Montag, 7. Mai 2012

Syrien Update: Die größte Angst des Westen




Dan Glazebrook
5. Mao 2012

Die Strategie war einfach, klar, erprobt und getestet. Sie war erfolgreich benutzt worden nicht nur gegen Libyen, sondern auch im Kosovo (1999) und war auch rasch in Syrien in Gange. Sie sollte folgendermaßen ablaufen: Stellvertreter trainieren, die bewaffnete Provokationen durchführen; die staatliche Antwort darauf als Genozid bezeichnen; den Sicherheitsrat einschüchtern, damit er zustimmt, dass „etwas unternommen werden müsse“; die Armee und jeden anderen Widerstand mit Splitterbomben und Hellfire-Raketen zu Asche verbrennen; und am Ende eine schwache, gefügige Regierung einsetzen, um neue Verträge zu unterzeichnen, die in London, Paris und Washington aufgesetzt wurden, während das Land sich selbst zerfleischt.
Ergebnis: das Herz herausgerissen aus der „Achse des Widerstands“ zwischen Iran, Syrien und Hisbollah, womit Iran isoliert würde und der Westen freie Hand hätte, Iran anzugreifen ohne Angst vor regionalen Auswirkungen.
Bombenattentat in Damaskus
Das sollte Syriens Schicksal werden, das vor Jahren in Planungs-Komitees auf höchster Ebene in US- , englischen und französischen Verteidigungsministerien und Geheimdiensten entworfen wurde. Aber diesmal, anders als in Libyen, ist nicht alles nach Plan verlaufen.


Erstens gab es das Veto Russlands und Chinas der „Regime-Wechsel“ - Resolution im UN-Sicherheitsrat im Oktober 2011, gefolgt von einem zweiten Veto im Februar dieses Jahres. Das bedeutete, dass jeder NATO-Angriff auf Syrien des Feigenblattes der UN-Erlaubnis beraubt würde und stattdessen als unilateraler Aggressionsakt nicht nur gegen Syrien, sondern potentiell auch gegen Russland und China gesehen würde.
So bösartig und rücksichtslos sie auch sind, haben selbst Cameron, Sarkozy und Obama nicht unbedingt den Mut für so einen Kampf. Das übertrug die Last der Zerstörung des syrischen Staates den NATO-Stellvertreterkräften vor Ort, der „Freien Syrischen Armee“(FSA) - eine Ansammlung von heimischen und (zunehmend) ausländischen Milizen, meistens ultra-sektiererische Salafi-Extremisten zusammen mit vereinzelten Deserteuren und westlichen Spezialeinheiten. 
 
Doch war diese Armee eigentlich nicht geschaffen worden, um den syrischen Staat zu zerschlagen; das sollte der Job der NATO sein. Wie in Libyen sollte die Rolle der Miliz nur sein, Vergeltung vom Staat zu provozieren, um einen NATO-Blitzkrieg zu rechtfertigen. Allein gelassen, haben sie keine Chance, die Macht militärisch zu erringen, wie vielen in der Opposition klar wird.
Wir glauben nicht, dass die FSA ein Projekt ist, dass der syrischen Revolution helfen kann“, sagte der Führer der syrischen Widerstandsbewegung im Innern Haitham Al-Manna kürzlich. „Wir haben kein Beispiel, wo ein bewaffneter Kampf gegen ein diktatorisches Regime gewonnen wurde.“ Natürlich könnte man Kuba, Südvietnam und viele andere nennen, aber was sicherlich stimmt, ist, dass ein interner bewaffneter Kampf allein nie erfolgreich war, wenn die Regierung der einzige Gegner mit bedeutender Unterstützung der Massen wie in Syrien ist.
Diese Realität haben sie brutal Anfang März in der entscheidenden Schlacht um den Baba Amr Distrikt in Homs zu spüren bekommen. Das sollte angeblich eine der starken FSA-Festungen sein, die aber schnell eingenommen wurde mit der Aussicht, auch die übrigen Stützpunkte zu verlieren. Den Oppositionsgruppen wird zunehmend klar, dass ihre beste Chance für sinnvolle Veränderung nicht im militärischen Kampf liegt, den sie mit Sicherheit verlieren mitsamt dem Leben und ihrem bißchen Unterstützung und Glaubwürdigkeit, sondern durch Verhandlungen und Teilnahme an dem Reform-Prozess und dem Dialog, den die Regierung angeboten hat.
Diese Aussicht – von einem Ende des Bürgerkrieges und einem Verhandlungsfrieden, der zu einem Reformprozess führt ohne das Land zu destabilisieren – hat unter den imperialistischen Mächten zu Verzweiflung geführt. Trotz ihrer gegenteiligen Behauptungen ist ein stabiler, von Syriern geleiteter Prozess das Letzte, was sie wollen, weil damit die Möglichkeit besteht, dass Syrien ein starker, unabhängiger, anti-imperialistischer Staat bleibt – genau das, was sie beseitigen wollten.
Deshalb, nur Tage nachdem Kofi Annans Friedensplan eine positive Antwort von beiden Seiten Ende März erhielt, haben die imperialistischen Mächte zum ersten Mal Millionen Dollar für die Freie Syrische Armee offen gefordert: für militärische Ausrüstung, Gehälter für ihre Soldaten und um Regierungskräfte zur Desertierung zu verlocken. Mit anderen Worten, zu Tode erschrocken, dass der syrischen Bürgerkrieg langsam abstirbt, will man ihn jetzt institutionalisieren. Wenn ein gewaltsamer Regime-Wechsel nun unwahrscheinlich wird, bleibt die Hoffnung, das Land schwach und hinfällig zu halten, indem man seine Energien durch einen Bürgerkrieg bindet.
Auf das Risiko, den oppositionellen Syrischen Nationalrat (SNC) den gewöhnlichen Syriern noch mehr zu entfremden, als er ohnehin schon ist, haben die westlichen Unterstützer den Druck auf ihn verstärkt, sich dieser Strategie anzupassen, was zu offenen Aufrufen des SNC führte nach vollständiger Bewaffnung der Rebellion und Luftbombardierungen des Westens.
Dies hat zu großen Rissen in der Organisation geführt und drei führende Mitglieder sind im vergangenen Monat ausgestiegen, weil sie nicht wollen, „Komplizen an Massakern am syrischen Volk durch Verzögerung, Betrug, Lügen, Bevormundung und Monopolisierung der Entscheidungen“ zu sein. Der SNC ist, laut einem der drei, Kamal Al-Labwani, „an ausländische Pläne gebunden, die den Kampf verlängern sollen und man warten soll …. das Land in einen Bürgerkrieg zu zerren“.
In diesem Monat rief einer der wenigen SNC-Führer in Syrien, Riad Turk, die Opposition dazu auf, den Annan Friedensplan zu akzeptieren, „das Blutvergießen zu beenden“ und mit der Regierung in den Dialog zu treten – was von den Kollegen im Ausland abgewiesen wurde. Auch die größte friedliche Gruppe der Opposition innerhalb Syriens – das Nationale Koordinations –Komitee – hat sich vom SNC distanziert wegen dessen zunehmender aggressiver Rolle als Sprachrohr ausländischer Mächte.
Der NCC-Führer Al-Manna hat sich auch kürzlich gegen die Freie Syrische Armee ausgesprochen und gesagt, „dass die Militarisierung der syrischen Revolution den Tod der inneren Revolution bedeute … Wir wissen, dass die türkische Regierung eine bedeutende Rolle in den politischen Entscheidungen der FSA spielt. Wir glauben nicht, dass eine bewaffnete Gruppe auf türkischem Territorium stehen kann und unabhängig von türkischen Entscheidungen sein kann“.
Es gibt also eine zunehmende Auffassung, sogar in der syrische Oppositionsbewegung selbst, dass sowohl die FSA als auch der SNC im Interesse ausländischer Mächte arbeiten, um einen sinnlosen Bürgerkrieg zu verlängern.
Westliche Politiker treiben ein gefährliches Spiel. Außer einer NATO-Attacke ist ihre beste Option, Destabiliserung und Schwächung Syriens sicherzustellen, dass der Waffenstillstand scheitert und der Kampf weitergeht. Deshalb ermutigen sie ihre Stellvertreter-Milizen, ihre Provokationen auszudehnen: der Zweck der Erklärungen von US-Außenministerin Hillary Clinton und dem französischen Außenminister Alain Juppé über „andere Maßnahmen“, die noch auf dem Tkisch liegen, ist es, die Idee von einem NATO-Angriff in den Köpfen der Rebellen lebendig zu halten, damit sie weiterkämpfen.
Tatsächlich sind auch viele ausländische Kämpfer in den vergangenen Wochen ins Land geschleust worden, laut Washington Post, und die haben verheerende Bombenattentate in Damaskus und Aleppo durchgeführt. US-Botschafter in Syrien Robert Ford ist ein Protégé von John Negroponte, der die Contra-Todesschwadronen in Nicaragua in den 80-er Jahren organisierte; er hat mit Sicherheit ähnliche Gruppen in Syrien organisiert für ähnliche Zwecke, als er im vergangenen Jahr dort war.
Trotzdem läuft der Destabilisierungs-Prozess nicht nach Plan. Die innere Opposition ist zunehmend frustriert mit der Art, wie die Dinge laufen, und eine deutliche Spaltung zeigt sich im Ausland zwischen denen, die glücklich wären, Syrien zu verwüsten, um ihren Geldgebern zu gefallen und ihre Karrieren zu befördern und denen, die mit den Konsequenzen leben müssen.
Die rücksichtslosen Angriffe, die von den bewaffneten Milizen durchgeführt werden, entfremden zunehmend jene, die einst für sie Sympathien hatten, besonders seit ihre ausländische Herkunft und fremden Ziele immer deutlicher zutage treten. Da sie nicht in der Lage waren, Gebiete zu erobern und zu halten, gehen sie jetzt zu einer Guerilla-Taktik des hit-and-run über. Aber eine Guerilla muss, wie Mao sagte, wie ein Fisch sein, der im Meer der Unterstützung des Volkes überlebt. Und dieses Meer trocknet zunehmend aus.


Zuerst im Al- Ahram Weekly veröffentlicht.
Quelle - källa - source

4 Kommentare:

  1. Es ist doch eine Genugtuung, daß es die Konsequenz Rußlands und Chinas gibt, den faschistischen Umtrieben der westlichen Welt Paroli zu bieten, den Kriegstreibern und Kriegsverbrechern zu sagen: bis hierher und nicht weiter! Nach Irak, Afghanistan, Libyen und jetzt den Versuch, auch Syrien zu zerstören! An Rußland und China: bringt eure modernsten Waffen in Stellung! Und wenn es sein muß, eine Atombombe auf eine Großstadt der USA wird die Kriegsverbrecher zur Raison bringen!

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  2. @Anonym 12:47 PM
    Gleich an Nuklearschläge zu denken, geht unnötig weit.

    Denn mehr als eine - man könnte sagen 'weiche Aggression' gegen Rußland bzw. China ist für die USA/Israel/Nato nicht drin.
    Syrien scheint sich inzwischen - trotz der Angriffe durch ausländische Waffen und Söldner - mehr oder weniger stabilisiert zu haben. Die USA/Israel/Nato müßten nun eskalieren (z. B. durch einen Einmarsch der Türkei). Das aber würde eine Konfrontation mit Rußland (und ggf. China) bedeuten. Rußland hätte dann ausreichend Druckmittel noch lange vor einer militärischen Konfrontation mit USA/Israel/Nato - erst recht einer nuklearen Konfrontation.

    Die Druckmittel bei einer echten (noch vor-militärischen) Konfrontation wären:
    1.) Nach einem Umdenken in der russischen Afghanistanpolitik könnte Rußland den Afghanischen Freiheitskämpfern Waffen zukommen lassen. U. a. kleine Anti-Flugzeug-Raketen und kleine Boden-Boden-Raketen. Die USA/Nato-Soldaten müßten dann völlig überstürzt und unter demütigenden Verhältnissen fliehen - und die meisten ihrer Waffen zurücklassen.
    Die USA würden auch gegenüber Pakistan ihren Einfluß verlieren. Auch der noch neue Einfluß der USA in Zentralasien würde dahinschwinden.
    Auch China, das eine kurze gemeinsame(!) Grenze mit Afghanistan hat, könnte die Freiheitskämpfer ausrüsten.

    2.) Die USA und Israel sind mit den derzeitigen Verhältnissen auf der arabischen Halbinsel so gut bedient, wie es besser gar nicht ginge: Ölreiche, willenlose Marionettenstaaten (Saudi-A., Quatar, Emirate, Jemen) unter eigener Kontrolle. Eine Eskalation würde zu dazu führen, daß die unterdrückte Bevölkerung Saudi-Arabiens, Quatar, Bahreins und des Jemen (ggf. auch des Omans) mit Waffen und ggf. auch mit Söldnern versorgt würde (so wie es umgekehrt im Falle Libyens und Syriens durch die USA/Nato geschieht und geschah).

    Die herrschende Kaste in den USA/Israel/den Natostaaten will Vermögen rauben und sich bereichern. Bei einer von Rußland (und ggf. China) inszenierten Destabilisierung der eben genannten Länder nach dem Muster dessen, was die USA/Israel/Nato treiben, könnte diese herrschende Kaste nur VERLIEREN.
    Dies erst recht bei einer offenen, militärischen Konfrontation.

    Bei einer militärischen Konfrontation würde Europa den USA/Israel entgleiten. Jetzt haben die USA/Israel was sie wollen: Ein GETEILTES Europa. Auch wenn sich die Grenze der Teilung seit 1990 verschoben hat, so wird immer noch ein Teil Europas (Rußland, Weißrußland usw.) gegen den andern Teil (West- und Mitteleuropa) aufgehetzt. Und nur ein GETEILTES Europa läßt sich beherrschen.
    Bei einem offenen Krieg aber, würden den USA/Israel diesen entweder gewinnen oder verlieren. Auf beiden Fällen würde dann aber Europa VEREINT werden bzw. eine Vereinigung wäre schwer zu verhindern.
    Also eine "lose-lose"-Situation.
    Orwell hatte dies in seinem Roman "1984" ganz gut erkannt. In diesem Roman war es im Interesse aller drei Länder (ich glaube: "Asien", "Eurasien", "Ozeanien"), daß es nur Stellvertreterkriege in der Dritten Welt (Orwell kannte diesen Ausdruck natürlich noch nicht) gab - und keinen wirklichen Krieg unmittelbar gegeneinander .


    Trotz der ekelhaften Nato-Grausamkeiten in Libyern und in Syrien (und im Irak und in Afghanistan) bin ich deshalb so optimistisch, und vermute, daß die Nato-Aggression "Arabischer Frühling" jetzt ausläuft.
    Das heißt allerdings nicht, daß es nicht z. B. in Afrika erst richtig losgeht (Libyen war nur der Anfang, Algerien mußte noch warten).

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  3. Fortsetzung:

    Das alles sehr stark nach Orwells Vision abläuft sehen wir auch an "911" oder "Madrider Bobenanschlag" oder auch (viel kleiner) "Sauerländer Wasserstoff-Bomber" und "Koblenzer Kofferbomber" (vielleicht auch "Winnenden?).

    Denn der Staat "Ozeanien" bombardiert s e l b s t die eigenen Städte ein bißchen (wie auch im Film "Brazil") - um diese Bomben dann dem "Feind" anzulasten
    Hier ein Zitat aus Orwells "1984", George Orwell Chapter 5 (In Bezug auf "Julia":)
    "In some ways she was far more acute than Winston, and far less susceptible to Party propaganda. Once when he happened in some connexion to mention the war against Eurasia, she startled him by saying casually that in her opinion the war was not happening. The rocket bombs which fell daily on London were probably fired by the Government of Oceania itself, 'just to keep people frightened'."

    j

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  4. Auch interessant .... http://www.atimes.com/atimes/Middle_East/NE09Ak02.html
    (maschinenübersetzt: http://translate.google.com/translate?sl=en&tl=de&js=n&prev=_t&hl=de&ie=UTF-8&layout=2&eotf=1&u=http%3A%2F%2Fwww.atimes.com%2Fatimes%2FMiddle_East%2FNE09Ak02.html ).

    j

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