In den Morgenstunden des 11. März, eines Sonntags, machte
sich ein Soldat der Vereinigten Staaten von Amerika auf zu einem
Amoklauf in einem Dorf in Panjway südwestlich von Kandahar,
Afghanistan. Er ging von einem Lehmhaus zum nächsten, erschoss,
erstach und verbrannte 16 Dorfbewohner. Jedenfalls wurde es so
berichtet.
Nein,
ich will nicht darüber sprechen, ob Oberfeldwebel Robert Bales, der
„glückliche“ und „freundliche“ 38 Jahre alte Vater von zwei
Kindern, ein „Kriegsverbrechen“ begangen hat oder nicht.
Kriegsverbrechen sind denen vorbehalten, die die Befehlshoheit haben:
den Politikern, die einen Krieg beginnen und fortführen mit einer
„Aufstockung“ und dergleichen, und den Lehnstuhl-Kriegshelden,
die die Kriege anfachen, indem sie bedeutungsvoll über nationale
Interessen reden, über „Pläne“ in der Region und dergleichen.
Weiters,
so schrieb Tom Engelhardt vom Nation Institute, gingen die Amerikaner
seit Dezember 2001 „aus der Luft und auf dem Boden verschwenderisch
mit afghanischen Leben um.“ Warum das Theater um das, was einer der
Soldaten, die den Auftrag hatten, zu morden und zu zerstören, getan
hat?
Stattdessen
möchte ich das absurde Missverhältnis des Ganzen betrachten.
Einen
Soldaten der Vereinigten Staaten von Amerika ein Jahr in Afghanistan
zu behalten kostet $1,2 Millionen, berichtet das Center for Strategic
and Budgetary Assessments (CSBA) in seiner Analyse des
Verteidigungsbudgets 2011 der Vereinigten Staaten von Amerika.
Das
Pro-Kopf-Einkommen in den Vereinigten Staaten von Amerika im Jahr
2010 betrug $47.200, das in Afghanistan $500, sagt die Weltbank. Das
heißt, dass über 25 Amerikaner ein volles Jahr lang arbeiten
müssen, um zu helfen, einen der ihren für Mord und Zerstörung in
einem weit entfernten Land im Süden Zentralasiens einzusetzen.
Nach
diesem Maßstab müssten insgesamt 2.400 Afghanen ein volles Jahr
lang arbeiten, um es einem Amerikaner zu ermöglichen, ein Jahr lang
auf ihrem Land herumzutrampeln.
Die
Vereinigten Staaten von Amerika setzen 110.000 Soldaten in
Afghanistan ein.
Präsident
Barack Obamas Verteidigungsbudget 2011 inkludiert eine Anforderung
für Operationen in unvorhergesehenen Fällen in Übersee – sprich
Kriege – in Afghanistan im Gesamtausmaß von $110,3 Milliarden,
sagt das CSBA. Die Weltbank setzt Afghanistans Bruttoinlandsprodukt
2010 mit $17,2 Milliarden fest. Daraus ergibt sich, ja ergibt sich
wirklich, dass 30 Millionen Afghanen weniger als ein Sechstel des
Geldes erwirtschaften, das die Vereinigten Staaten von Amerika für
die Verwüstung ihres Landes ausgeben.
Das
Budget der Vereinigten Staaten von Amerika für den Krieg gegen
Afghanistan für das Finanzjahr 2011 enthielt jedoch nicht die $33
Milliarden, die Obama bekommen wollte, um die Streitkräfte der
Vereinigten Staaten von Amerika in diesem Land um 30.000 Soldaten
aufzustocken. General David Petraeus verlangte die „Aufstockung“
mit dem Versprechen, er werde den Krieg mit den zusätzlichen Kräften
früh im Jahr 2011 beenden. Er hielt sein Versprechen nicht. Macht
nichts: Obama machte ihn zum Direktor der CIA. Ah, die CIA.
Obamas
Budget für den Krieg gegen Afghanistan schloss natürlich die
Ausgaben für die CIA nicht mit ein. Gesamtbetrag und Details über
die Ausgaben der CIA sind immer geheim.
Auch
enthielt das Budget nicht die Kosten für die privaten Sicherheits-
oder Militärkontraktoren, die Außen- und Verteidigungsministerium
heutzutage mit zunehmender Unbekümmertheit beschäftigen. Diese PSCs
oder PMCs sind das, was bis vor kurzem Söldner genannt wurde. Der
berüchtigtste Kontraktor unter ihnen ist Blackwater, jetzt umgetauft in Xe.
Wie
die Ausgaben für die CIA sind die Gesamtkosten für diese Söldner
für die amerikanischen Steuerzahler reine Mutmaßung. Der britische
PMC Aegis, einer davon, kassierte 2004 $293 Millionen und 2007 $475
Millionen, wobei diese Zahlen seine Aktivitäten im Irak betreffen.
Sie
wundern sich vielleicht: welche Rolle spielt Aegis? Die Antwort: die
einer „Polizei“ für andere PMCs
Afghanistan
ist eines der ärmsten Länder auf der Erde. Sie haben Fotos gesehen
von Menschen in abgerissener Kleidung und ihren heruntergekommenen
Behausungen. Laut den Länderprofilen der UNO ist es ein junges Land.
46 Prozent der Gesamtbevölkerung sind 14 Jahre alt oder jünger und
diejenigen, die 60 waren oder älter, machten im Jahr 2010 weniger
als 4 Prozent aus. Die entsprechenden Zahlen für die Vereinigten
Staaten von Amerika im selben Jahr betrugen 20 bzw. 18 Prozent.
Das
macht Afghanistan vielleicht zu einem Land für die Zukunft, aber da
ist ein Haken. Obwohl seine Geburtsrate 6,3 beträgt, über dreimal
so viel wie die der Vereinigten Staaten von Amerika von 2,0, ist
seine Kindersterblichkeit hoch, nämlich 147 pro 1.000 Lebendgeburten
im Vergleich zu 5,5 in den Vereinigten Staaten von Amerika. Teilweise
darauf zurückzuführen ist die Lebenserwartung von 45,5 Jahren bei
der Geburt gegenüber 80 in den Vereinigten Staaten von Amerika.
Bildung
in Afghanistan wird einigen Amerikanern als katastrophal vorkommen.
Nach den Indikatoren der UNO für die menschliche Entwicklung beträgt
die durchschnittliche Schulzeit von 25-jährigen und Älteren in
Afghanistan 3,3 Jahre, während die entsprechende Zeit in den
Vereinigten Staaten von Amerika 12,4 Jahre ausmacht. Es ist
allerdings nicht so, dass es keine helleren Zonen in Afghanistan
gäbe.
Eine
Zeit lang während des langen Krieges ihres Landes gegen das
Hinterland versuchten einige Amerikaner, diesen zu rechtfertigen,
indem sie auf den Mangel an „Demokratie“ im Allgemeinen und die
schlechte Behandlung von Frauen im Besonderen hinwiesen.
Was
diese wohlmeinenden Amerikaner, falls sie das wirklich waren, nicht
mitbekommen haben, ist folgendes: Afghanistan liegt zumindest in
einer Beziehung vor den Vereinigten Staaten von Amerika: Der Anteil
von Sitzen, die von Frauen in den nationalen Parlamenten in
Afghanistan gehalten werden, betrug 2010 27,7 Prozent – in den
Vereinigten Staaten von Amerika waren es bloße 16,8 Prozent.
Afghanistan
„hat keine Wirtschaft, keine Infrastruktur,“ beobachtete der
Senator der Vereinigten Staaten von Amerika Joe Manchin letztes Jahr.
Er drängt auf schnellere, größere Truppenrückzüge als Obama
plant. Eine Sache in diesem Zusammenhang stellt die Situation in
Afghanistan in ein besonders helles Licht.
Sie
haben die Nachrichtenberichte über Afghanen gehört, die unter dem
harten Winter leiden. Die Länderprofile der UNO besagen, dass im
Jahr 2008 der durchschnittliche Afghane 15 Kilogramm Energie im
Äquivalent zu Erdöl verbraucht hat. Die entsprechende Zahl für
Amerikaner im gleichen Jahr betrug 6.738 Kilogramm. Ja, 450-mal so
viel.
Wenn
Sie dieses Missverhältnis überrascht, wartet ein Schock auf Sie. In
der „sehr schwierigen und kargen Umgebung,“ die Afghanistan
bietet, wo der Winter extrem kalt und der Sommer extrem heiß ist,
leben die Soldaten der Vereinigten Staaten von Amerika so, als wenn
sie zuhause leben würden.
Das
Ergebnis: Das Militär der Vereinigten Staaten von Amerika gibt in
Afghanistan jährlich $20 Milliarden für Treibstoff aus. Das ist
mehr als das afghanische Bruttoinlandsprodukt.
Als
Obama Senator war, trat er gegen Präsident George W. Bushs Krieg
gegen Irak auf. Er hat allerdings den Krieg gegen Afghanistan oft als
„einen notwendigen Krieg“ bezeichnet.
Als
die deutsche Zeitschrift Spiegel Richard Haass darauf hinwies, dass
Obama diese Charakterisierung einem seiner Bücher entnommen hatte,
lachte Haass. („Das ist nicht mehr ein notwendiger Krieg,“
Spiegel, 28. September 2009)
Haass,
Vorsitzender des Council on Foreign Relations (Rat für
Außenbeziehungen), war Direktor für Politikplanung für das
Außenministerium unter Bush. Als der Spiegel ihn im September 2009
interviewte, war er von der Wichtigkeit Afghanistans abgegangen und
wandte seine kriegerische Aufmerksamkeit Pakistan zu.
Zu
diesem Zeitpunkt beschloss Obama die „Aufstockung”.
Hiroaki Sato ist Übersetzer und Essayist in New York. Seine Biographie über Yukio Mishima
mit Naoki Inose, "Persona," wird im Herbst erscheinen.
The Japan Times, Montag, am 26. März 2012
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