Anhand dieses hervorragenden Artikels von Manuela Picq kann man die Dummheit eines Mannes wie Rafael Correa verfolgen, der auf den Schultern der Indios mit einem progressiven Programm an die Macht gekommen ist. Er hatte erstmals mehrere Indios in die Regierung aufgenommen und einige fortschrittliche Maßnahmen für ihre Rehabilitierung ergriffen. Nun hat er die letzte indigene Vertreterin aus der Regierung geekelt und zu primitiven Mitteln der Verfolgung der indigenen Bevölkerung gegriffen. Ist sich Rafael Correa nicht bewusst, dass man sich in Washington gewiss schon die Hände reibt, weil er dem CIA einen Ansatzpunkt liefert, eine "Befreiungsfront" zu etablieren, um den ersehnten "regime change" durchzuführen?
Zu dem heldenhaften Kampf der Indios gegen die amerikanischen Erdölhaie hat Joe Kane ein wunderbares Buch geschrieben: 'Krieger des Jaguars: ein Indianerstamm verteidigt den Regenwald' (in meiner Übersetzung bei Goldmann noch erhältlich). Dort lagen auch die Ursprünge für den Aufbau der CONAIE, die später zur mächtigsten Indio-Organisation in Ecuador wurde.
von Manuela Picq am 15. November 2011
Ecuador (link), Kolumbien, Venezuela |
Einerseits enthüllt dieses Verfahren gegen ein ehemaliges Kabinettsmitglied das Ausmaß der Verfolgung gegen Oppositionelle der Regierung von Rafael Correa und andererseits beleuchtet es die allmähliche Zulässigkeit der Schikane der indigenen Bevölkerung.
Alvarada, der Ankläger, verlangt drei Jahre Gefängnis und 400 000 $ für „moralischen Schaden“. Chujis Rechtsanwalt, ein anerkannter Experte für Verfassungsrecht, arbeitet mit der Unterstützung der Menschenrechtsorganisation INREDH, und er bezeichnet die Anklage als politisch und bar jeder gesetzlicher Grundlage.
Die Neureichen sind erzürnt
Rafael Correa |
Alvarado ist einer der
mächtigsten Männer in Correas Regierung geworden. Früher arbeitete
er mit Präsident Abdala Bucaram und ist nun mit den mächtigen
Geschäftsleuten an der Küste verbandelt. Er ist für Correas
gesamten Apparat für Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich, eine
Schlüsselposition in einer Verwaltung, in der Image und
Kommunikation zum zentralen Werkzeug des Herrschens wurden. Im
vorigen Jahr ist Alvarado von Korruptionsskandalen verfolgt worden
und das Magazin Vanguardia brachte eine Titelstory über seine
obskuren Geschäfte mit Carondolet.
Als Chuji einem
Journalisten erzählte, dass Alvarado zu den Neureichen gehöre, die
ihren Reichtum unter der gegenwärtigen Verwaltung erlangt haben, gab
sie lediglich wider, was vor ihr schon andere gesagt hatten. Der
Unterschied war die politische Situation, in die sie sich selbst
gebracht hatte.
Chuji war nicht nur von
ihrem Posten als Mitglied des Kabinetts in der Correa-Regierung
zurückgetreten, sondern sie verurteilte auch Correas bevorstehende
Referendum als eine Strategie, um die Gerichtsbarkeit und die Presse
an sich zu reissen. Die Regierung zog das Referendum durch und gewann
knapp, da sich die Ablehnung in den indigenen Provinzen verfestigt
hatte. Chujis öffentliche Bemerkungen waren also nicht gerade
hilfreich gewesen, um es milde auszudrücken.
Die Krux dieses Falles liegt vielleicht nicht in ihrem Interview, sondern in ihrer Legitimität, die Regierungspolitik als ehemaliges Kabinettsmitglied zu kritisieren als auch in ihrer Rolle als indigene Führerin.
Monica Chuji
ist eine Kichwa aus Sarayaku, Sucumbios, im ecuadorianischen
Amazonas. Sie war lange Aktivistin in der CONAIE (Organisation der
Indios), die stärkste soziale Bewegung des Landes, und sie hat an
nationalen Mobilisierungen und internationalen Foren wie dem
Permanenten Forum der UNO für Indigene Völker teilgenommen.
Sie wurde von Correa zum
Minister für Information gemacht und wurde seine Sprecherin, wobei
sich eine enge Beziehung zu ihm entwickelte.
Aber als Correa Militär
einsetzte, um einen Protest gegen die Bohrpraktiken in der
Amazonas-Stadt Dayuma im Dezember 2007 zu unterdrücken, verurteilte
Chuji die Brutalität der Polizei und verlangte eine öffentliche
Untersuchung. Frustriert von den zunehmenden rethorischen Angriffen
gegen die Mobilisierung der Indigenen für kollektive Rechte und
vorherige Zustimmung, verließ sie das Kabinett Correas und schloss
sich 2008 der verfassungs-gebenden Versammlung an.
Sie handelte als
Versammlungsmitglied für die regierende Partei Alianza País im
Ausschuss für Naturressourcen und Biovielfalt mit den
kontroversiellen Verhandlungen über Wasser, Öl und Bergbau. Chuji
verließ die Partei, sobald die Arbeit der Versammlung beendet war –
und andere folgten ihrem Beispiel.
Ihr Rücktrittsgesuch
verurteilte die Praktiken der Regierung der Kriminalisierung,
Kooptierung und Zensur der sozialen Bewegungen, und betonte, dass die
Unmöglichkeit, abweichende Ideen zu äußern, die Demokratie in
Gefahr bringe. Als Correas einziges und letztes indigene
Kabinettsmitglied hat ihr Abgang die Regierung in eine konfliktreiche
Beziehung zur Indigenenbewegung gebracht.
Es könnte schwierig
sein, Chuji der Beleidigung für schuldig zu finden. Sie ist jedoch
ein Symbol von Correas zerbrochener Beziehung zu sozialen Bewegungen
und der Basis, die er zu repräsentieren vorgibt.
Alvarado muss erst noch
dem Gericht am 18. November die Verleumdung und den moralischen
Schaden beweisen. Frivole Prozesse mit Behauptungen, die unzureichend
sind und keine zugrundeliegende Rechtfertigung in Fakten haben,
werden selten geführt, um zu gewinnen. Das Ziel ist vielmehr, auf
die Angeklagte Druck auszuüben: durch Einschüchterung zum Schweigen
bringen und die Last von Gerichtsverfahren. Das genau ist Correas
Strategie in seinem Umgang mit der Opposition gewesen.
Es finden gegenwärtig
mehr als 200 Prozesse dieser Art gegen Aktivisten statt, die gegen
die Regierungspolitik sind. Diese Prozesse, betont Chuji, sollten als
politische Vergeltung angesehen werden; als bloße Drohung im
größeren politischen Zusammenhang ständiger Schikane und Zensur
gegen die Stimmen der Opposition durch die Verwaltung.
Politische Vergeltung mag
sich anbieten, wenn man an den gegenwärtigen Abbau der Autonomie der
Judikative denkt. Das Referendum vom 7. Mai gab Correa die
Möglichkeit, den Justizapparat umzugestalten. Eine Kommission wurde
von der Regierung eingesetzt, und begann mit der Umstrukturierung der
Justiz im Juli; sie wird in den kommenden 18 Monaten 8000 Angestellte
prüfen. Nur diejenigen, den den Prüfungsstandards genügen, werden
ihre Position behalten.
In der ersten
Arbeitswoche der Kommission wurden 48 Richter gefeuert – ein nur
allzu bekannter Trend, wo Präsidenten durch Gerichte regieren.
Der Verleumdungsfall
gegen Chuji enthüllt noch viel mehr als Ressentiment wegen der
angeblichen Beschimpfung. Dieser Fall ist symptomatisch für die
zunehmend autoritären Praktiken der ecuadorianischen Regierung und
den gefährlichen Verlust der Justiz-Autonomie.
Chuji war eine von
Correas engsten Kabinettmitgliedern und diese Anklage illustriert
den Willen der Regierung, oppositionelle Ansichten zu verfolgen,
selbst wenn sie von den eigenen Mitgliedern kommen.
Obendrein fällt der Fall
in den Schnittpunkt der zweispurigen Strategie der Regierung,
politische Oppositon zu unterminieren. An einer Front hat Correas
Verwaltung die Medien aufs Korn genommen, wodurch er Furcht erzeugte
und Selbstzensur förderte, um die Entstehung von politischen
Alternativen zu verhindern. Journalisten sind wiederholt schikaniert
und angegriffen worden und auch Prozesse wurden benutzt, um
Opposition in den Medien zu bestrafen; der sichtbarste Fall war der
gegen die Zeitung El Universo.
An der zweiten Front hat
Correas Regierung hart daran gearbeitet, indigene abweichende
Meinungen zu schwächen.
Die indigene Bewegung hat
in Ecuador die größte Mobilisierungsfähigkeit, einen historischen
Rekord beim Sturz von Regierungen und die Fähigkeit, über erwartete
(i. e. kontrollierbare) politische Sphären hinaus zu organisieren,
ist jedoch auch verletzlicher durch seine Klassenhierarchie in ihrer
Zusammensetzung – Grasswurzelebene, Landbevölkerung und
überwiegend arm.
In diesem Sinn kann
Correa eine unverhältnismäßige Menge an gerichtlicher Repression
gegen indigene Aktivisten einsetzen, was wenig Empörung hervorruft
und politisch nicht teuer ist. In einer Gesellschaft mit rassischen
Schranken ist Unterdrückung indigener Opposition tragbar – wenn
nicht statthaft.
Was nach einem
lächerlichen Prozess im juristischen Sinn aussieht, könnte Chuji
zwingen, politisches Asyl zu suchen. Aber das muss nicht so sein.
Correa ist nicht nur ein gewievter Politiker, sondern hat auch
niemanden, der gegen ihn antreten könnte.
Da indigener Widerspruch
überall an Kraft zunimmt, könnte Präsident Correa erwägen, seine
Beziehung zu den legitimen sozialen Bewegungen aufzufrischen, um
seine politische Erbschaft in Richtung mehr demokratischer
Qualifikationen auszurichten. Nicht, weil es das Richtige wäre (und
das ist es), sondern weil es der effektivste Weg wäre, an der Macht
zu bleiben.
Originalartikel liegt hier.
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