Samstag, 7. April 2012

SYRIEN: Amerika auf schlüpfrigem Boden

Robert Wright ist ein sogenannter Intellektueller (er hat sogar Aussichten für den Pulkitzerpreis), der zwar versucht, einen Durchblick zu gewinnen, aber dabei auf halbem Wege stehenbleibt. Er wirft wohl hin und wieder einen Blick auf die Nachrichten und macht sich seine Gedanken, aber auf diese Weise entgehen ihm entscheidende Entwicklungen. Deshalb bleibt seine Auffassung unausgegoren und prinzipienlos. So teilt er die Auffassung, dass Assad ein Diktator sei oder dass in Homs Syrier von anderer Auffassung um ihr Leben gebracht worden sind, d. h. die typischen Mainstreamlügen. Und er hat auch nicht mitbekommen, dass seine Regierung schon lange sogar mit "boots on the ground" (mit Stiefeln vor Ort) in Syrien anwesend ist. Aber was er zu der "Kommunikations-Ausrüstung" sagt, ist natürlich richtig. Und natürlich ist er auch zynisch.

von Robert Wright

am 5. April 2012

Der heutige Preis für den euphemistischsten Vorspann geht an die New York Times. Hillary Clintons Satz umschreibend, sagt die Times, dass die USA zugestimmt hat, „Kommunikations-Ausrüstung zu schicken, um den Rebellen zu helfen, sich zu organisieren und der syrischen Armee auszuweichen“.

Es wäre schön, wenn es Kommunikations- Ausrüstung gäbe, die sich inhärent auf Ausweich -Manöver beschränkte. Aber solche kenne ich nicht. Die Ausrüstung, die wir ihnen geben, wird ihnen helfen, sich zu organisieren, wenn sie syrisches Militär angreifen, nicht nur, wenn sie zurückweichen. Sie kann ihnen sogar helfen, syrische Zivilisten anzugreifen, die Alawiten sind wie Syriens Präsident Assad. (Rebellen-Angriffe auf alawitische Zivilisten wurden bei der Belagerung von Homs durchgeführt.) Und außerdem wird diese „Kommunikations- Ausrüstung“ laut dem Syrischen Nationalrat auch Nachtsichtgeräte umfassen – und ich zweifle, dass die Rebellen gerade nächtliche Ausweichmanöver im Sinn haben.

Wie ich schon früher sagte, ist die syrische Situation so ein Durcheinander, dass ich nicht behaupte, eine Lösung zu haben. Und ich ahne die Grenzen, wie wütend ich werde über Lösungen, die andere Leute vertreten, vor allem solche, die meine eigene Regierung verfolgt. Aber könnten wir zumindst ehrlich sein bei dem, was wir tun? Die USA, indem sie den Rebellen Kommunikations-Ausrüstung gibt, hilft jetzt offiziell den Syriern, andere Syrier zu töten. Das ist ein großer Schritt.

Es gab noch eine große Entwicklung bei der Konferenz der „Freunde Syriens“, worüber die Times schrieb: Einige arabische Staaten schaffen einen 100 Millionen $ Fond, um die Rebellen-Soldaten zu entlohnen. Legt man diese beiden Entwicklungen zusammen, dann sieht es verdammt nach den ersten Schritten aus für eine tatkräftige Intervention durch eine Koalition aus den USA, den arabischen Staaten und anderen.

Und à propos der Begriff „Freunde Syriens“: US-Beamte bezeichnen dies gerne als einen Krieg des „syrischen Volkes“ gegen einen Diktator. Das mit dem Diktator stimmt wohl, aber bisher sind Mengen des syrischen Volkes auf seiner Seite. Das sind nicht nur die Alawiten, sondern auch Syriens zwei Millionen Christen und nicht wenige Sunniten, vor allem die eher Begüterten. Folglich wird die Intervention, an der wir teilnehmen werden, zu einem lang andauernden Bürgerkrieg führen, wobei es zu ethnischen Säuberungen und anderen Grausamkeiten auf beiden Seiten kommen wird.

Man verstehe mich nicht falsch: der Abgang von Assad könnte gut für Syrien sein. Aber das hängt sowohl von den wahrscheinlichen Kosten ab (was das Leiden der Syrier angeht) als auch von dem, was nach seinem Abgang kommt. Ich kenne keine glaubwürdigen Erwartungen der amerikanischen Regierung für beide Fälle. Daher sehe ich nicht, wieso seine Bürger selbst die ersten Schritte zu einer Intervention unterstützen sollten.

[Update: Kurz bevor ich dies auflege, lese ich, dass Assad zugestimmt hat, die Truppen von dicht bevölkerten Zentren bis zum 10. April zurückzuziehen. Auf die Gefahr hin, zynisch zu klingen, teile ich die Twitter-Reaktion von @QifaNabki: „Assad braucht Zeit bis zum 10. April, um sicher zu gehen, dass seine Reformen in Homs wirken.“]

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