Samstag, 7. Februar 2015

Griechenland: ES GIBT NUR EINEN AUSWEG


Offener Brief an Herrn Tsipras, Premier von Griechenland


von Peter Koenig
6. Februar 2015
Aus dem Englischen: Einar Schlereth



Verehrter Herr Tsipras,


lassen Sie mich zuerst Ihnen gratulieren zum Wahlsieg am 25. Januar 2015. Und auch Gratulation, dass Sie die Troika als eine Ihrer ersten Amtshandlungen entlassen haben. Gut gemacht!

Es ist ermutigend zu sehen, dass die Mehrheit der griechischen Wähler wagt, für einen Wechsel aus dem nicht endenwollenden Elend zu stimmen, das von der elenden Troika erzwungen wurde - EZB, EC und IWF. Das griechische Volk hat Sie mit der schweren Aufgabe betraut, Griechenland aus dem Morast zu ziehen, in den es - völlig ungerechtfertigt - von der berüchtigten Troika gestoßen wurde.

Herr Tsipras, Ihre Regierung wurde zu dem Glauben verführt, dass Griechenlands Schulden unüberwindlich seien und Europa in einen Abgrund reißen könnten. Stattdessen sollte Ihr Land von der Wall Street und ihren europäischen Alliierten, den 'too-big-to-fail'-Bankstern geplündert werden. Natürlich mit dem heimlichen Einverständnis Ihrer neoliberalen Vorgänger, von denen einige mit einem der größten Wall Street Gangster verbunden waren, mit Goldman Sachs. Tatsächlich ist auch der Präsident der Europäischen Zentralbank mit dieser kriminellen finanziellen Institution verbunden gewesen. Mit anderen worten wird das EU-Finanzsystem heute von dem verlängerten Arm von Goldman Sachs und seinen Washingtoner Herren geführt.
Der Neoliberalismus ist eine mörderische Pest. Er überzieht mit der Geschwindigkeit eines Buschfeuers die gesamte westliche Welt. Was ihn noch diabolischer macht, ist die Tatsache, dass er fast die gesamten westlichen Medien kontrolliert. Neunzig Prozent der Nachrichten, die wir erhalten, werden von sechs gigantischen anglo-sächsischen Medien-Konglomeraten kontrolliert. Sie tischen täglich verachtenswerte Propaganda auf - Lügen über Lügen und noch mehr hässliche Lügen. Sie waschen die Gehirne der Menschen in der Weise, dass sie glauben, was es nicht gibt.

Sie machten Europa glauben, dass Griechenland mit nur 2 % des BNP der Eurozone und mit 109 % Schulden des BNP 2009 eine Gefahr für Europa sei. Wenn Europa überleben wollte, müsste Griechenland "gerettet" werden - und zwar mit hunderten Milliarden Euros neuer Schulden!

Die griechischen Schulden wären ohne weiteres hantierbar gewesen ohne äußere Einmischung. Man vergleiche es mit gegenwärtigen US-Schuldenlast von 105 % und mit 'langfristigen unbefriedigten Verpflichtungen' (5 Jahre) von 128 Billionen US $, mehr als das siebenfache ihres BNP; Schulden, die niemals zurückgezahlt werden, sondern überwiegend absorbiert werden von ausländischen Nationen, die Dollar-Reserven halten - so lange der Dollar die wichtigste Reserve-Währung der Welt ist.

Und da hat die schändliche Troika, der verlängerte Arm Washingtons zugeschlagen. Sie beschloss, dass Griechenland über 300 Mrd. € in verschiedenen Tranchen über etwa 4 Jahre hinweg brauchen würde. Sie erzwang ihre üblichen drakonischen Bedingungen. Ihre neoliberalen Vorgänger spielten mit. Griechenland musste seine Bevölkerung mit schweren 'Spar'-Programmen strafen. In Wirklichkeit ist das 'Einsparen' ein bloßer Euphemismus für das Elend, das die griechische Regierung ihrem Volk aufzwang; Privatisierung öffentlichen Eigentums, Reduzierung öffentlicher Dienstleistungen, Gesundheits- und Erziehungs-Leistungen, Pensionen, Mindestlöhne, Entlassung Staatsangestellter - eine Erhöhung der Arbeitslosigkeit von 10 % auf beinahe 30 % und 60 % bei jungen Menschen, wie Sie sehr gut wissen, Herr Tsipras, was regelrechten Hunger und manchmal den Tod durch pure Not verursachte.

Die EZB wollte nicht direkt an Griechenland zu günstigen Interbank-Zinsraten ausleihen, wie es Zentralbanken normalerweise tun. Die EZB wurde nicht als eine Zentralbank geschaffen, sondern als Wachhund und Manipulator der europäischen Ökonomie im Dienst ihrer nordamerikanischen Herren. Die EZB lieh das Geld an riesige too-big-to-fail überwiegend deutsche und französische Banken zu Interbank-Zinsraten von 1 % oder weniger aus. Diese Bankster verliehen es dann weiter an Griechenland zu horrenden 6 oder 7 %. Dadurch machten sie riesige Profite. Sie behaupteten, das 'Risiko' rechtfertige diese Spanne. Sie wussten, dass sie nie verlieren würden. Wäre Griechenland nicht in der Lage, die Schulden zurückzuzahlen, dann würde das Geld vom europäischen Steuerzahler kommen.

Würde dieses Modell funktionieren, könnte es die Troika auch anderswo in Europa anwenden.

Wie Sie, Herr Tsipras, wissen, funktionierte es. Solidarität unter europäischen Ländern, wenn sie je existierte, wurde durch den Neoliberalismus dezimiert. Auf Griechenland folgte Portugal, Irland, Spanien und sogar Italien, das zu der Zeit von Herrn Monti geführt wurde, auch einem ehemalige Henker von Goldman Sachs.

Später wandte die boshafte Troika eine noch drastischere Formel in Zypern an. Statt auf einem 'bailing out' [Rettung durch Entschuldung] bestand sie auf einem 'bailing in', was bedeutet, dass die Banken das Geld ihrer Kunden nehmen (stehlen) sollten. Dieses neue 'Rettungs-Modell' ist kürzlich von den USA als die neue Norm gebilligt worden, und bald darauf wurde es auch von Brüssel sanktioniert. Nicht überraschend wurde darüber wenig in der Presse berichtet, weil es sonst einen Run auf die Banken ausgelöst hätte.

Sodann verwandelte sich die künstliche griechische Krise in eine fabrizierte europäische Krise. Das Medien-Tamtam erlaubte es, da niemand fragte 'Warum?' - Wieso eine Krise, wo die europäische Wirtschaft so viel stärker als die amerikanische ist; war es damals und ist es noch, weil sie eine solide Ökonomie hat.

Der wahre Zweck hinter diesem falschen europäischen ökonomischen Unglück war der schwache Dollar zu dem Zeitpunkt. Er riskierte, von dem Euro als Reserve-Währung abgelöst zu werden - was die Welt-Hegemonie des Dollars gefährdet hätte.

Die Gesamtwirtschaft der EU (28 Länder) war damals und ist noch heute die stärkste Ökonomie der Welt - 14.303 Billionen € (= 18.451 Billionen US $ - für 2014 geschätzt) im Vergleich zur amerikanischen mit 17.4 Billionen US $. Folglich musste der Euro geschwächt werden - nicht zerstört werden, da er für den Handel und zur Unterwerfung Europas gebraucht wurde - aber stark geschwächt werden, damit der Dollar seine überteuerte Stärke wiedergewinnen konnte. Und - als zusätzlichen Bonus - konnten die europäischen Mafia-Bankster und ihre transatlantischen Partner ihre Taschen mit den Erlösen aus den öffentlichen und sozialen Dienstleistungen Südeuropas füllen.

Dank der Medien-Propaganda- und Betrugsmaschine funktionierte es wieder. Die Schuldenlast Europas stieg von durchschnittlich 70 % im Jahr 2009 auf annähernd 100 % des BNP heute.

Das BNP Griechenlands sank 2014 von 242 Mrd. € auf 201 Mrd. € (-17 %) und seine Schulden stiegen um 21 % auf 160 % in derselben Periode. Der Dollar wird künstlich stark gehalten und der Euro schwach.

Heute, Herr Tsipras, waren Sie in Brüssel und Herr Varoufakis, Ihr Finanzminister, war in London und Frankfurt, um Verständnis für Griechenlands Zwangslage zu gewinnen und einen Schuldenerlass oder einen Aufschub. Sie werden die Hände schütteln und sie sogar umarmen, diese kalten, kalkulierenden Führer Europas und der europäischen Finanz, aber sie werden keinen Millimeter weichen. Sie werden Sie in Verlegenheit bringen; sie werden versuchen, Ihnen mit dem Rauswurf aus der Eurozone Angst machen.

Es gibt nur einen Ausweg für Griechenland, Herr Tsipras: Tun Sie den ersten Schritt; verlassen Sie die Eurozone auf Ihre Initiative, kehren Sie zur soliden Währung der Drachme zurück und fangen Sie von vorne an. Sie können sich das Beispiel Argentinien 2001 ansehen, als es beschloss, die aufgezwungene Peso-Dollar-Parität aufzugeben, seine Während abwertete und neu begann - mit dem Prinzip lokaler Produktion für lokale Märkte. Vergessen Sie die Globalisierung. Sie hat viele Ökonomien in der ganzen Welt zerstört und hunderttausende Menschen umgebracht. Sie können dann die griechischen Schulden zu IHREN Bedingungen neu verhandeln.

Griechenland hat eine Grundlage für eine solide Ökonomie mit seinem größten Schatz - einem wunderbaren und sehr gebildeten Volk.

Vielleicht ebenso bedeutend ist, dass Sie ein Tor öffnen für andere europäische Länder in Not, um Ihrem Bespiel zu folgen. Sie werden vielleicht ein neue Solidarität zwischen den Völkern wecken. Davor hat Brüssel die meiste Angst. Wenn das geschieht, wird ihr Kartenhaus zusammenfallen - und möglicherweise auch das ganze Dollar-beherrschte westliche Kasino-Projekt.

Quelle - källa - source


Peter Koenig ist Ökonom und geopolitischer Analytiker. Er ist ein ehemaliger Beamter der Weltbank und arbeitete ausgiebig in der ganzen Welt in den Bereichen Umwelt und Wasser-Ressourcen.

6 Kommentare:

  1. ich stimme der schlussfolgerung zu, allerdings aus anderen gründen. als "neoliberaler" habe ich auch viele einwände zur argumentation, aber nur einer ist wirklich relevant. es wird behauptet, die krise in europa wäre künstlich. das muss ich jedoch bestreiten, denn auch in europa gab es faktoren, die zur krise geführt haben:
    - die immoblase in spanien. spanien ist schon abgestürzt bevor der euro unter druck kam. die arbeitslosigkeit ist dort schon vorher auf einem hohen niveau gewesen. ich kann mich noch gut daran erinnern, schon vorher schlechte nachrichten von dort gehört zu haben.
    - die bankenkrise in irland. dort haben sich viele institute verzockt, wer weiß was passiert wäre wenn man sie nicht aufgefangen hätte. sicherlich gab es da auch eine verbindung zu london.
    - die krise in griechenland. die privatverschuldung war dort sehr hoch. außerdem hat das land über jahre eine misswirtschaft getrieben, denn sie haben die löhne so steigen lassen, als hätten sie noch die drachme. da dem keine wertschöpfung gegenüber stand, hat die inflation alles aufgefressen. wenn die leute in gr sich über zu niedrige löhne beschweren, diese jedoch im internationalen vergleich immer noch zu hoch sind, so hat das hier seine ursache. der grund für diese entwicklung hingegen war die tatsache, dass die regierung die leute so kaufen wollte, um ungestört ihre korruption betreiben zu können. die manipulation des zinssatzes nach unten hat das natürlich gefördert. dadurch wurde die wettbewerbsfähigkeit zerstört. der deflationsprozess, der das wieder rückgängig machen muss ist natürlich schmerzhaft, da löhne und preise sinken, die schuldenstände jedoch nicht.
    -es haben sich ungleichgewichte in der währungsunion aufgebaut. die konstruktion war von anfang an verfehlt, da die inflationsraten nicht zusammengepasst haben.
    -die rechtliche siuation erlaubt die (leider in england, usa und japan schon üblich gewordene) monetäre staatsfinanzierung nicht (jedenfalls nicht "öffentlich"). sie darf es (theoretisch) auch nicht ohne weiteres, da euroland keine politische einheit bildet. sonst würden die länder mit laxeren haushaltsregelungen einfach immer höhere schuldenstände bei der ezb haben. die nordländer müssten dann deren haushaltspolitik machen, was die souveränität verletzt. das ist ein unlösbares problem, da die länder sich keine dauerhaften transfers in den süden wollen. fair wäre es nur wenn sie alle anleihen gleichmäßig aufkaufen, aber das könnte in deutschland zu einer inflation führen.

    wenn sie jedoch wirklich austreten, dann glaube ich nicht, dass "eine neue solidarität zwischen den völkern wecken". sie haben entweder glück und es wird ohne weitere konsequenzen hingenommen oder irgendwie aus dem blickfeld der öffentlichkeit verbannt oder sie wecken die totale systemkrise mit vielen (notwendigen) staatsbankrotten und einer anschließenden währungsreform.

    rote_pille

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    1. ...eine typisch Neoliberale, Investoraffine und Betriebswirtschaftliche Sicht der Dinge, es geht hier aber um Volkswirtschaft... um Menschen, Gesellschaft, da brauchts nicht alle Quartale schwarze Zahlen, für wen auch sollten die sein? Versicherungen hatten einst Bilanzierung alle fünf Jahre was wegen der langfristigkeit gerade gut war... heute zwingt man Versicherungen alle Quartale dazu. Macht das Sinn wenn die Schadensberechnung und Saldierung mehrere Jahre dauern kann

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    2. ich habe hier ursachen erklärt, die menschlicher natur sind (korruption etc.) und eine gesamtbetrachtung der volkswirtschaften angestellt (inflationsraten ...). das bezog sich sicher nicht auf quartale, sondern ganze jahrzehnte. diese kritik geht somit ins leere.
      rote_pille

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  2. Schöne Übersetzung, jedoch zu glauben, daß die Drachme eine stabile Währung sei, halte ich für illusorisch. Auch der Glaube, die Art der Währungen wäre von entscheidender Bedeutung, trifft das wesentliche nicht wirklich, denn ein Werkzeug ist lediglich ein Werkzeug, es hat keine eigene Motivation. Entscheidend sind die Motivationen, welche Jene haben, welche die Werkzeuge bedienen.

    Ein Rückschritt zur Drachme, ohne die Veränderung der Motive derer, welche die Währungen nutzen, ist also blanke Augenwischerei. Und werden diese Leute sich ändern? Wenn nicht, führt das zu der Frage, kann sich Griechenland vom globalen Finanzmarkt so isolieren, und sich damit den schädlichen Motiven dieser Weniger entziehen, daß es wirklich eigenständig, und damit frei werden kann? Und ist es gewillt, die mageren Jahre einer Selbständigwerdung in Kauf zu nehmen?

    Wer glaubt, daß man, wenn man einen Bösewicht anders bewaffnet, damit das Problem der Gefahr beseitigt, hat das wesentliche nicht begriffen. Währungen sind lediglich die Werkzeuge einiger psychopathischen Clans, deren Ego grenzenlos zu sein scheint.

    Vielleicht wäre eine Fastenzeit von Währungen, durchaus mal eine heilende Kur für unsere Welt und würde einige Läuse aus ihrem Pelz vertreiben..

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  3. Am besten waere, wenn wir das Geld ganz abschaffen wuerden!

    Siehe YouTube Michael Tellinger !
    Damit loesen wir alle Probleme!




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  4. wie wäre es mit zwei währungen???
    eine lokale währung – sagen wir den drachme (der nostalgie wegen) – mit dem alles was sich in GR befindet bezahlt werden kann (mieten, strom, wasser usw.) – und mit dem ausschließlich griechische produkte und dienstleistungen (nahrung, kleidung, holz(pellets)/heizung usw.) bezahlt werden können – eine währung die nie an börsenähnlichen gebilden missbraucht wird – sondern wirklich nur als lokales tauschmittel verwendet werden kann… ein echtes “volksgeld”…
    …und von seiner grundstruktur dem “wörgl” ähnelt. (google nach “wunder von wörgl”)
    der euro – oder von mir aus ein “globo” – wird ausschließlich für den überregionalen handel verwendet – und zum zocken für die geldgeilen...
    wenn dann die weltwirtschaft kollabiert – und das wird sie – dann kann das den menschen im großen und ganzen egal sein – weil die lokale wirtschaft nicht davon abhängt – und somit auch nicht das überleben der menschen vor ort…
    diese doppelwährung kann jedes land einführen!
    wenn ein land an sich schon so groß ist das es kollabieren kann – dann wird eben in weitere kleine einheiten unterteilt – in den usa könnte z.b. jeder bundesstaat seine eigene währung haben – überregional verwendens dann halt den dollar – oder auch einen “globo”…
    …nur so zum nachdenken!!!
    auch pensionen können z.b. in drachme ausbezahlt werden usw...
    griechenland ist klein genug dieses experiment sofort zu starten!!!
    natürlich wird dadurch das "euro-problem" nicht gelöst - aber die menschen können damit ihren lebensunterhalt bestreiten - nachrung kleidung wasser strom miete usw... - also leben!!!

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