Donnerstag, 5. April 2012

Kosten einer Politik der Verschwendung von fremden Leben


Hiroaki Sato
In den Morgenstunden des 11. März, eines Sonntags, machte sich ein Soldat der Vereinigten Staaten von Amerika auf zu einem Amoklauf in einem Dorf in Panjway südwestlich von Kandahar, Afghanistan. Er ging von einem Lehmhaus zum nächsten, erschoss, erstach und verbrannte 16 Dorfbewohner. Jedenfalls wurde es so berichtet.
Nein, ich will nicht darüber sprechen, ob Oberfeldwebel Robert Bales, der „glückliche“ und „freundliche“ 38 Jahre alte Vater von zwei Kindern, ein „Kriegsverbrechen“ begangen hat oder nicht. Kriegsverbrechen sind denen vorbehalten, die die Befehlshoheit haben: den Politikern, die einen Krieg beginnen und fortführen mit einer „Aufstockung“ und dergleichen, und den Lehnstuhl-Kriegshelden, die die Kriege anfachen, indem sie bedeutungsvoll über nationale Interessen reden, über „Pläne“ in der Region und dergleichen.
Weiters, so schrieb Tom Engelhardt vom Nation Institute, gingen die Amerikaner seit Dezember 2001 „aus der Luft und auf dem Boden verschwenderisch mit afghanischen Leben um.“ Warum das Theater um das, was einer der Soldaten, die den Auftrag hatten, zu morden und zu zerstören, getan hat?
Stattdessen möchte ich das absurde Missverhältnis des Ganzen betrachten.
Einen Soldaten der Vereinigten Staaten von Amerika ein Jahr in Afghanistan zu behalten kostet $1,2 Millionen, berichtet das Center for Strategic and Budgetary Assessments (CSBA) in seiner Analyse des Verteidigungsbudgets 2011 der Vereinigten Staaten von Amerika.
Das Pro-Kopf-Einkommen in den Vereinigten Staaten von Amerika im Jahr 2010 betrug $47.200, das in Afghanistan $500, sagt die Weltbank. Das heißt, dass über 25 Amerikaner ein volles Jahr lang arbeiten müssen, um zu helfen, einen der ihren für Mord und Zerstörung in einem weit entfernten Land im Süden Zentralasiens einzusetzen.
Nach diesem Maßstab müssten insgesamt 2.400 Afghanen ein volles Jahr lang arbeiten, um es einem Amerikaner zu ermöglichen, ein Jahr lang auf ihrem Land herumzutrampeln.
Die Vereinigten Staaten von Amerika setzen 110.000 Soldaten in Afghanistan ein.
Präsident Barack Obamas Verteidigungsbudget 2011 inkludiert eine Anforderung für Operationen in unvorhergesehenen Fällen in Übersee – sprich Kriege – in Afghanistan im Gesamtausmaß von $110,3 Milliarden, sagt das CSBA. Die Weltbank setzt Afghanistans Bruttoinlandsprodukt 2010 mit $17,2 Milliarden fest. Daraus ergibt sich, ja ergibt sich wirklich, dass 30 Millionen Afghanen weniger als ein Sechstel des Geldes erwirtschaften, das die Vereinigten Staaten von Amerika für die Verwüstung ihres Landes ausgeben.
Das Budget der Vereinigten Staaten von Amerika für den Krieg gegen Afghanistan für das Finanzjahr 2011 enthielt jedoch nicht die $33 Milliarden, die Obama bekommen wollte, um die Streitkräfte der Vereinigten Staaten von Amerika in diesem Land um 30.000 Soldaten aufzustocken. General David Petraeus verlangte die „Aufstockung“ mit dem Versprechen, er werde den Krieg mit den zusätzlichen Kräften früh im Jahr 2011 beenden. Er hielt sein Versprechen nicht. Macht nichts: Obama machte ihn zum Direktor der CIA. Ah, die CIA.
Obamas Budget für den Krieg gegen Afghanistan schloss natürlich die Ausgaben für die CIA nicht mit ein. Gesamtbetrag und Details über die Ausgaben der CIA sind immer geheim.
Auch enthielt das Budget nicht die Kosten für die privaten Sicherheits- oder Militärkontraktoren, die Außen- und Verteidigungsministerium heutzutage mit zunehmender Unbekümmertheit beschäftigen. Diese PSCs oder PMCs sind das, was bis vor kurzem Söldner genannt wurde. Der berüchtigtste Kontraktor unter ihnen ist Blackwater, jetzt umgetauft in Xe.
Wie die Ausgaben für die CIA sind die Gesamtkosten für diese Söldner für die amerikanischen Steuerzahler reine Mutmaßung. Der britische PMC Aegis, einer davon, kassierte 2004 $293 Millionen und 2007 $475 Millionen, wobei diese Zahlen seine Aktivitäten im Irak betreffen.
Sie wundern sich vielleicht: welche Rolle spielt Aegis? Die Antwort: die einer „Polizei“ für andere PMCs
Afghanistan ist eines der ärmsten Länder auf der Erde. Sie haben Fotos gesehen von Menschen in abgerissener Kleidung und ihren heruntergekommenen Behausungen. Laut den Länderprofilen der UNO ist es ein junges Land. 46 Prozent der Gesamtbevölkerung sind 14 Jahre alt oder jünger und diejenigen, die 60 waren oder älter, machten im Jahr 2010 weniger als 4 Prozent aus. Die entsprechenden Zahlen für die Vereinigten Staaten von Amerika im selben Jahr betrugen 20 bzw. 18 Prozent.
Das macht Afghanistan vielleicht zu einem Land für die Zukunft, aber da ist ein Haken. Obwohl seine Geburtsrate 6,3 beträgt, über dreimal so viel wie die der Vereinigten Staaten von Amerika von 2,0, ist seine Kindersterblichkeit hoch, nämlich 147 pro 1.000 Lebendgeburten im Vergleich zu 5,5 in den Vereinigten Staaten von Amerika. Teilweise darauf zurückzuführen ist die Lebenserwartung von 45,5 Jahren bei der Geburt gegenüber 80 in den Vereinigten Staaten von Amerika.
Bildung in Afghanistan wird einigen Amerikanern als katastrophal vorkommen. Nach den Indikatoren der UNO für die menschliche Entwicklung beträgt die durchschnittliche Schulzeit von 25-jährigen und Älteren in Afghanistan 3,3 Jahre, während die entsprechende Zeit in den Vereinigten Staaten von Amerika 12,4 Jahre ausmacht. Es ist allerdings nicht so, dass es keine helleren Zonen in Afghanistan gäbe.
Eine Zeit lang während des langen Krieges ihres Landes gegen das Hinterland versuchten einige Amerikaner, diesen zu rechtfertigen, indem sie auf den Mangel an „Demokratie“ im Allgemeinen und die schlechte Behandlung von Frauen im Besonderen hinwiesen.
Was diese wohlmeinenden Amerikaner, falls sie das wirklich waren, nicht mitbekommen haben, ist folgendes: Afghanistan liegt zumindest in einer Beziehung vor den Vereinigten Staaten von Amerika: Der Anteil von Sitzen, die von Frauen in den nationalen Parlamenten in Afghanistan gehalten werden, betrug 2010 27,7 Prozent – in den Vereinigten Staaten von Amerika waren es bloße 16,8 Prozent.
Afghanistan „hat keine Wirtschaft, keine Infrastruktur,“ beobachtete der Senator der Vereinigten Staaten von Amerika Joe Manchin letztes Jahr. Er drängt auf schnellere, größere Truppenrückzüge als Obama plant. Eine Sache in diesem Zusammenhang stellt die Situation in Afghanistan in ein besonders helles Licht.
Sie haben die Nachrichtenberichte über Afghanen gehört, die unter dem harten Winter leiden. Die Länderprofile der UNO besagen, dass im Jahr 2008 der durchschnittliche Afghane 15 Kilogramm Energie im Äquivalent zu Erdöl verbraucht hat. Die entsprechende Zahl für Amerikaner im gleichen Jahr betrug 6.738 Kilogramm. Ja, 450-mal so viel.
Wenn Sie dieses Missverhältnis überrascht, wartet ein Schock auf Sie. In der „sehr schwierigen und kargen Umgebung,“ die Afghanistan bietet, wo der Winter extrem kalt und der Sommer extrem heiß ist, leben die Soldaten der Vereinigten Staaten von Amerika so, als wenn sie zuhause leben würden.
Das Ergebnis: Das Militär der Vereinigten Staaten von Amerika gibt in Afghanistan jährlich $20 Milliarden für Treibstoff aus. Das ist mehr als das afghanische Bruttoinlandsprodukt.
Als Obama Senator war, trat er gegen Präsident George W. Bushs Krieg gegen Irak auf. Er hat allerdings den Krieg gegen Afghanistan oft als „einen notwendigen Krieg“ bezeichnet.
Als die deutsche Zeitschrift Spiegel Richard Haass darauf hinwies, dass Obama diese Charakterisierung einem seiner Bücher entnommen hatte, lachte Haass. („Das ist nicht mehr ein notwendiger Krieg,“ Spiegel, 28. September 2009)
Haass, Vorsitzender des Council on Foreign Relations (Rat für Außenbeziehungen), war Direktor für Politikplanung für das Außenministerium unter Bush. Als der Spiegel ihn im September 2009 interviewte, war er von der Wichtigkeit Afghanistans abgegangen und wandte seine kriegerische Aufmerksamkeit Pakistan zu.
Zu diesem Zeitpunkt beschloss Obama die „Aufstockung”.
Hiroaki Sato ist Übersetzer und Essayist in New York. Seine Biographie über Yukio Mishima mit Naoki Inose, "Persona," wird im Herbst erscheinen.
The Japan Times, Montag, am 26. März 2012
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