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Sonntag, 22. April 2012

ÄGYPTEN: Riesendemo auf dem Tahrirplatz gegen Militärjunta

Einar Schlereth
22. April 2012


Am Freitag fand wieder seit langem eine gigantische Demonstration gegen die Militärjunta statt, die immer noch alle Macht in Händen hält. Diesmal waren auch wieder alle vereint mit dem Schlagwort 'Nieder mit der Militärherrschaft': Liberale, Islamisten und Salafisten. Aber auf eine gemeinsame Vorgehensweise konnten sie sich nicht einigen. Die Liberalen schlugen vor, einen gemeinsamen 'antimilitärischen' "Revolutions" Kandidaten aufzustellen, worauf sich jedoch die Moslem Bruderschaft nicht einlassen wollte. Deswegen wurde sie von den Liberalen angeklagt, die Macht monopolisieren zu wollen. Bisher sind sie aus allen Wahlen als Sieger hervorgegangen.

Die Macht hat ihnen der Militärrat dennoch nicht übergeben. Der will die Präsidentenwahlen am 23./24. Mai abwarten und ist gegenwärtig dabei, die Kandidaten zu sieben. Die Spitzenkandidaten der Moslem Bruderschaft und der Salafisten sind unter fadenscheinigen Gründen ausgesiebt worden. Dies war für diese der Hauptgrund, an dieser Demo teilzunehmen.

Aber der Militärrat kann im Grunde in Ruhe abwarten, bis er "seinen" möglichst schwachen und fügsamen Kandidaten ausgeguckt hat, den er dann bei den Wahlen sponsern kann. Denn es gibt keine geschlossene Front wie zu Beginn der Revolution im vorigen Jahr, die ihm die Macht streitig machen kann.

Aber selbst wenn das Militär nicht den idealen Mann findet, weiss es doch, dass es sich auf die Gewehrläufe und die Verwaltung stützen kann, die ja nach wie vor von Mubarak-Leuten durchsetzt ist. Den Saustall auszumisten, hätte die Revolution allenfalls beim ersten Anlauf schaffen können. Stattdessen waren alle auf die Figur des Mubarak fixiert und die zu opfern, fiel den Militärs nicht allzu schwer.

Gewiss gab es einzelne Menschen, auch einige kleinere Gruppen, die sich schon damals dieses Sachverhalts bewusst waren. Aber sie konnten sich natürlich nicht durchsetzen. Wie schwach das politische Bewusstsein im allgemeinen ausgebildet war und ist, wird mir auch jetzt wieder klar, wo ich das Buch der berühmten Schriftstellerin Ahdaf Soueif "Kairo - meine Stadt, unsere Revolution" (so weit ich sehen kann, ist es bisher nur auf arabisch, englisch und schwedisch erschienen. Der englische Titel lautet 'Cairo: My City, Our Revolution', Bloomsbury, 2012) lese. Sie schrieb Ende des vergangenen Jahres: "Ich stelle mir gerne vor, dass ihr diese Zeilen hier in Kairo lest, der Hauptstadt in einem Ägypten, das wieder die Kontrolle über seine Ressourcen und sein Schicksal gewonnen hat, ein Ägypten, das Teil der Welt ist." Und weiter: "Tunesien hält Wahlen in diesen Tagen. Libyen ist sein Regime los geworden. Jemen und Syrien kämpfen immer noch. Das Volk ist in beinahe jedem Land in Bewegung."

Was soll man dazu noch sagen? Oh, heilige Einfalt.

Die meisten Großbetriebe Ägyptens sind nach wie vor in der Hand von Generälen. Der größte Teil des Ackerlandes nach wie vor fest in der Hand der Großgrundbesitzer. Das ägyptische Erdgas wird nach wie vor für Pfennige nach Israel gepumpt, während die ägyptischen Hausfrauen kein Gas zum Kochen haben. Die Grenze nach Gaza ist nach wie vor nicht geöffnet. Die Richter fallen um wie die Kegel, wenn die Amerikaner husten. Na, und von den außenpolitischen Vorstellungen ganz zu schweigen.

Armes Ägypten, dein Volk wird noch lange,sehr lange leiden müssen, bevor es sich von dem ganzen Geschmeiß und den Blutsaugern befreien kann. Erst dann wird man von einer Revolution sprechen können.