Donnerstag, 26. Januar 2012

Könnte Ecuador das radikalste und spannendste Land der Welt sein?

Leider hat Jayati Gosh einige sehr unschöne Flecken auf dem Bild von Rafael Correa übersehen. Er war mit einem sehr progressiven Programm angetreten. Gewählt wurde er vor allem durch die enorme Unterstützung der indigenen Bevölkerung, die erstmals in der Geschichte des Landes an der Regierung beteiligt werden sollte. Das Versprechen löste er ein, aber nicht sehr lange. Inzwischen hat er auch die letzte indigene Ministerin mit sehr zweideutigen Methoden aus dem Amt vertrieben (siehe hier). Und anstelle von Yasuni (siehe unten) will er jetzt andere Teile des Urwalds von Erdölschweinen versauen lassen. Obendrein ist er für ein riesiges Gold-Gewinnungsprojekt hoch oben in den Anden, das eine große Gefahr für das einzigartige Biotop in solchen Höhen bedeuten würde. Die einheimische Bevölkerung wehrt sich verzweifelt dagegen, doch lässt man sie kaum zu Wort kommen. Riesige Demos im ganzen Land wurden brutal unterdrückt. Da demnächst Wahlen anstehen, bleibt zu hoffen, dass er sich daran erinnert, wer ihn an die Macht gebracht hat.

Von Jayati Gosh

am 19. Januar 2012

Rafael Correa's Beliebtheit liegt bei über 70%

Ecuador muss jetzt der spannendste Platz auf Erden sein, in Bezug auf das Bestreben, ein Musterbeispiel für eine neue Entwicklung zu werden. Es zeigt, wieviel mit politischem Willen erreicht werden kann, selbst in unsicheren wirtschaftlichen Zeiten.

Noch vor 10 Jahren war Ecuador mehr oder weniger ein hoffnungsloser Fall, im Grunde eine „Bananen-Republik“ (es ist zufällig der größte Bananen-Exporteur der Welt), charakterisiert durch politische Instabilität, Ungleichheit, eine schlecht funktionierende Wirtschaft und eine ständige Einmischung der USA in seine inneren Angelegenheiten.

Im Jahr 2000 hat die Regierung als Antwort auf eine Hyperinflation und Zahlungsprobleme seine Wirtschaft 'dollarisiert', d. h. den Sucre durch den Dollar ersetzt. Das stoppte die Inflation, aber auf die zentralen ökonomischen Probleme hatte es keinen Einfluss und es schränkte den heimischen politischen Spielraum noch mehr ein.

Ein entscheidender Wendepunkt trat mit der Wahl des Ökonomen Rafael Correa zum Präsidenten ein. Nach seinem Regierungsantritt 2007 verwirklichte seine Regierung eine Serie von Veränderungen auf Basis einer neuen Verfassung (die 20. des Landes wurde 2008 gebilligt), die durch eine Volksbefragung zustandekam. Ein Kennzeichen der vollbrachten Veränderungen ist, dass wichtige politische Entscheidungen einem Referendum unterworfen wurden. Das hat der Regierung die politische Möglichkeit gegeben, gegen starke Interessen und mächtige Lobbies anzugehen.

Ecuador (links) mit hellgrünem Yasuni-Reservat
Die jetzige Regierung ist die stabilste in der jüngsten, unruhigen Geschichte des Landes und wird bald am längsten im Amt sein. Der Beliebtheitsgrad von Rafael Correa liegt bei über 70%. Dank der Neuorientierung der Regierungsarbeit, die durch eine Verfassung ermöglicht wurde, die sich durch die Anerkennung der Menschen- und Natur-Rechte sowie der Akzeptanz von Pluralität und kultureller Vielfalt auszeichnet.

Man denke nur an einige ökonomische Veränderungen, die in den vergangenen vier Jahren durchgesetzt wurden, angefangen bei der Neuverhandlung der Erdölverträge mit den Multis. Ecuador ist ein Erölexporteur, aber hat sehr wenig davon gehabt, weil der größte Teil der Gewinne an die ausländischen Gesellschaften ging. Ein neues Gesetz 2010 änderte die Bedingungen dramatisch, wodurch der Anteil der Regierung von 13% auf 87% anstieg.

Sieben von 16 Erdölgesellschaften beschlossen, sich zurückzuziehen, und deren Felder wurden von staatlichen Gesellschaften übernommen. Aber die übrigen blieben und dadurch sind die Staatseinnahmen 2011 um 870 Millionen $ gestiegen.

Zweitens, vielleicht noch beeindruckender, ist es der Regierung gelungen, die direkten Steuereinnahmen dramatisch zu erhöhen. Das ist sogar noch wichtiger als die Einnahmen aus dem Erdöl gewesen. Direkte Steuern (vor allem Unternehmenssteuern) wuchsen von 35% im Jahr 2006 auf mehr als 40% im Jahr 2011. Hauptsächlich durch bessere Eintreibung, nachdem die Kungelei zwischen dem big business und der Steuerverwaltung abgestellt wurde.

Drittens wurde diese vermehrten Regierungseinnahmen nutzbringend in Infrastruktur investiert und in soziale Ausgaben. Ecuador hat jetzt den höchsten Anteil vom Bruttonationalprodukt für öffentliche Investitionen in Lateinamerika und der Karibik. Außerdem haben sich die Sozialausgaben seit 2006 verdoppelt. Das hat einen echten Fortschritt gebracht in Richtung der verfassungsmäßigen Ziele mit freier Erziehung auf allen Ebenen und Zugang zu freier Krankenversorgung für alle Bürger. Bedeutende Zunahme im öffentlichen Wohnungsbau ist der verfassungsmäßigen Festlegung des Rechts aller Bürger auf würdige Unterbringung mit angemessenem Standard gefolgt.

Es gibt noch zahlreiche andere Maßnahmen: Ausweitung der direkten öffentlichen Anstellung; die Erhöhung der Minimallöhne und die gesetzliche Durchsetzung von Sozialversicherungsvorsorge für alle Arbeiter; Diversifizierung der Wirtschaft, um die Abhängigkeit von Erdölexporten zu verringern, und Streuung der Handelspartner, um die Abhängigkeit von den USA zu reduzieren; Ausweitung der Operationen der öffentlichen Banken zugunsten von kleinen und mittleren Unternehmen; Wirtschaftsprüfung der Auslandsschulden, um die Schuldendienstzahlungen zu reduzieren; und die Einstellung ungerechter bilateraler Investitionsabkommen. Auch die Reform der Justiz wurde in Angriff genommen.
Bewohner des Yasuni Biosphären-Reservats
Eine spannende Initiative ist das Yasuni Biosphären-Reservat [Das unglaublich schön sein muss - mehr Information auf Wiki und schaut euch auf Google unter Sichwort Yasuni die dazugehörigen Bilder an. D Ü.], vielleicht der erste Versuch in der Welt, die Treibhausgase zu vermindern, indem man das Erdöl im Boden belässt. Dies schützt nicht nur die außerordentliche Biovielfalt des Gebietes, sondern auch das Habitat der indigenen Völker. Dieses Projekt umfasst auch die Nutzung von Öko-Tourismus, um menschliche Aktivitäten in Einklang mit der Natur zu bringen.

All dies klingt zu schön, um wahr zu sein, und natürlich hat der Prozess der Umgestaltung erst begonnen. Konflikte sind vorprogrammiert mit jenen, deren Profite und Macht bedroht wird und mit anderen Hindernissen auf dem Weg. Aber für jene, die glauben, dass wir nicht zu einem düsteren Status quo verurteilt sind, und dass Gesellschaften Dinge auch anders anpacken können, liefert das, was in Ecuador geschieht, Inspiration und Anleitung. Die übrige Welt hat viel zu lernen aus diesem fortlaufenden radikalen Experiment.

Quelle

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