Ian Angus & Simon Butler
am 31. Oktober 2011
Die Vereinten Nationen sagen, dass die Welt-Bevölkerung in diesem Monat 7 Milliarden erreichen wird.
Der Umgang mit diesem Meilenstein hat eine Welle von Artikeln und Meinungen erzeugt, die die Umweltkrise der Welt auf die Überbevölkerung schieben. In New York auf dem Times Square erklärt ein riesiges und teures Video, dass „die menschliche Überbevölkerung die Auslöschung der Arten vorantreibt“. In den belebtesten U-Bahnstationen Londons warnen elektronische Plakatwände, dass 7 Milliarden ökologisch nicht nachhaltig sind“.
1968 erklärte der Bestseller von Paul Ehrlich „Die Bevölkerungsbombe“, dass als Ergebnis der Überbevölkerung „die Schlacht zur Fütterung der Menschheit gelaufen ist“ und dass die 70er Jahre eine Zeit globaler Hungersnöte und ständig steigender Todesraten sein würden. Seine Voraussagen waren alle falsch, aber vier Jahrzehnte danach benutzen seine Nachfolger immer noch den Satz von Ehrlich – zu viele Menschen! - um die Umweltprobleme zu erklären.
Aber die meisten der 7 Mrd. gefährden nicht die Erde. Die Mehrheit der Weltbevölkerung zerstört nicht die Wälder, löscht nicht die Arten aus oder gefährdet sie, verschmutzt nicht die Flüsse und die Ozeane und verursachen praktisch keine Treibhausgase.
Selbst in den reichen Ländern des globalen Nordens werden die meisten Umweltzerstörungen nicht von Individuen oder Haushalten verursacht, sondern durch Fabriken, Bergwerke und Kraftwerke, die von großen Unternehmen betrieben werden, die sich mehr um Profit als um das Überleben der Menschen kümmern.
Keine Verminderung der US-Bevölkerung würde die BP daran gehindert haben, den Golf von Mexiko im vergangenen Jahr zu verseuchen.
Geringere Geburtsraten würden nicht die Schließung von Kanadas Teersand-Verarbeitung bewirken, die Bill McKibben das gigantischste Verbrechen nennt, das die Welt je gesehen hat.
Universaler Zugang zur Geburtenkontrolle sollte ein grundlegendes Menschenrecht sein – aber es würde nicht die massive Zerstörung des Ökosystems im Niger-Delta durch die Shell verhindert haben oder den unmessbaren Schaden, den Chevron in den Regenwäldern Ekuadors angerichtet hat.
Während die Populationsgruppen ihr Augenmerk auf die 7 Milliarden Menschen richten, haben die Protestgruppen der 'Besetzt-Bewegung' in der Welt die wahre Quelle der Umweltzerstörung entdeckt: nicht die 7 Mrd. sondern die 1%, eine Handvoll von Millionären und Milliardären, die mehr besitzen, mehr verbrauchen, mehr kontrollieren und zerstören als der Rest von uns zusammen.
In den USA besitzt die reichsten 1 % die Mehrzahl aller Aktien und des Eigenkapitals der Multis, was ihnen die absolute Kontrolle über die Gesellschaften verleiht, die direkt für die meiste Umweltzerstörung verantwortlich sind.
Ein neuer Report von der britischen Konsultingfirma Trucost für die Vereinten Nationen fand heraus, dass nur 3000 Multis einen Umweltschaden von jährlich 2.15 Billionen (= 1000 Milliarden) verursachen. So empörend, wie diese Zahl ist – nur sechs Länder haben ein Bruttonationalprodukt, das größer als 2.15 Billionen ist – unterschätzt sie erheblich den Schaden, weil die Kosten ausgeschlossen sind, die entstehen können aus „Ereignissen mit potentiell starken Auswirkungen beim Kollaps von Fisch- und Ökosystemen“ und „externe Kosten, die durch Benutzung und Entsorgung entstehen sowie die Verwendung von Naturresourcen durch die Multis, die durch ihre Operationen und Lieferanten weitere Schadstoffe abgeben“.
Im Fall der Ölgesellschaften deckt diese Zahl nur „normale Operationen“ ab, aber nicht Tod und Zerstörung, die durch die globale Erwärmung entstehen, und Schäden, die durch die weltweite Benutzung ihrer Produkte entstehen, nicht die Multi-Milliarden-Dollar-Kosten für die Beseitigung der Erdölaustritte.
Der wirkliche Schaden, den diese Multis verursachen, ist viel größer als diese 2.15 Billionen, in jeden Jahr.
Die 1% kontrollieren auch die Regierungen, die angeblich diese destruktiven Multis überwachen. Die Millionäre machen 46% des US-Unterhauses aus und 54 von den 100 Senatoren und jeden Präsidenten seit Eisenhower.
Durch die Regierung kontrollieren die 1% das US- Militär, den größen Konsumenten von Erdöl in der Welt und damit den größten Produzenten von Treibhausgasen. Militärische Operationen produzieren mehr gefährlichen Abfall als die fünf größten chemischen Unternehmen zusammen. Mehr als 10% der kostenintensivsten Sondermüllplätze liegen auf US-Basen.
Jene, die glauben, dass die Reduzierung des Bevölkerungswachstums die Umweltzerstörung stoppen wird, ignorieren diese wirklichen und unmittelbaren Bedrohungen des Lebens auf unserem Planeten. Multis und Armeen verschmutzen nicht die Welt und zerstören Öko-Systeme, weil es zu viele Menschen gibt, sondern weil es profitabel ist.
Wenn die Geburtenrate in Irak oder Afghanistan auf Null fällt, wird die US-Armee deswegen nicht einen Liter weniger Treibstoff verbrauchen.
Kritiker des 'zu viele Menschen'-Argumentes werden oft angeklagt zu glauben, dass es keine Grenzen des Wachstums gäbe. In unserem Fall ist das einfach nicht wahr. Was wir sagen, ist nur, dass in einer ökologisch rationalen und sozial gerechten Welt, in der große Familien keine ökonomische Notwendigkeit für hunderte Millionen Menschen sind, sich die Bevölkerung stabilisieren wird. Mit den Worten von Betsy Hartmann: „Die beste Bevölkerungspolitik ist es, sich auf die Verbesserung der menschlichen Wohlfahrt in allen ihren Facetten zu konzentrieren. Kümmert euch um die Bevölkerung und das Wachstum der Bevölkerung wird sinken.“
Die vielfältigen Umweltkrisen der Welt erfordern schnelle und entschiedene Handlung, aber wir können nicht effektiv handeln, wenn wir nicht verstehen, warum sie geschehen. Wenn wir die falsche Diagnose der Krankheit stellen, werden wir im besten Fall wertvolle Zeit verschwenden mit nutzlosen Kuren; im schlimmsten Fall verschlimmern wir sie.
Das 'zu viele Menschen' Argument lenkt die Aufmerksamkeit und die Anstrengungen von ernsthaften Aktivisten auf Programme, die keine besondere Wirkung haben. Gleichzeitig werden die Anstrengungen geschwächt, eine effektive globale Bewegung aufzubauen gegen die ökologische Zerstörung: Unsere Kräfte werden zersplittert, wenn wir die Hauptopfer der Krise für Probleme tadeln, die sie nicht verursachen.
Aber vor allem wird die massiv destruktive Rolle eines irrationalen ökonomischen und sozialen Systems ignoriert, das grobe Verschwendung und Verwüstung in seinem DNA eingebaut hat. Das kapitalistische System und die Macht der 1%, nicht der Umfang der Bevölkerung, sind die Wurzel der heutigen ökologischen Krise.
Wie der Pionier-Ökologe Barry Commoner einst sagte: „Die Verschmutzung beginnt nicht im Schlafzimmer der Familie, sondern an den Vorstandstischen der Multis.“
Ian Angus und Simon Butler haben gemeinsam das Buch „Too Many People? Population, Immigration, and the Environment Crisis“ verfasst.
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