Samstag, 16. November 2019

Der Staatsstreich in Bolivien: 5 Lektionen


Vielen Dank an Leo Mayer für seine Übersetzung des sehr vernünftigen Artikels von Atilio Borón aus dem Spanischen. Es ist erschreckend, dass die Staaten der Dritten Welt immer noch ihre Armeen von den USA ausbilden und bewaffnen lassen. Der Hauptgrund ist wohl der, dass korrupte Politiker und Militärs den hohen Dollar-Bestechungen nicht widerstehen können.

Der Staatsstreich in Bolivien: 5 Lektionen

Bolivien Cinco leccionesvon Atilio Borón (*)

von Leo Mayer übersetzt

Hunderttausende sind auf den Straßen gegen die Faschisten

Die bolivianische Tragödie vermittelt in eindrucksvoller Weise mehrere Lektionen, die unsere Völker und die popularen sozialen und politischen Kräfte für immer lernen und in ihr Bewusstsein einschreiben müssen. Hier ist eine kurze Aufzählung als Auftakt für eine detailliertere Behandlung in der Zukunft.

Erstens, gleichgültig, wie vorbildlich die Wirtschaft geführt wird, wie Wachstum, Umverteilung, Investitionsfluss gewährleistet sind und alle makro- und mikroökonomischen Indikatoren verbessert werden, die Rechte und der Imperialismus werden niemals eine Regierung akzeptieren, die ihren Interessen nicht dient.

Zweitens ist es notwendig, die von verschiedenen US-Agenturen und ihren als Akademiker*innen oder Journalist*innen getarnten Sprecher*innen veröffentlichten Ratschläge und "Handbücher" zu studieren, um die Anzeichen der Offensive rechtzeitig wahrnehmen zu können.

Diese Schriften betonen immer die Notwendigkeit, den Ruf des populären Führers zu zerstören, was im Fachjargon als "Charaktermord" bezeichnet wird, indem man ihn als Dieb, korrupt, Diktator oder Dummkopf bezeichnet.

Das ist die Aufgabe der sozialen Kommunikator*innen, der selbsternannten "unabhängigen Journalist*innen", die zugunsten ihrer quasi-monopolistischen Kontrolle der Medien das Gehirn der Bevölkerung mit solchen Verleumdungen bombardieren, begleitet in diesem Fall von Hassbotschaften gegen Ureinwohner*innen und die Armen im Allgemeinen.

Drittens, sobald dies erreicht ist, sind die politische Führung und die wirtschaftlichen Eliten an der Reihe, "einen Wechsel" zu fordern, um der "Diktatur" von Evo ein Ende zu setzen, der, wie Jorge Mario Vargas Llosa vor einigen Tagen schrieb, ein "Demagoge ist, der an der Macht bleiben will".

Ich nehme an, er wird in Madrid mit Champagner anstoßen, wenn er die Bilder der faschistischen Horden sieht, die plündern, brennen, Journalisten an einen Pfahl fesseln, eine Bürgermeisterin rasieren und rot anstreichen, das Protokoll der letzten Wahl zerstören, um Don Marios Auftrag zu erfüllen und Bolivien von einem bösen Demagogen zu befreien.

Ich erwähne seinen Fall, weil er der unmoralische Fahnenträger dieses abscheulichen Angriffs war und ist, dieses grenzenlosen Verbrechens, das populäre Führer kreuzigt, eine Demokratie zerstört und die Herrschaft des Terrors durch Banden von angeheuerten Mördern installiert, um ein würdiges Volk zu bestrafen, das die Kühnheit hatte, frei sein zu wollen.

Viertens: Die "Sicherheitskräfte" betreten die Szene. In diesem Fall geht es um Institutionen, die von zahlreichen militärischen und zivilen Stellen der Regierung der Vereinigten Staaten kontrolliert werden. Sie trainieren sie, bewaffnen sie, machen gemeinsame Übungen und bilden sie politisch aus.

Ich hatte Gelegenheit, dies festzustellen, als ich auf Einladung von Evo einen Kurs über "Antiimperialismus" für hochrangige Offiziere der drei Waffengattungen eröffnete. Bei dieser Gelegenheit war ich schockiert über den Grad der Durchdringung mit den reaktionärsten us-amerikanischen Slogans aus der Zeit des Kalten Krieges und über die unverhohlene Wut, die durch die Tatsache verursacht wurde, dass ein Indígena der Präsident ihres Landes war.

Was diese "Sicherheitskräfte" taten, war, sich von der Bühne zurückzuziehen und das Feld für die unkontrollierten Aktionen faschistischer Horden frei zu machen und dadurch die Bevölkerung, die Aktivist*innen und die Persönlichkeiten der Regierung einzuschüchtern.

Mit anderen Worten, eine neue gesellschaftspolitische Figur: der Militärputsch "durch Unterlassung", der es reaktionären Banden, die von der Rechten rekrutiert und finanziert werden, erlaubt, ihr Gesetz durchzusetzen. Als der Terror herrschte und angesichts der Machtlosigkeit der Regierung, war das bittere Ende unvermeidlich.
Bundesregierung begrüßt den vom Militär erzwungenen Rücktritt des bolivianischen Präsidenten "als wichtigen Schritt ...

Regierungssprecher Steffen SeibertZahlreiche Regierungen Lateinamerikas und auch die Linksfraktion im Bundestag sowie der Vorsitzende der Labour-Partei in Großbritannien Jeremy Corbyn bezeichneten das Vorgehen des Militärs einhellig als Putsch. Anders die Bundesregierung und das Auswärtige Amt unter Leitung von Heiko Maas (SPD).
Evo Morales hatte bereits Neuwahlen angekündigt, als er durch anhaltende gewalttätige Angriffe der rechtsextremen Opposition auf öffentliche Gebäude, Amtsträger*innen und deren Familienangehörigen, auf Rundfunk- und Fernsehanstalten, Gewerkschaften, Einrichtungen indigener Organisationen, und schließlich durch die Militär- und Polizeiführung aus dem Amt gedrängt wurde. Die Bundesregierung kann keinen Putsch erkennen und begrüßt den Rücktritt von Evo Morales.

Regierungssprecher Steffen Seibert erklärte: "Ich würde gerne für die Bundesregierung sagen, dass mit seinem Rücktritt Staatspräsident Morales den Weg zu Neuwahlen freigemacht hat und dass wir das als wichtigen Schritt betrachten hin zu einer friedlichen Lösung." Regierungssprecher Steffen Seibert, Bundespressekonferenz am 11. November 2019

siehe https://youtu.be/zomaVIYKtgA (Min. 50)
.. zu einer friedlichen Lösung"

Fünftens, Sicherheit und öffentliche Ordnung hätten in Bolivien niemals Institutionen wie der Polizei und der Armee anvertraut werden dürfen, die vom Imperialismus und seinen Lakaien der einheimischen Rechten kolonisiert wurden.

Als die Offensive gegen Evo gestartet wurde, wurde eine Politik der Beschwichtigung und der Nichtbeantwortung der Provokationen der Faschisten gewählt. Dies führte dazu, dass diese ermutigt und die Einsätze erhöht wurden: zuerst, um eine Stichwahl zu verlangen; dann, Betrug und Neuwahlen; dann, Wahlen aber ohne Evo (wie in Brasilien, ohne Lula).

Später tritt Evo zurück; bevor er sich weigerte, der Erpressung nachzugeben, verbreiten sie Terror in Mittäterschaft von Polizei und Militär und zwingen Evo schließlich zum Rücktritt.

Wie aus dem Handbuch. Alles nach dem Handbuch.

Werden wir diese Lektionen lernen?

(*) Atilio Borón, geboren in Argentinien und Lateinamerikaner aus Überzeugung. Soziologe und Politikwissenschaftler. Er erwarb seinen Bachelor-Abschluss in Soziologie und später seinen Master-Abschluss in Politikwissenschaft. Er promovierte in Politikwissenschaft an der Harvard University.

Quelle: El golpe en Bolivia: cinco lecciones, 11 noviembre 2019, telesurtv.net


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