Mittwoch, 9. April 2014

Agrarkolonialismus in Afrika


Agrarkolonialismus
 
Von Heidi Chow / WDM Action Magazine Winter 2014
Übersetzung von Susanne Schuster


Die neue G8-Allianz für Ernährungssicherheit ermutigt multinationale Konzerne, in die afrikanische Landwirtschaft zu „investieren“. Heidi Chow erklärt, warum WDM dagegen kämpfen wird.

Der koloniale „Wettlauf um Afrika“ fand Ende des 19. Jahrhunderts statt, als auf dem Kontinent die letzten Schlachten um „nicht beanspruchte“ Territorien ausgetragen wurden. Die europäischen Mächte teilten den Kontinent untereinander auf und stellten sicher, dass sie Zugang zu Rohstoffen und billiger Arbeit hatten, um die industrielle Revolution in der Heimat anzutreiben. Die Kolonialisten rechtfertigten ihre Handlungen damit, dass sie karitativ seien, sie behaupteten, die Afrikaner müssten „zivilisiert“ werden und dass das von ihnen in Besitz genommene Land ungenutzt gewesen sei. Die Wirklichkeit sah anders aus: Den Afrikanern wurde das Land gestohlen, sie verloren die Kontrolle über ihre Ressourcen und Millionen von ihnen starben an Zwangsarbeit.

Kolonialismus in neuem Gewand

Koloniale Interessen und Taktiken sind leider noch sehr gegenwärtig. Die Gier des Großkapitals nach Profitwachstum ist ungebrochen, auf der verzweifelten Suche nach neuen, unerschlossenen Märkten richtet sich sein Blick erneut gen Afrika – der große Preis. Auf dem G8-Gipfel in Camp David 2012 wurde die „Neue Allianz für Ernährungssicherheit“ vorgestellt. Die Initiative ist ein neues privatwirtschaftliches Investitionsprogramm für multinationale Konzerne, deren Expansionsbestrebungen auf die Agrarmärkte Afrikas ausgerichtet sind. Die Führer der G8-Länder verkündeten dieses scheinbar wohltätige Programm mit dem erklärten Ziel, 50 Millionen Menschen in zehn Jahren aus der Armut zu befreien. Doch man muss nur an der Oberfläche kratzen, um festzustellen, dass der Kampf gegen den Hunger schlicht als Vorwand dient für eine Inbesitznahme der afrikanischen Landwirtschaft durch Großkonzerne, vermittelt von den Regierungen der reichen Länder.
Die Neue Allianz identifiziert Investitionsgelegenheiten in afrikanischen Ländern für multinationale Unternehmen, mit Unterstützung von G8-Ländern – darunter 395 Millionen Pfund (478 Mio. Euro) aus dem britischen Entwicklungshilfebudget. Bisher haben zehn afrikanische Länder ihre Teilnahme an diesem Programm bestätigt: Burkina Faso, Elfenbeinküste, Äthiopien, Ghana, Mosambik, Tansania, Benin, Malawi, Nigeria und Senegal. Um landwirtschaftliche „Investitionen“ von Multis wie Unilever, Monsanto und Cargill zu erhalten, müssen diese Länder ihre Saatgut-, Land- und Agrargesetzgebung verändern, mit weitreichenden Folgen für Kleinbauern, die derzeit 70 Prozent der Bevölkerung Afrikas ernähren.

Schädliche Bedingungen

Durch diese bindenden politischen Veränderungen wird Konzernprofiten eine höhere Priorität eingeräumt als das Recht lokaler Gemeinschaften auf Nahrung und die Kontrolle über ihre Ressourcen. Wenn nationale Saatgutgesetzgebungen verändert werden, dann werden sich afrikanische Landwirte wohl darauf einstellen müssen, dass sie die Freiheit verlieren, Saatgut selbst zu gewinnen – die traditionelle Anbautechnik, bei der das Saatgut aus der diesjährigen Ernte gewonnen wird, damit es im nächsten Jahr wieder gesät werden kann. Die Gewinnung, Verteilung und der Verkauf von Saatgut wird noch stärker konzentriert werden in der Hand von einer kleinen Zahl multinationaler Konzerne.
An der Neuen Allianz sind 51 multinationale Konzerne beteiligt, darunter Monsanto, Cargill, Nestle und die in Großbritannien ansässigen Firmen Unilever, SABMiller und Diageo.
Dadurch werden Kleinbauern gezwungen, jedes Jahr teures Saatgut zu kaufen. Da nur wenige Sorten zur Verfügung stehen, darunter gentechnisch verändertes Saatgut, wird dies den Verlust der Saatgutvielfalt beschleunigen – und sie ist unabdingbar für die Anpassung an den Klimawandel. Beatrice Katsigazi vom Bauernforum für das östliche und südliche Afrika sagte: „Landwirtinnen verfügen über geringe Ressourcen und wollen kein Saatgut, das man nur einmal anpflanzen kann oder Saatgut, das Eigentum von Konzernen ist. Wir sind überzeugt von unserem eigenen Saatgut, das wir aus unseren eigenen Saatgutbanken beziehen oder von anderen Bauern – kostenlos.“

Die Länder, die bei dem Programm der Neuen Allianz mitmachen wollen, werden auch ihre Landgesetzgebung verändern müssen, um es Unternehmen leichter zu machen, geeignete Landflächen zu identifizieren und um den Landkauf zu vereinfachen. Das wird das Tor öffnen für mehr „Landgrabbing“ und die Inbesitznahme von Land durch ausländische Investoren beschleunigen. Zahlreiche Studien zeigen, dass der Erwerb und das Leasing von Landflächen in großem Stil Lebensgrundlagen zerstört, lokale Gemeinden enteignet und den Zugang zu Nahrung für lokale Gemeinschaften massiv reduziert.

Diese Gesetzesänderungen sind deshalb so extrem schädlich, weil sie in der Gesetzgebung der jeweiligen Länder Bedingungen verankern werden, die multinationale Konzerne begünstigen, auf Kosten von Kleinbauern. Außerdem könnten diese Bedingungen den Hunger sogar verschärfen, denn Firmen konzentrieren sich eher darauf, Cash Crops (für den Verkauf bestimmte Feldfrüchte), Tierfutter und Agrartreibstoffe für den Export in ausländische Märkte anzubauen.
Daher ist es nicht überraschend, das im vergangenen Jahr 200 afrikanische Bauernbewegungen und zivilgesellschaftliche Gruppen eine Erklärung abgaben, in der sie Programme wie die Neue Allianz ablehnten und sie als „neue Welle des Kolonialsmus“, die Profite und Lizenzgebühren aus Afrika ziehen soll,

stigmatisierten. Afrikanische Gruppen unterliegen keinerlei Illusionen im Hinblick auf die hinter diesen Programmen steckende wahre Agenda, was in dieser Aussage zum Ausdruck kommt: „Die Interventionen der G8 zielen im Kern darauf ab, Märkte zu erschließen und Möglichkeiten zu schaffen für das Profitstreben der Großkonzerne…dabei legen die großen multinationalen Saatgut-, Dünger- und Agrarchemiefirmen die Agenda fest.“

Neue WDM-Kampagne

Leider ist die Neue Allianz nur eine von einer Reihe von Initiativen, die darauf ausgerichtet sind, die Macht der Konzerne über Afrikas Nahrungssystem zu stärken. Die Details mögen sich unterscheiden und sie alle haben karitativ klingende Namen wie „Grow Afrika“ und „Landwirtschaftliche Wachstumskorridore“, doch die Agenda ist immer die gleiche: die Stärkung der Macht des Großkapitals über die afrikanische Landwirtschaft zu Gunsten der Multis. Dieses kapitalistische Modell für die Landwirtschaft beraubt afrikanische Bauern ihrer Rechte auf ihr Land und Saatgut und verstößt gegen ihr Recht, Nahrung für ihre eigenen Gemeinden anzubauen.
Der südliche landwirtschaftliche Wachstumskorridor von Tansania umfasst 7,5 Millionen Hektar Land, das sich von der Grenze zu Sambia bis nach Dar es Salaam an der Küste erstreckt.
Der britische World Development Movement (WDM) started im Frühling eine neue Kampagne – in Solidarität mit Kleinbauern und der Zivilgesellschaft in Afrika – gegen die Vereinnahmung der afrikanischen Landwirtschaft durch Großkonzerne mittels Initiativen wie die Neue Allianz. Gemeinsam mit afrikanischen Aktivisten, Bauerngruppen und Verbündeten in der ganzen Welt wird WDM ein Ende dieser Programme fordern und gleichzeitig Politiken verlangen, welche die Ernährungssouveränität fördern – eine alternative Vision eines Nahrungssystems, in dessen Zentrum Nahrung als ein Recht steht, statt eine Ware zu sein, die dem Profitstreben dient.

Das Konzept der Ernährungssouveränität wurde vor fast 20 Jahren vom internationalen Kleinbauernverband La Via Campesina entwickelt, seitdem wird Ernährungssouveränität von einer wachsenden globalen Bewegung gefordert. WDM unterstützt diese Bewegung seit einigen Jahren, unsere neue Kampagne stellt daher eine wichtige Chance dar, im Geist der Solidarität mit unseren globalen Verbündeten für ein gerechtes und nachhaltiges Nahrungssystem zu kämpfen.

Was ist ein „landwirtschaftlicher Wachstumskorridor“?
„Landwirtschaftliche Wachstumskorridore“ sind Programme, mit denen die Bereitstellung von afrikanischem Land für die industrielle Landwirtschaft sowie der Bau der dafür nötigen Infrastruktur gefördert werden soll. Dazu gehört beispielsweise der Bau von Straßen zu den Häfen, um die Ausfuhr von Ernteerzeugnissen wie auch die Einfuhr von Betriebsmitteln wie chemische Dünger zu erleichtern. In einigen Fällen wird Land enteignet, das Behauptungen zufolge „verlassen“ ist. Im Nacala-Korridor in Mosambik besteht beispielsweise die Absicht, 14 Millionen Hektar Land brasilianischen Agrarfirmen zur Verfügung zu stellen für den Anbau von Soja und Mais. Laut dem mosambikanischen Nationalen Kleinbauernverband wird ein Großteil des dafür vorgesehenen Landes von Kleinbauern genutzt, die den an dieses Gelände angepassten Wanderfeldbau praktizieren.
Ein von der Regierung Tansanias, wo es einen eigenen Wachstumskorridor gibt, kürzlich verfasster Bericht beschreibt die folgenden Besorgnisse der lokalen Gemeinden:
  • Verlust des lokalen Anbaus von Nahrungserzeugnissen, da Cash Crops Grundnahrungsmittel für lokale Gemeinden verdrängen
  • Mangelnde Sicherheit im Hinblick auf Landrechte und wenig Macht, um effektiv zu verhandeln
  • Umweltschäden und Verlust des Artenreichtums infolge der Intensivlandwirtschaft und des Einsatzes von chemischen Düngern
  • Die Ansichten von Frauen sind unterrepräsentiert und ihre Bedürfnisse werden oft nicht berücksichtigt, trotz der Tatsache, dass die Mehrheit der Bauern weiblich ist
  • Endemische Korruption und ein Mangel an Transparenz und Rechenschaft

4 Kommentare:

  1. Kolonialismus - Urbanisierung – Demokratie per/als Diktatur
    http://russianmoscowladynews.com/2014/04/09/demokratie-auf-neuukrainisch-es-ist-zum-haareraufen/

    Es geht um Enteignung für Gierige, Medial gestützte Lügner; Ausbeuter; Gewalttäter - Mörder; Diskriminierung; Gesetzes Verleugner die zugleich z.T. sehr Religiös sind und andere Menschen mit Willkür Unterdrücken und Sanktionieren. Es sind – Psychopathen – (Imperialisten; Nationalisten; Faschisten; für ihre Globalplayer der Gier) und ihre Helfershelfer in der Richterämtern; Behörden und ihrer willigen Politikern.
    Psychopathen!
    Psychopathen sind kranke Menschen.

    Die Diskriminierungen und Willkür unter Hartz IV, "zum Lohndruck für den Exportweltmeister", ist mit der verbotenen und durch das BVG verurteilten Willkür von vor 1945 nahezu identisch:
    Vgl. http://www.servat.unibe.ch/dfr/bv006132.html Rn. 126 - 144

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  2. "...dass sie karitativ seien, sie behaupteten, die Afrikaner müssten „zivilisiert“..."
    Daher auch der Begriff "Missionen", die vor allem die guten Amerikaner in der ganzen Welt ausführen. Ach, sie sind so gut, heul, schnief....

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  3. Sehr interessanter Artikel, wusste ich noch nichts davon!

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  4. guggle nach:
    Italien 4000 Flüchtlinge

    und der Shitstorm an scheinheiligen Krokodilstränen will bei den Pre$$tituierten Medienhuren gar nicht mehr abreisen

    Flüchtlingsdrama: Italien rettet 4000 Flüchtlinge im ... - Locus

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    Italien: Marine rettet 4000 Flüchtlinge in 48 Stunden 4000
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