Das deutsche Regime hat schon immer mit allen reaktionären Geheimdiensten und Terrororganisationen eine warme Zusammenarbeit gepflegt, ob mit der Ustascha, dem indonesischen Geheimdienst BIN unter Suharto, den syrischen oder ukrainischen Terroristen und vor allem mit dem faschistischen Mossad. Das ist seit Adenauer Tradition, woran unser jetziges Regime nicht rütteln wird, denn da hält die CIA ein wachsames Auge drauf.
"Sammelwut eines aus dem Ruder gelaufenen Nachrichtendiensts"
Stephanie Rohde interviewt Erich Schmidt-Eenboom
Stephanie Rohde: Der türkische
Präsident Erdogan geht seit dem gescheiterten Putsch in der Türkei
vermehrt gegen politische Gegner vor, und zwar nicht nur in der
Türkei, sondern offenbar auch in Deutschland. Und dabei soll ihm der
türkische Geheimdienst MIT helfen, und zwar mit Tausenden Agenten
und Informanten auf deutschem Boden. Diese Meldung, die könnte die
Bundesregierung in Bedrängnis bringen.
Am Telefon ist jetzt der
Geheimdienst-Experte Erich Schmidt-Eenboom, der in den 90er-Jahren
auch selbst vom BND überwacht worden ist. Guten Abend, Herr
Schmidt-Eenboom.
Erich Schmidt-Eenboom: Guten Abend.
Rohde: Rund 6000 türkische
Geheimdienstler sollen im Einsatz sein in Deutschland. Überrascht
Sie diese Zahl?
Schmidt-Eenboom: Doch deutlich.
Rohde: Warum?
Schmidt-Eenboom: Wir wissen, dass
der MIT über Jahrzehnte hinweg nachrichtendienstliche Strukturen in
Westeuropa aufgebaut hat, insgesamt etwa 800 hauptamtliche
nachrichtendienstliche Mitarbeiter. Aber die Zahl von 6000
Informanten ist ungemein hoch. Kein anderer Nachrichtendienst ist in
der Bundesrepublik so präsent wie der MIT, nicht einmal die Central
Intelligence Agency.
Rohde: Welche Belege gibt es denn
dafür, dass es tatsächlich 6000 sind?
Schmidt-Eenboom: Das sind
Schätzungen sowohl des Bundesamts wie verschiedener Landesämter für
Verfassungsschutz, die eigentlich ein gutes Auge auf diese Szene
haben, aber in der operativen Überwachung natürlich Schwierigkeiten
haben, weil im Augenblick der IS und rechtsextreme Strukturen Vorrang
in der operativen Bearbeitung haben.
Rohde: Das heißt, Sie schließen
aus, dass das Zahlen sind, die zum Beispiel politisch lanciert wurden
jetzt, um Stimmung zu machen gegen die Türkei?
Schmidt-Eenboom: Das möchte ich mal
ausschließen, weil es gab schon mehrfach Berichte auch zehn Jahre
zurück, dass es eine massive Unterwanderung der türkischen
Bevölkerung in der Bundesrepublik gibt, nachrichtendienstliche
Positionen in Reisebüros, bei Turkish Airlines, bei Banken, in
Moscheevereinen und dergleichen.
"Sammelwut eines aus dem Ruder
gelaufenen Nachrichtendienstes"
Rohde: Sie sagen jetzt eine massive
Unterwanderung, die es da gegeben hat. Auf 500 Deutschtürken kommt
ein Agent. Ist das verhältnismäßig Ihrer Meinung nach?
Schmidt-Eenboom: Nein, das ist
überhaupt nicht verhältnismäßig. Das ist eine Sammelwut eines aus
dem Ruder gelaufenen Nachrichtendienstes, der natürlich in der
Vergangenheit schwerpunktmäßig die Kurden in der Bundesrepublik im
Auge hatte, insbesondere dann, wenn sie vermeintlich oder tatsächlich
mit der PKK zusammengearbeitet haben. Aber jetzt haben wir natürlich
ganz andere politische Verhältnisse. Ins Visier rücken auch die
Anhänger der Gülen-Bewegung und zudem alle Angehörigen einer
demokratischen Opposition gegen Erdogan, und wir stellen ja fest,
dass sich schon die Meldungen häufen, dass es Repressionen von
Mitangehörigen oder Mitverdächtigen gibt gegenüber der
demokratischen Opposition und ihren Medien.
Rohde: Die Bundesregierung weiß ja
spätestens seit dem vergangenen Sommer, dass diese türkischen
Agenten, wie Sie ja auch sagen, gegen Kurden, gegen Aleviten, gegen
Gülen-Anhänger in Deutschland vorgehen. Das geht aus einer
Verschlusssache hervor. Seit 2013 wurden in Deutschland nach Angaben
des Justizministeriums sechs Verfahren gegen mutmaßliche
MIT-Mitglieder geführt. Was tut die Bundesregierung noch, dass
Deutschtürken vor der Bespitzelung und der Bedrohung sicher sind?
Schmidt-Eenboom: Sie tut im
Augenblick zu wenig. Der Bundesgerichtshof hat vor einigen Jahren
geurteilt, dass es eine Schutzpflicht der Bundesrepublik für in
Deutschland lebende Ausländer gibt, was den Schutz von
nachrichtendienstlichen Nachstellungen und Repressalien betrifft.
Aber die Kapazitäten unserer Sicherheitsbehörden sind natürlich
viel zu gering und im Augenblick versucht der Bundesinnenminister die
Verantwortung auf die Polizeikräfte der Länder abzuschieben, was
überhaupt nicht geht. Der Verfassungsschutz muss auf diesem Sektor
deutlich aktiver werden.
Rohde: Was sollten die konkret
machen? Was können die konkret machen?
Schmidt-Eenboom: Man kann
einschlägig bekannte nachrichtendienstliche Hauptamtliche des MIT
unter Beobachtung stellen. Man kann Gegenoperationen im
nachrichtendienstlichen Bereich fahren. Aber man kann vor allem auf
der großen politischen Ebene etwas leisten, denn in der vom
Bundeskabinett bereits gebilligten Novelle zum BND-Gesetz steht ja
drin, dass es keine partnerliche Zusammenarbeit mit Staaten geben
kann, in denen die Einhaltung grundlegender rechtsstaatlicher
Prinzipien nicht gewährleistet ist, und die heutige Türkei fällt
in diese Kategorie. Dann müsste man also konsequenterweise den
BND-Residenten aus Ankara abziehen und die hauptamtlichen Mitarbeiter
als Persona non grata aus der Bundesrepublik ausweisen.
"Es gibt eine begrenzte
Kooperation"
Rohde: Aber können wir denn
ausschließen, dass der BND und der MIT auch sich vielleicht
gegenseitig dulden, weil sie sich beide Vorteile davon versprechen?
Schmidt-Eenboom: Es gibt eine
begrenzte Kooperation, aber die haben die Türken 2014 begonnen zu
unterlaufen, als sie auf Nachfragen des BND, welcher Dschihadist ist
bei euch gelandet, wo ist der über die syrische Grenze gegangen,
nicht mehr geantwortet haben. Das heißt, die türkischen
Nachrichtendienste waren 2014 näher am IS als am
Bundesnachrichtendienst, und das muss man sich nicht bieten lassen.
Rohde: Jetzt gibt es ja dieses
Schreiben von dem MIT, was bekannt geworden ist. Da steht drin, dass
der BND auf die deutsche Regierung einwirken soll, dass die Anhänger
der Gülen-Bewegung ausgeliefert werden an die Türkei. Das zeigt
doch, dass der MIT da eine gewisse Anspruchshaltung hat dem BND
gegenüber, dass das vielleicht in der Vergangenheit auch ganz gut
funktioniert hat, und sie hoffen, dass es auch weiter funktioniert,
oder?
Schmidt-Eenboom: Er hatte immer eine
große Anspruchshaltung gegenüber BND und Verfassungsschutz, was
Informationen über PKK-Angehörige in der Bundesrepublik Deutschland
betraf, aber dann waren immer deutsche Datenschutz-Regelungen im
Wege. Man hat den Türken dann nur sehr begrenzt Auskunft gegeben,
weil man sehr genau wusste, dass das für die PKK-Mitglieder schwere
Nachteile bedeuten kann. Der größte Nachteil war ja wohl, dass im
Januar 2013 drei Kurdinnen der PKK in Paris ermordet worden sind, und
das hat das nachrichtendienstliche Zusammenarbeitsverhältnis schon
mal erheblich eingetrübt.
Machtbestrebungen des türkischen
Nachrichtendienstes Grenzen setzen
Rohde: Was fordern Sie jetzt von der
Bundesregierung, was sie tut? Was muss sie aufklären?
Schmidt-Eenboom: Sie muss den
Verfassungsschutz ganz aktiv auf diese Repressionsmaßnahmen des MIT
ansetzen. Sie muss auf internationaler Ebene mit den Türken das
nachrichtendienstliche Kooperationsverhältnis brechen. Und sie muss
auf europäischer Ebene eine konzertierte Aktion einleiten, um diesen
Machtbestrebungen des türkischen Nachrichtendienstes Grenzen zu
setzen.
Rohde: Das sagt der
Geheimdienst-Experte Erich Schmidt-Eenboom. Vielen Dank für das
Gespräch.
Schmidt-Eenboom: Bitte!
Rohde: Und dieses Interview haben
wir vor der Sendung aufgezeichnet.
Weiterführende Lektüre:
"Der Bundesgerichtshof hat vor
einigen Jahren geurteilt, dass es eine Schutzpflicht der
Bundesrepublik für in Deutschland lebende Ausländer gibt" (dpa
/ Friso Gentsch)
Bericht
über türkische Spitzel Grüne berufen Kontrollgremium ein
Türkische
Spitzel in Deutschland "Die deutschen Geheimdienste müssen
das verhindern"
Türkei-Politik
der Bundesregierung Kritik an deutsch-türkischer
Geheimdienstzusammenarbeit
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