Jürgen Elsässer
Leitartikel in
'Compact' vom 4. April 2013
Die Prognose ist nicht besonders gewagt, dass dieses Jahr noch blutig
wird. Der Blitzkrieg in Mali hat der NATO Appetit gemacht. Heißt es
bald „Panzer marsch“ Richtung Damaskus? Oder Bomben auf Teheran? Am
gefährlichsten wäre sicherlich, wenn es zu einem Waffengang gegen
Nordkorea käme. Das würde China mit auf den Plan rufen, das sich als
Schutzmacht des schwer erziehbaren Nachbarstaates begreift.
Regt sich jemand auf? Demonstriert jemand? Die Bürger der
NATO-Staaten haben sich damit abgefunden, dass aus dem früheren
Verteidigungsbündnis eine Aggressionsmaschine geworden ist und immer an
irgendwelchen Fronten gekämpft wird. Zunehmend erinnert der
Nordatlantik-Pakt an das Imperium Ozeanien, das George Orwell in seiner
Anti-Utopie 1984 beschreibt.
Heutzutage ist die Erinnerung an 1984 wie ausgelöscht. 1984, da
hatten wir richtig Angst vor 1984. Damals bereitete die gerade ein Jahr
zuvor gewählte Regierung unter Kanzler Helmut Kohl eine Volkszählung
vor, wir fürchteten die Herrschaft des Big Brother und agitierten für
einen Boykott. Wir? Dieses Pronomen stand für alle, die irgendwie links
oder pazifistisch waren, von den Enkeln Willy Brandts bis zu den Kindern
von Karl Marx und Coca Cola und den Wortführern – pardon:
Wortführerinnen – der Grünen, Petra Kelly und Jutta Ditfurth.
Wie lange ist das her? Nur 29 Jahre? Das kann nicht sein. Es muss
eine Ewigkeit her sein, dazwischen lagen doch mehr als ein halbes
Dutzend Kriege – Irak I, Bosnien, Jugoslawien, Afghanistan, Irak II,
Libyen, Mali – mit weit mehr als einer Million Toten! Jedenfalls ist
heute alles anders. Petra Kelly ist tot, Jutta Ditfurth heißt Claudia
Roth. Big Brother ist keine Schreckensvision mehr, sondern eine lange
Zeit beliebte Reality-Show, die aber längst vom Ekel-Exhibitionismus à
la Dschungelcamp ausgestochen wird. Privatsphäre, das ist etwas von
vorgestern – Facebook liefert man die Daten freiwillig aus. Das
„irgendwie links“ hat sich aufgelöst: Seit Joschka als einer von “uns”
Serbien bomdardieren ließ, haben die Epigonen der Achtundsechziger
Geschmack am Imperialismus gefunden. Make Love and War, heißt die neue
Parole.
Vieles ähnelt 1984: Es gibt das Ministerium für Liebe, das die
Familie zerstören soll. Es gibt das Ministerium für Frieden, das sich
mit dem Krieg befasst. Es gibt das amtliche Neusprech, dessen Wörter
meistens das Gegenteil bedeuten: “Humanitäre Intervention” etwa nennt
man einen zünftigen Bombenkrieg, ermordete Zivilisten werden als
“Kollateralschäden” und Terroristen als “Befreiungskrieger” bezeichnet.
Seit zwei Jahren senden alle Kanälen den täglichen “Zwei-Minuten-Hass”
gegen einen gewissen Baschar al-Assad, wie Orwells Emmanuel Goldstein
der “Feind des Volkes”. Und ein “Gedankenverbrechen” begeht schon der,
der auch nur einen Augenblick zögert, ihn mit den “doppelplus-guten”
Begriffen des „Neusprech“ zu bezeichnen: Diktator, Mörder, Schlächter.
Weiß überhaupt noch jemand, dass die Staatsmänner Ozeaniens ihn bis vor
kurzem als Hoffnungsträger gepriesen haben? Dass Damaskus im
Antiterrorkampf nach 9/11 mit Washington verbündet war?
“Die Partei sagte, dass Ozeanien sich nie mit Eurasien verbündet
hatte. Er, Winston Smith, wusste, dass Ozeanien vor noch nicht einmal
vier Jahren mit Eurasien verbündet gewesen war. Aber wo existierte
dieses Wissen? Nur in seinem eigenen Bewusstsein, das ohnehin bald
ausgelöscht werden würde,“ sinniert Orwells tragischer Held. Ist das
heute genauso? Nein! Denn im Zeitalter des Internet kann Big Brother
Fakten über die Vergangenheit nicht mehr unterdrücken. Mit Google lässt
sich vieles über Assad finden, was für ihn und gegen den Krieg spricht.
Aber das nützt nichts. Obwohl man heute besser recherchieren kann als
1984, ist der Widerstand seither schwächer geworden. Denn auf eine
objektive Information kommen zehn Propaganda-Spins und hundert Seiten
Spiele, Musik und Pornos. Das Hirn wird nicht, wie bei Orwell, durch
Entzug von Wissen deformiert, sondern durch Überflutung. Das Internet
hat sehr viele Leute klüger gemacht und aufgeweckt – aber noch
wesentlich mehr verblödet und in Zombies verwandelt. (…)
Quelle - källa - source
Regt sich jemand auf? Demonstriert jemand?
AntwortenLöschenGute Fragen. Die Leute regen sich schon auf, nur haben Sie schon einmal versucht zu demonstrieren?
Man bekommt so viele Auflagen, dass garantiert jemand dagegen verstößt. Und dann sind da auch noch die willigen Diener des Imperiums, die Staatsgewalt eben. Wer den Mächtigen nicht passt oder zu aufmüpfig wird, bekommt eben den Schädel eingeschlagen oder ein Auge herausgeprügelt.
Wegen meiner zahlreichen Kommentare zu diesem Thema, rechne ich jederzeit mit dem Auftauchen der schwarzen Hubschrauber über meinem Haus ;)
Guter Artikel, was gesagt werden musste.
AntwortenLöschenDas heist jetzt nicht mehr "Überfall / Angriff / VölkerMord & Totschlag / Raub des Volksvermögens ..", sondern man nennt es jetzt: *Aktive präventive Vorwärtz-Verteitigung mit allen Mitteln* , oder man sagt: *die militärische Option*.
Ich lese seit mind. 5 Jahren diverse Blog, habe gewiss tausend kritische Dokufilme, Interviews, Konferenzen, über viele verschiedene wichtige Themen gesehen.
Mitlerweile bevorzuge ich Blogerseiten, wo quasi reine unkomentierte Fakten berichtet werden. Denn denken kann ich selber und im Dialog/Diskusion mit anderen Menschen sind es alleine diese historischen Fakten, die man vorbringen kann um überhaupt sinnvoll zu argumentieren gegen mainstream-verblödete Mitmenschen.
Die meisten Leute (so muss ich leider nach und nach feststellen) sind - was politische, wirtschaftliche und finanzstratigische Fragen angeht einfach nur strunzedumm!!
Die würden sogar folgende fiktive Story glauben, wenn sie im Fernsehen kommt:
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Obama kommt nach Guantanamo!
Kuba: Ein für nächste Woche geplanter Besuch des amerikanischen Friedensstifters und Volkspräsidenten Ronald R. Obama in dem auf der floridanischen Halbinsel Kuba gelegenen Freizeit-Camp Guantamamo-Beach Holiday Inn**** wird mit Zustimmung des Innen-Ministeriums nun DOCH stattfinden.
Laut Aussage des Bildungsministers a.D. Donald Rumsfeld wird Obama begleitet von mehreren internationalen Presse-Teams mit Live-Übertragung, Kabel-Stream + Satelitten-Ausstrahlung.
Für den ersten und zweiten von fünf Besuchstagen sind ausführliche Interwievs aller Heimbewohner, Befragungen über Gesundheitszustand und wertes Wohlbefinden, Grund ihres Aufenthaltet, Herkunftsland und wie lange sie noch zu bleiben gedenken angesetzt.
Um die persönliche und gedankliche Verbundenheit und Nähe des US-kenianischen Volksverstreters und seiner Hilfs-Organisation *NATO Freedom International* zu verdeutlichen, wird der Präsident 4 Tage in den Suiten und Bade-Salons verweilen und gemensam mit den Bewohnern am Sport- Kultur- Spiel- und Unterhaltungsprogramm aktiv teilnehmen.
Auch das internationale Journalisten-Team hat die Möglichkeit am Jubileum des Rehabilitations-Camps *Guantamamo-Beach* mitzufeiern.
Update: Wie das Tourismus-Logistic-Center *Comfort International Agency* (CIA) eben mitteilt, haben in der Jubiläums-Woche wird für alle Angehörigen der im Reha-Zentrum *Guantamamo-Hospiz* ein globaler kostenloser Shuttle-Service eingerichtet.
Hierzu werden die bekannten und beliebten Raumgleiter "Columbia", weiterhin die erfolgreichen Turbo-Gleiter F-104G, und mehrere gepäcktaugliche Langstreckenflugzeuge vom Typ B-52 bereitgestellt.
Weiterhin werden für Selbstflieger aus den Beständen der American Airlines bis zu 19 Boings vom Typ 797 Trans-All auf jedem internationalen Fluch(t)hafen zur Verfügung stehen.
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