Sonntag, 27. Mai 2012

Die Politik der Sprache und die Sprache der politischen Regression (1. Teil)


Dies ist ein langer Artikel von Petras, der manchem vielleicht nichts Neues sagt, aber in unseren Zeiten der Gehirnwäsche kann es nicht oft genug gesagt werden. Aber es auf einen Rutsch zu übersetzen, schaffe ich nicht. Deshalb werde ich morgen den 2. Teil nachliefern.


James Petras

24. Mai 2012


Der Kapitalismus und seine Verteidiger bewahren die Herrschaft durch die ihnen zur Verfügung stehenden „materiellen Ressourcen“, insbesondere den Staatsapparat, und ihre produktiven, finanziellen und kommerziellen Unternehmen und auch durch die Manipulation des Bewusstseins des Volkes via Ideologen, Journalisten, Akademiker und Publizisten, die Argumente und die Sprache bereitstellen, um die Themen des Tages zu gestalten.
Heute haben sich die materiellen Bedingungen der großen Mehrheit der arbeitenden Bevölkerung stark verschlechtert, da die Kapitalistenklasse die gesamte Last der Krise und die Rückgewinnung ihrer Profite auf den Rücken der Lohn und Gehalt beziehenden Klassen gewälzt hat. Einer der verblüffenden Aspekte dieses Zurückschraubens des Lebensstandards ist die Abwesenheit größerer sozialer Unruhen bisher. Griechenland und Spanien mit über 50% Arbeitslosigkeit der 16-24-jährigen und beinahe 25% der allgemeinen Arbeitslosigkeit haben ein Dutzend General-Streiks erlebt und zahlreiche nationale Proteste mit vielen Millionen Teilnehmern; aber dies konnte nicht eine echte Veränderung des Regimes oder der Politik bewirken. Die Massenentlassungen, die schmerzhaften Lohn-, Gehalt-, Pensions- und Sozialkürzungen gehen weiter. In anderen Ländern wie Italien, Frankreich und England finden Proteste und Unzufriedenheit auf der Wahlebene statt, wobei die Machthabenden abgewählt und durch die traditionelle Opposition ersetzt werden. Doch in dem ganzen sozialen Tumult und der tiefen sozio-ökonomische Erosion der Lebens- und Arbeitsbedingungen ist die herrschende Ideologie zur Informierung der Bewegungen, der Gewerkschaften und der politischen Opposition reformistisch: Es ergehen Aufrufe, die bestehenden sozialen Leistungen zu verteidigen, die öffentlichen Ausgaben und Investitionen zu erhöhen und die Rolle des Staates auszuweiten, wo die Aktivitäten des privaten Sektors versagten zu investieren oder anzustellen. Mit anderen Worten, die Linke schlägt vor, eine Vergangenheit zu bewahren, wo der Kapitalismus vor den Wohlfahrtsstaat geschirrt war.
Das Problem ist, dass dieser „Kapitalismus der Vergangenheit“ verschwunden ist und ein neuer, bösartigerer und unversöhnlicherer Kapitalismus aufgetaucht ist, der einen neuen weltweiten Rahmen schafft und einen mächtigen, fest verwurzelten Staatsapparat, immun gegen alle Forderungen nach „Reformen“ und Neuorientierung. Die Verwirrung, Frustration und Irreführung der Massenopposition des Volkes ist zum Teil der Übernahme der Konzepte und Sprache der kapitalistischen Gegner durch linke Schriftsteller, Journalisten und Akademiker geschuldet: Eine Sprache, darauf abgesehen, die wahren sozialen Beziehungen der brutalen Ausbeutung zu verwischen, die zentrale Rolle der herrschenden Klasse bei der Rückgängigmachung sozialer Gewinne und die engen Bindungen der Kapitalistenklasse mit dem Staat. Kapitalistische Publizisten, Akademiker und Journalisten haben eine ganze Litanei von Konzepten und Begriffen ausgearbeitet, mit der die kapitalistische Herrschaft aufrechterhalten und seine Kritiker und Opfer von den Verursachern ihres steilen Absturzes in die Massenverarmung abgelenkt werden.
Selbst wenn sie ihre Kritik und Anklagen formulieren, benutzen die Kritiker des Kapitalismus die Sprache und Konzepte seiner Apologeten. Sobald die Sprache des Kapitalismus der Umgangssprache der Linken einverleibt ist, hat die Klasse der Kapitalisten die Hegemonie oder Herrschaft über ihre früheren Gegner gewonnen. Schlimmer, die Linke, indem sie einige der grundlegenden Konzepte des Kapitalismus mit scharfer Kritik verbindet, schafft die Illusionen über die Möglichkeit der Reformierung „des Marktes“ zum Wohle des Volkes. Dies verhindert, die sozialen Hauptkräfte zu identifizieren, die von den Kommandobrücken der Wirtschaft vertrieben werden müssen sowie den Imperativ, den klassenbeherrschten Staat aufzulösen. Während die Linke die kapitalistische Krise und die staatlichen Rettungspakete verurteilt, unterminiert ihre Denkarmut die Entwicklung politischer Massenaktion. In diesem Kontext wird die „Sprache“ der Vernebelung eine „materielle Kraft“ resp. ein Vehikel der kapitalistischen Macht, dessen Hauptaufgabe es ist, ihre anti- kapitalistischen und Arbeitergegner zu desorientieren und zu entwaffnen. Sie tut es, indem sie die intellektuellen Kritiker kooptiert durch Benutzung der Begriffe, des konzeptuellen Rahmens und der Sprache, von denen die Diskussion der kapitalistischen Krise beherrscht wird.
Schlüsseleuphemismen im Dienst der Kapitalistenoffensive


Euphemismus hat eine doppelte Bedeutung: Was Begriffe suggerieren und was sie wirklich bedeuten. Euphemistische Konzeptionen unter dem Kapitalismus suggerieren eine günstige Realität oder akzeptables Verhalten und Aktivität, die nichts mit der Vergrößerung des Reichtums der Elite und der Konzentration der Macht und Privilegien zu tun hat. Euphemismen verhüllen den Drang der Machteliten, klassenspezifische Maßnahmen durchzusetzen und zu unterdrücken, ohne dass sie ordentlich identifiziert, verantwortlich gemacht und durch Massenaktionen des Volkes bekämpft werden.
Der gängigste Euphemismus ist der Begriff „Markt“, der mit menschlichen Charakteristika und Macht ausgestattet ist. Als solcher wird uns erzählt, dass „der Markt  Lohnkürzung verlangt“, völlig abgelöst von der Kapitalistenklasse. Märkte, der Austausch von Waren oder das Kaufen und Verkaufen von Gütern haben seit Jahrtausenden in verschiedenen sozialen Systemen in sehr unterschiedlichen Zusammenhängen existiert. Sie sind global, national, regional und lokal gewesen. Sie umfassen verschiedene sozio-ökonomische Akteure und sehr unterschiedliche ökonomische Einheiten, die von riesigen staatlich geförderten Handelshäusern bis zur semi-Subsistenzwirtschaft und Bauerndörfern und Marktflecken reichen. „Märkte“ existierten in allen komplexen Gesellschaften: der Sklaven-, Feudal- und der Merkantilgesellschaft und den frühen und späten Konkurrenz- und Monopol-Industrie- und Finanz-Kapitalismus-Gesellschaften
Wenn man „Märkte“ diskutiert und analysiert und den Transaktionen einen Sinn geben will (wer gewinnt und wer verliert), dann muss man deutlich die wichtigsten sozialen Klassen identifizieren, die diese ökonomischen Transaktionen beherrschen. Im allgemeinen über „Märkte“ zu schreiben ist betrügerisch, weil Märkte nicht unabhängig von sozialen Relationen existieren, die bestimmt werden von dem, was produziert und verkauft wird, wie es produziert wird und welche Klassenkonfiguration das Verhalten der Produzenten, Verkäufer und der Arbeit bestimmt. Die heutige Marktrealität wird von gigantischen multi-nationalen Banken und Unternehmen definiert, die die Arbeits- und Warenmärkte beherrschen. Von „Märkten“ zu schreiben, als ob sie in einer Sphäre über und jenseits der brutalen Klassenungleichheiten operierten, heisst das Wesen der zeigenössischen Klassenrelationen zu verbergen.
Grundlegend für jedwedes Verständnis, aber in der zeitgenössischen Diskussion außer Acht gelassen, ist die uneingeschränkte Macht der kapitalistischen Besitzer der Produktions- und Verteilermittel, das kapitalistische Eigentum an der Reklame, die kapitalistischen Banker, die Kredite geben oder verweigern und die von Kapitalisten ernannten Staatsbeamten, die Börsen-Beziehungen „regulieren“ oder entregulieren. Die Ergebnisse ihrer Politik werden euphemistisch den „Markt“-Forderungen zugeschrieben, der von der brutalen Realität getennt zu sein scheint.
Deshalb, wie die Propagandisten implizieren, gegen den „Markt“ anzugehen, heisst sich dem Austausch der Waren zu widersetzen: Das ist offenbarer Unsinn. Im Gegenteil, die kapitalistischen Anforderungen an die Arbeit, einschließlich Reduzierung der Löhne, Wohlfahrt und Sicherheit, zu identifizieren, heisst eine spezifische ausbeuterische Form des Marktverhaltens zu konfrontieren, wo Kapitalisten versuchen, höhere Profite zu machen gegen die Interessen und das Wohlergehen der Mehrheit der Lohn- und Gehaltempfänger.
Indem man die ausbeuterischen Marktbeziehungen im Kapitalismus mit Märkten im allgemeinen verbindet, erreichen die Ideologen mehrere Ergebnisse: Sie verhüllen die Hauptrolle der Kapitalisten, indem sie eine Institution mit positiven Begriffsinhalten verknüpfen, d. h. einen „Markt“, wo Leute Waren erwerben und sich mit Freunden und Bekannten „treffen“. Mit anderen Worten, wenn „der Markt“, der als ein Freund und Wohltäter der Gesellschaft dargestellt wird, eine schmerzhafte Politik erzwingt, dann ist es sicher zum Wohle der Gemeinschaft. Zumindest ist es das, was die Geschäftspropagandisten die Öffentlichkeit glauben machen wollen, indem sie das tugendhafte Bild vom „Markt“ zeichnen; sie verhüllen das räuberische Verhalten des Kapitals bei der Jagd nach größeren Profiten.
Einer der gewöhnlichsten Euphemismen, die mitten in der Wirtschaftskrise angeführt wird, ist „Enthaltsamkeit“, ein Begriff, der zur Vernebelung der herben Realitäten von drakonischen Kürzungen von Löhnen, Gehältern, Pensionen und öffentlicher Wohlfahrt und dem steilen Ansteigen der regressiven Steuern benutzt wird. „Enthaltsamkeit“ bemisst eine gemeine Politik, staatliche Zuschüsse zum Schutz und sogar Vermehrung für das big business und schafft höhere Profite für das Kapital und größere Ungleichheit zwischen den 10% an der Spitze und den unteren 90%. „Enthaltsamkeit“ impliziert Selbst-Disziplin, Einfachheit, Wirtschaftlichkeit, Sparen, Verantwortung, Grenzen für Luxus und Ausgaben, Vermeidung von sofortiger Gratifikation für künftige Sicherheit, - eine Art kollektiver Kalvinismus. Man verbindet damit geteilte Opfer heute für künftige Wohlfahrt aller.
Jedoch in der Praxis beschreibt „Enthaltsamkeit“ eine Politik, die von der Finanzelite entwickelt wurde, um klassenspezifische Kürzungen des Lebensstandards und der Sozialleistungen (für Gesundheit und Erziehung) für die Arbeiter und Angestellten zu erzwingen. Es bedeutet, dass öffentliche Gelder in noch größerem Ausmaß abgezweigt werden können, um hohe Zinsen an reiche Aktienbesitzer zu zahlen, und die Politik den Diktaten der Herren des Finanzkapitals zu unterwerfen.



Quelle - källa - source

4 Kommentare:

  1. "....wo Kapitalisten versuchen, höhere Profite zu machen gegen die Interessen und das Wohlergehen der Mehrheit der Lohn- und Gehaltempfänger..."

    Wer entscheidet, welchr Profit "gerecht" ist?
    Ist nicht jeder Profit - also ein Vorteil des einen gegenüber der anderen - im Grund Diebstahl?
    Und, wenn es absehbar ist, dass sich eine kleine Bande von Megakriminellen mit Hilfe des von Ihnen kontrollierten Geldsystems bald den gesamten Planeten unter den Nagel gerissen haben wird, wie kann man da überhaupt noch über Profit diskutieren, denn er kommt immer nur dem Niemand außerhalb dieses Kreises wird je wieder eine Chance haben, in eine auch nur annährend vergleichbare Situation zu kommen.

    Konsequenz: die Menschheit muss JETZT das Recht auf Profit, auf physischen Besitz, als Sicherheit für den Prozess der Geldschöpfung aufgeben.

    Mehr hier: http://politikprofiler.blogspot.de/

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  2. CORR: "...denn er kommt immer nur dem Niemand außerhalb dieses Kreises..."

    "...denn er kommt immer nur dem Besitzmenschen zugute. Niemand außerhalb dieses Kreises..."

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  4. Jaja der Markt.
    Als Marktfahrer kenne ich das genüssliche beieinander um von den Früchten seiner Arbeit zu leben.

    Die reale Bedeutung des "Marktes" ist natürlich ein "Schlachtfeld mit ungezählten Toten wo ein paar wenige Psychopathen ihren Gewinn ins Trockene bringen, um dann als die geschützten Investoren aufzutreten.

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