertreibung
von Hunderttausenden führte und die Maßnahmen, die seit dem Unglück
unternommen wurden, das Budget auf dem Rücken der Arbeiter
auszugleichen und an der Atomkraft und ihrem Export festzuhalten,
haben die Mitglieder vieler Gewerkschaften in Rage gebracht, und sie
haben die Führer gezwungen, eine politische Stellung zu beziehen in
der Frage der Atomenergie.
Selbst viele Rengo-Gewerkschaftler
waren auf der Demo. Das ist bedeutsam, weil Rengo Japans größte
Gewerkschaft ist, die auch die AKW-Arbeiter vertritt, und die
für die Regierung und für die Atomenergie eintritt. Anfang Oktober
hat aber Rengo verkündet, dass sie ihre pro-Atomkraft-Linie aufgebe.
Die „Goodbye, Atomkraftwerke!“
Demo ist ein gutes Beispiel, was Gewerkschaften erreichen können,
wenn sie sich darauf konzentrieren, die Arbeiter zu Massenaktionen zu
mobilisieren, statt die Energie der Mitglieder in der Kollaboration
mit der Regierung und den Unternehmen zu verschleissen. Sie markiert
einen großen Schritt vorwärts bei der Ausbreitung und Vertiefung
der anti-Atomkraft-Bewegung – eine Bewegung, die Japan mehr denn je
benötigt.
Feedback an den Gewerkschafter Jason
Combs im Tokyo-Gebiet sailorjay@yahoo.com
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