Donnerstag, 12. März 2015

KRIEGE IM 21. JAHRHUNDERT

Rudolph Bauer (Hg.) 
KRIEGE IM 21. JAHRHUNDERT - Neue Herausforderungen der Friedensbewegung"

Rezension: Einar Schlereth
Klavreström, den 12. März 2015

Als ich die Einleitung zu diesem Band von Rudolph Bauer erhielt, in der er die Entstehung, Intention und den Inhalt umriss, war ich beeindruckt von der Bandbreite der Themen in diesem ambitiösen Vorhaben und der Zielsetzung, sich der: " gegenwärtigen (Welt-)Kriegsgefahr zu widersetzen, insbesondere aufmerksam zu machen auf die neuen Entwicklungen und die zumeist weitgehend unbekannten und unbemerkten Erscheinungsformen der kriegerischen Propaganda, der Kriegsvorbereitung durch Militarisierung und der Kriegsführung: konventionell Staat gegen Staat und asymmetrisch „gegen den Terror“.

Da war ich neugierig geworden.

Beim ersten Kapitel Einübung des hegemonialen Habitus von Franz Hamburger heißt es gleich im ersten Abschnitt:

"Aufbruch des Jahrzehnts ab der Mitte der 1960er Jahre. Die Analyse des herrschenden Unfriedens im Kalten Krieg richtete sich jetzt nicht mehr auf die detaillierte Beschreibung des „Feindes“ und seiner angeblichen Bedrohungspotentiale, sondern auf die Pathologie der eigenen Gesellschaft und der von ihr verursachten Rüstungsdynamik."(S. 327)

Dem kann ich als alt-68-er nur teilweise zustimmen. Wir haben sehr wohl auch weiterhin den Feind in Vietnam sehr genau beschrieben, wandten uns aber gleichzeitig auch 'der eigenen  Aggressivität' zu, die es offiziell ja gar nicht gab.
Nach einleitenden Erklärungen kommt dann ein Kapitel zu Methodische Notiz zur Schulbuchuntersuchung. Nanu, ist dies eine Doktorabhandlung? Da hätte das hineingepasst, aber hier? Doch am Ende kommt Hamburger zur Sache, den 'Befunden der Sozialkunde-Schulbuchanalyse'. Es wird festgestellt, dass Schulbücher ein 'fachspezifisches Muster' aufweisen und  "Im Unterschied zu anderen Schulfächern wird kein definitiv abgeschlossenes Wissen angeboten."


Wie bitte? Natürlich wird da ein abgeschlossenes Wissen angeboten auf Basis unserer hochgelobten FdGO (Freiheitlich-demokratischen Gesellschaftsordnung) und ihres kapitalistischen Fundaments, das sogar bei Strafe niemals von niemandem in Frage gestellt werden darf (als demokratischen i-Tüpfelchen gewissermaßen).
Als zweiten Untersuchungsgegenstand sagt Hamburger "kann die Auswahl und der Inhalt" der Texte zu einem Thema sein. Ja wieso denn "kann"? Ich dachte, das würde er hier mit seinen Befunden leisten. Nichts dergleichen. Ich habe keine Befunde gefunden.

In Aufbau: Innen und Außen wird festgestellt: "Die Schulbücher für Sozialkunde sind in der Regel zum konzentrischen Gesellschaftsbild der vorkritischen Phase zurückgekehrt." Kurz und bündig meint er: Es ist alles beim Alten geblieben. Hamburger verweist auf Themen, wie Armut in der Welt, den Einmarsch des Irak in Kuwait, Konflikt um Rohstoffe und internationaler Terrorismus sowie 'die dramatische Veränderung der weltpolitischen Lage'. Doch schon die Auswahl dieser Themata spiegelt die herrschende Ideologie wieder. Natürlich ist richtig, was Hamburger sagt, dass 'Frieden, Freiheit, Wohlstand' die Dreifaltigkeit der westlichen Basisideologie sein, die wie in Zeiten des Antikommunismus (sind die jemals verschwunden?) auch heute über 'den Beschreibungen Deutschlands und Europas' schweben. Aber das sind alles nur Knochen, an denen das Fleisch fehlt.

Das ist auch der Fall in Dramaturgie von Bedrohung und Ausgesetztsein. Da stimmt der Verfasser sogar einem Satz zu -  „In der Menschheitsgeschichte gab es fast immer irgendwo auf der Welt bewaffnete Auseinandersetzungen“ - der grundlegend falsch ist. Diese Auseinandersetzungen sind eine neue Erfindung des Menschen vor etwa 10-15000 Jahren mit der Entstehung des Patriarchats, die aufs Engste mit der Entstehung des vom Mann an sich gerissenen 'privat' gewordenen Eigentums, dem daraus entstehenden Herrschaftsanspruch und dessen Schutz verknüpft ist.

Im weiteren Verlauf reiht der Autor die Worthülsen der Politiker, deren Parolen und Schlagwörter aneinander, die wir ja alle kennen. Was soll ein Satz wie "das große Armutsproblem hat sich verschärft"? Wie? Von ganz alleine? Hat der liebe Gott die Finger im Spiel gehabt? Es ist halt einfach so passiert. Das, was sich dahinter verbirgt, ist doch das, was die allermeisten Menschen nie erfahren, nie lernen und folglich nicht wissen. Da kann der normale Durchschnittsmensch nur sagen: So ist es, so bleibt es.

Dabei liefert der Autor selbst das Rezept: "Nur wenige Sätze zum Imperium americanum, das sich nicht einfach im Sicherheitsrat durchsetzen kann und deshalb die Legitimität der UNO beschädigt, könnten ein Spannungsfeld für tatsächliche Diskussionen eröffnen. Doch Fehlanzeige." Genau diese wenigen Sätze fehlen auch bei ihm.

Das ändert sich erst in Vom Verteidigungsbündnis zum Friedensapostel, wobei ich auch das 'Verteidigungsbündnis' monieren würde. Die NATO war von Anfang an ein Bündnis der Aggression gegen den Kommunismus, den 'Feind der Welt' (ganz im Sinne Hitlers). Aber hier wird etwas mehr ins Detail gegangen, obwohl auch hier 'His Masters Voice' den Vorrang hat. Was ist die Aneinanderreihung der Selbstdarstellungs-Floskeln der NATO auf Seite 51 anderes? Was soll der arme unwissende Leser damit anfangen? Selbst 'Eingeweihte' könnten höchstens bruchstückhaft beschreiben, was denn nun verkehrt dran sein soll, 'wenn die NATO sich bei Krisen und Sicherheitsrisiken engagiert'. Und diesem Engagement hat sich die Bundeswehr dank Joschka Fischer bereitwillig angeschlossen.

SPASS-FAKTOR-KRIEG - Kriegs-Videospiele und Kampf-Simulatoren von Michael Schulze von Glaßer lautet der zweite Artikel des Buches. Hier lese ich im ersten Absatz:

"Videospiele, die Militär und Krieg thematisieren, erfreuen sich dabei besonderer Beliebtheit." Thematisieren? Das heißt das Für und Wider erörtern, aber hier geht es um die brutale, 'wirklichkeitsechte' Darstellung und Identifizierung mit Mord und Totschlag. Es folgt, wie ungeheur beliebt die Kriegsspiele sind und welch ungeheure Profite damit gemacht werden.

Aber dann will der Autor ein Militärbeispiel mit seiner politischen Dimension vorstellen, danach die Produktion in Verbindung mit Militär und der Rüstungsindustrie, im dritten Teil inhaltliche und entwicklungstechnische Alternativen und endlich den "aktuellen politischen Umgang mit Videospielen in Deutschland" und eine "mögliche  Positionierung der Friedensbewegung zum Thema Videospiele". Hört sich spannend an.

Es folgen FÜNF Seiten ausführlicher Beschreibung eines Spiels mit extremer, äußerster Kriegshetze gegen China. Danach wird ein 'US-Medienwissenschaftler' zitiert, der das nicht weiter schlimm findet. Doch dann folgt TATSÄCHLICH eine ernsthafte Kritik, nicht vom Autor, sondern von chinesischer Seite, die diese Spiele als "Kulturaggression" bezeichneten. Sie wurden dann folgerichtig auch verboten, woraus einem US-Unternehmen ernsthafte wirtschaftliche Konsequenzen erwachsen'.  Das wird allerdings einfach so in den Raum gestellt, wobei sich jeder denken kann, was er will, vor allem: Naja, das kennt man ja, die Chinesen verbieten alle Kritik.

Sodann ist die Rede von der direkten Zusammenarbeit der Videoproduzenten mit der US-Armee, die sowohl auf Inhalt als auch realitätsnahe Darstellung Einfluss nimmt (wie bei allen Hollywood-Produktionen auch). Der Autor merkt immerhin an: "Dabei ist zu beachten, dass das Militär natürlich nur Medien-Produktionen unterstützt, die ihr etwas nutzen, d. h. von denen sich die Militärs einen Werbeeffekt versprechen." Er vergisst aber zu sagen, dass im Fall, dass ein Produzent auf die Zusammenarbeit verzichtet, er seinen Laden dicht machen kann, weil die Reklame durch Armee und Medien flach fällt.

Dieselbe Kooperation findet auch mit der Rüstungsindustrie statt. Für Nachbildung der Waffen und Ausrüstung müssen Lizenzen bezahlt werden, wodurch diese Gangster also auch von den Spielern finanziert werden. Daran stört den Autor aber nur die mangelnde Transparenz. Umgekehrt bezahlt auch die Waffenindustrie zuweilen Lizenzen an Video-Software-Entwickler, z. B. um sie als Trainingssimulatoren einzusetzen.

Auch die Bundeswehr hält die Nase vorn und entwickelt zusammen mit mehreren Softwareproduzenten Simulatoren, die die Bundeswehr realitätsnah auf kommende Einsätze vorbereiten. Aber all diese Informationen kann ich mir bei Google und Wikipedia runterladen. Es fehlt einfach, was wir denn als Kriegsgegner gegen diesen Mist tun können und sollen.

Aha, aber hier kommt etwas und zwar Softwareentwicklung für Antikriegs-Videospiele. Hier geht es darum, dass in den vergangenen Jahren auch ein Markt für Spiele, "die sich gelegentlich auch einmal kritisch mit Politik und Gesellschaft auseinandersetzen". Na, ist ja toll. Gelegentlich! Doch dann erfährt man, dass es sich auch um Kriegsfilme handelt, wo der Krieg nicht gerade verherrlicht wird, trotzdem aber nicht ohne reichlich Gewalt auskommt. Der Autor meint, man könne es "nicht eindeutig als reines Antikriegsspiel bezeichnen". Und meint, dass dies "als interessanter Weg angesehen werden kann". Aber nicht von mir.

Der Autor nennt dann noch die GLOBAL CONFLICT-Spiele, die von den Leuten aber als langweilig angesehen werden, folglich nicht gekauft und deshalb nicht von den Läden angeboten werden. Er gibt zu, dass "inhaltlich friedliche Alternativen" rar sind, aber er nennt keine, außer solchen, die letztlich keine sind. Z. B. Spec Ops - The Line, das trotz seines "friedensfördenden Inhalts" reichlich "grausamen" Mord und Totschlag bietet. Das müsse man halt in Kauf nehmen. Ich nicht.

Auch der Jugendschutz hat nichts gegen ALLE diese Video-Spiele, der ansonsten akribisch genau misst, wieviel nacktes Fleisch einer Frau gezeigt werden darf. Und die 'Spielesoftware-Selbstkontrolle' ist nur ein Witz. Sie hat natürlich prinzipiell etwas gegen eine Altersangabe, und wenn eine kommt, soll sie so niedrig wie möglich sein. Der Autor meint sogar, Gewalt zu zeigen, könne auch friedensfördend sein. Ich will nicht bestreiten, dass es vielleicht ein paar Fälle gibt. An den ständig steigenden Verkaufszahlen lässt sich das jedenfalls nicht ablesen.

Der Autor endet mit einem Gebet:
"Wichtig wäre in jedem Fall, dass die Hersteller von Videospielen sich der in ihren Spielen vermittelten Inhalte bewusst sind und dafür Verantwortung übernehmen – am besten also wohl aktuelle, realitätsnahe Konflikt-Szenarien meiden oder zumindest ausgewogen darstellen."  Amen.

Der dritte Beitrag stammt von Claudia Holzner und Julian Firges, wo ich Mut schöpfte, weil wenigstens mal eine Frau zu Wort kam. Er heißt
Militär auf dem Campus - Zivilklausel statt Rüstungsforschung
In der Tat wird hier das Problem viel pragmatischer angegangen. Die Fakten werden präsentiert: Deutschland einer der größten Waffenproduzenten der Welt, exportiert auch illegal in Krisengebiete und vor allem unter dem Deckmantel 'Humanitäre Intervention' und 'Das Morden Stoppen' (mit noch mehr Waffen!).  Dabei sei den meisten Menschen klar, dass "die effektivste Methode, um Gewalt zu vermeiden, nicht produzierte Waffen" sind. Dann beantworten die Autoren die Frage, wie es an den Hochschulen aussieht und die Antwort ist finster: Überall wird militärisch geforscht, aber alles ist geheim. Die wichtigsten Sachen müssen in einer Demokratie einfach geheim bleiben und vor des Volkes Augen verborgen werden. Ist doch sonnenklar.

Die Studenten haben verschiedene Methoden entwickelt, um friedenspolitisch zu wirken. Dazu gehören Proteste vor Rüstungsstandorten, Engagement für Transparenz und internationale Beschränkungen des Waffentransfers. Ein Minimalprogramm sozusagen. Dann zeigen sie auf, was sie in dieser Hinsicht unternommen haben.

Es zeigte sich, dass an allen Universitäten die Militär-Forschung geheim ist, und dass außerdem, wie eine NDR-Sendung aufdeckte, sogar manche Unis mit Millionen vom Pentagon unterstützt werden. Große Empörung: SPD, Grüne und Linke forderten Transparenz und Offenlegung aller Verträge. Aber daraus wurde wohl nichts. Zwar haben ein gutes Dutzend Unis und Hochschulen eine Zivilklausel, d. h. sie betreiben nur Forschung für friedliche Zwecke, aber das wurde natürlich vom Pentagon beiseitegeschoben. Als Grund für Militärforschung werden häufig die sinkenden Forschungs-Gelder seitens des Staates angeführt.

Nun in Kassel gelang es den Studenten 2013 eine große Mehrheit (72.39%) für eine Zivil- und Transparenzklausel zu gewinnen. Der Uni-Senat nahm zwar eine etwas vage Zivil- aber keine Transparenzklausel an. Prompt gab es selbst gegen die Zivilklausel Klagen, dass diese nicht mit der Wissenschaftsfreiheit vereinbar sei. Diese Frage ist noch nicht endgültig geklärt.

Den Studenten ist jetzt daran gelegen, eine bindende Zivilklausel durchzusetzen, die jede Form der Kooperation mit Rüstungsbetrieben unterbindet. Eine nicht eindeutig geklärte Frage ist hierbei das Problem des 'Dual Use', d. h. dass Forschung doppelten Nutzen haben kann.

Seither hat man sich an der Uni mit Präzisierung von Zivil-Klausel und 'Dual Use' eingehender beschäftigt und auch mit der Rolle der Wissenschaft bei Konflikten und Kriegen. Die Autoren sind auch der Ansicht, dass "Hochschulen als Teil der Gesellschaft die Möglichkeit wahrnehmen (sollten), sich nach demokratischen Prinzipien zu positionieren, um mit dem Ziel gesamtgesellschaftlichen Nutzens auf die Gesellschaft zurückzuwirken."

Eine löbliche Absicht, aber auf dem Hintergrund historischer Erfahrungen ist das eher unwahrscheinlich, dass nur dieses minimalistische Programm durchgesetzt wird. Da brauchen wir nur daran zu denken, dass die große Mehrheit der Studenten 1933 für Hitler stimmte. Das wäre doch auch ein interessantes Forschungsthema, wieso die Studenten- und Akademikerwelt so anfällig für konservativ /rechtes Gedankengut ist. Aber da müsste man ja die Klassenfrage stellen. Und außerdem dürfen wir nicht den backlash vergessen, der schon Mitte der 70-er Jahre einsetze, als dafür gesorgt wurde, dass der Plebs möglichst nicht mehr die geheiligten Hallen der Universitäten betritt.

Der vierte Beitrag von Hans-Jörg Kreowski heißt
Zivile und militärische Sicherheit - Unheilvoll vermischt aus Sicht der Informatik
Er gleitet sehr schnell über in die Cyber-Sicherheit, wobei die militärische und gar die zivile Sicherheit hinten runterfällt. Neue Studien haben schließlich gezeigt, dass die ganz große Mehrheit (ich meine, es waren 90%) der Opfer aller Kriege in den vergangenen 100 Jahren Zivilisten waren. Das ist doch wohl deutlich genug: Man pfeift auf die Zivilisten. Die sind selbst Schuld, wenn sie immer dort rumstehen oder -liegen, wo gerade Bomben fallen.

Resigniert stellt der Verfasser am Ende fest:
"Sicherheit ist in der Informatik ein allgegenwärtiges Thema. Dabei werden aber die Bezüge zu Rüstung und Krieg weitgehend verschwiegen und nicht nur hinter dem Begriff der militärischen Sicherheit  verschleiert. Das erstrebenswerte Ziel von sicheren informationstechnischen Systemen und von Cybersicherheit lässt sich nicht erreichen, wenn gleichzeitig für den Cyberkrieg aufgerüstet wird."

Den nächsten Artikel von Rolf Gössner "Informationskrieg der Geheimdienste - Die Militarisierung der 'Inneren Sicherheit'"
Hier wundert mich, ob der Verfasser davon ausgeht, dass '9/11'  tatsächlich "Anschläge" waren und auch das "Hebdo-Spektakel" in Paris. Für mich und abertausende Experten waren alles vom Imperium inszenierte "Terrortaten", um Angst und Schrecken zu säen und die radikalsten Übewachungsmethoden und Einschränkungen der verfassungsmäßigen Rechte quasi über Nacht durchzusetzen. Davon mal abgesehen, enthält dieser Artikel sehr viel interessantes Material über die Aufrüstung der Geheimdienste und die Militarisierung der Gesellschaft, dass das einer eigenen Rezension bedürfte.

Aber nun habe ich genug von den reinen Bestandsaufnahme und ausgehend von Rudolph Bauers Satz:
"Die Erwartung, auf eine interessierte Leserschaft zu treffen, und die Hoffnung, Mut zu machen für den Widerstand, entsprechen dem Wunsch und der Zuversicht von Herausgeber und Verlag." will ich mich dem Einspruch am Ende des Buches widmen.

Jörg Wollenberg hat mit  „Flammenrausch des Vaterlandes“     - Krieg und Frieden: Lehren aus der Geschichte einen sehr guten Überblick zum 'Burgfrieden von 1914' und dem großen Verrat der Arbeiterklasse (und aller europäischen Arbeiterklassen) geschrieben.

Doch hätte er zumindest erwähnen können, dass es nicht nur in Deutschland Kriegshetzer gab, sondern auch vor allem in England und Frankreich, das von der Revanche für 1871 besessen war. Parole: 'Kriegshetzer aller Länder vereinigt euch!'
Im übrigen bin ich auch hier der Meinung, wie mit dem enormen Detailwissen von Jörg Wollenberg der großen Mehrheit der Friedensfreunde gedient werden soll. Da wäre meines Erachtens ein Skizze mit breiten Pinselstrichen wirkungsvoller.

Rudolph Bauer "Der Schoß ist fruchtbar noch -Kriege, Katastrophen und das Kapital"

Die Einführung mit der Betonung auf dem Kapital, das für die Massaker und furchtbaren Kriege der vergangenen Jahrhunderte verantwortlich ist, kann nicht oft genug klar gemacht werden. Noch genauer ist es das 'Recht auf Eigentum', das von der Französischen Revolution sogar als grundlegendes Menschenrecht anerkannt und in die Verfassung geschrieben wurde, was letztlich absurd ist.

Doch dann bringt Rudolph Bauer auf S. 395 ein Zitat:
„Einerseits bildet abstrakte menschliche Energie die reale Substanz des Kapitals; andererseits erzwingt die Konkurrenz eine fortschreitende Produktivkraftentwicklung, die die menschliche Arbeitskraft überflüssig macht und die Substanz des Werts aushöhlt.“ (Kurz 2013: 71)
und dem kann ich nicht folgen. Die menschliche Arbeitskraft kann nicht überflüssig werden. Die Produktivkräfte müssen ja auf jeden Fall geschaffen werden und diese können einen Teil der Arbeitskräfte überflüssig machen. Doch statt die gewonnene Freizeit zu verteilen, wie Lenin meinte (man denke an die berühmte Frage, die er der Münchner Räterepublik stellte),  werden Arbeiter gefeuert, wodurch sich wiederum der Mehrwert verringert.

S. 395 verstehe ich auch nicht richtig, wo denn Rudolph Bauer  in Kossovo, Libyen, Afghanistan, Irak, Somalia, Syrien "erhöhte Nachfrage" feststellen kann?
Oder wo er  "auf beiden Seiten ... steigert sich die aggressive Angstpropaganda" in Russland feststellen kann? (396) Alle Texte, die ich von wichtigen Vertretern der russischen Seite - Historiker, Politiker, selbst Militärs  und bis hin zu Putin gelesen habe, fordern eindringlich den Frieden, das Gespräch und ein Ende des Säbelrasselns.

Ganz richtig schreibt Rudolph Bauer, dass der 'Casino'-Finanzkapitalismus eine gigantische Umverteilung bewirkt. Aber dazu gehört auch, dass er auf die erhöhte KONZENTRATION des Kapitals zielt (wobei durchaus auch Luftkapital vernichet werden kann - ein Prozess, bei dem hunderte Banken verschwunden sind), die die Macht der Größten noch größer macht. (397)

Und man könnte ergänzen (S. 399) 'bei den Staatshaushalten, die durch Entlassung, Austerität, die Schließung von Unternehmen etc.  enorm geschwächt werden', insbesondere auch durch den Kapitalabzug geschwächt werden, der in Steueroasen geparkt wird in Erwartung besserer Zeiten.

Sehr wichtig finde ich, dass Rudolph Bauer Seite 409 auch auf die Ausbeutung und Zerstörung der Natur durch das Kapital zu sprechen kommt. Er scheint zu meinen, dass Marx das übersehen habe, aber ich weiß, dass besonders Engels gerade darüber eine Menge geschrieben hat.

Auf derselben Seite lese ich weiter unten: 'Die Natur kann zurückschlagen'. Nun das ist ein Topos, den Umweltschützer gerne benutzen, aber  die Natur kann natürlich nicht zum revolutionären Subjekt werden. Sondern die Welt mitsamt der Natur, den Pflanzen, Tieren, dem Wasser, der Luft und der Erde gehört in die Hand der Arbeiter, bzw. der Menschen, wie es von den nordamerikanischen Indianern immer vertreten wurde, die in der Tat die Natur als Partner ansahen und nicht als Ausbeutungsobjekt.
Aber das sagt Rudolph weiter unten auch selbst.

Abschließend möchte ich sagen, dass ich etwas andere Erwartungen an das Buch hatte. Ich erwartete eher ein praktisches Handbuch für die 'neu' erstandene Friedensbewegung, die immerhin eine vieltausendköpfige Menschenmenge auf die Beine gestellt hatte. Doch bei der Lektüre fragte ich mich ziemlich schnell, ob es sich womöglich ausschließlich an hochgebildete Akademiker richte. Aber selbst dann: Was soll der durchschnittliche Akademiker damit anfangen oder daraus gewinnen? Mut zum Widerstand? Eher nicht. Im wesentlichen wird ein Gebirge an Fakts aufeinandergeschichtet, ohne dass einem Tips und Hinweise gegeben werden, wie es überwunden respektive abgetragen werden kann.

Ich denke, dass es daran fehlt, um der Ratlosigkeit abzuhelfen, die allenthalben herrscht. Ich denke da etwa an das Beispiel  'Media Lens' (Medien Linse) von den beiden Davids, Edwards und Cromwell, das mustergültig ist,  nicht nur hinsichtlich ihrer Analysen, sondern auch ihrer praktischen Handlungs-Anweisungen.

Diesbezüglich ist auch wichtig, dass Wollenberg an die frühen Traditionen der Friedensbewegungen erinnerte, die schon vor dem 1. Weltkrieg entstanden, und an die großen Persönlichkeiten wie Ossietsky, Tucholsky etc.

Einen wirklichen Wert könnte das Buch gewinnen als Steinbruch für massenweise Themen, um Seminare und Studienzirkel zu veranstalten, um eine Basisarbeit im Volk  in Gange zu bringen,  was das einzige Mittel wäre, wirksame Breitenwirkung zu erzielen.

-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Ab Mitte April im Buchhandel erhältlich oder zu bestellen: Rudolph Bauer (Hrsg.),
"Kriege im 21. Jahrhundert. Neue Herausforderungen der Friedensbewegung",
mit Beiträgen von der Antikriegskonferenz Berlin2014. Kassel: Sonnenberg
Verlag 2015 (= Friedenspolitische Reihe: Bd. 01). ISBN 978-3-933264-77-0 – Voraussichtlicher Preis: 12.80 Euro
Sonnenberg Verlag, Paul-Nagel-Str. 14, 34121 Kassel - info@sonnenbergverlag.de
-----------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------

5 Kommentare:

  1. das ist mir zu konfus verfasst, sodass ich auf meine übliche kritik zu dern zahlreichen wiederholungen der üblichen marxistischen irrtümer verzichte.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Da ich bisher immer nur gehört habe, dass es marxistische Irrtümer geben soll, mir aber bisher - auch auf Nachfrage hin - noch niemand einen genannt hat, bin ich sehr interessiert, doch wenigstens einmal zu erfahren, was ein marxistischer Irrtum ist. Am besten erklären Sie dann noch, was ein "üblicher" marxistischer Irrtum ist. DANKE!

      Löschen
    2. die arbeitswertlehre zum beispiel (im artikel wird auch der mehrwert erwähnt). der folgenreichste irrtum, weil daraus eine ausbeutung konstruiert wird, die es nicht gibt. oder die theorie, dass der wohlstand des westens durch ausbeutung der 3. welt entstanden ist. oder dass der kapitalismus krieg und imperialismus zu seinem überleben benötigt/zwangsläufig dazu führt.

      Löschen
  2. volle Laberei..........statt präzise zu sagen, was doch so einfach, deutlich und klar zu erkennen ist........

    AntwortenLöschen