Zwar antwortet Jan Myrdal hier auf eine 'linke' Attacke in einer 'linken' Zeitung auf Britta Ring, die Schwedens heuchlerische Politik angreift und Syrien verteidigt, aber er greift ja eine Reihe von Fragen auf, die alle Linken und besonders Kommunisten angehen. Flamman hat zwar versprochen, seine Antwort zu veröffentlichen, aber darauf würde ich nicht allzu sehr bauen. Deswegen werde ich ihn auch auf den schwedischen Blog legen.
Jan Myrdal
2. Februar 2013
Was Anders Nordström in der Flamman [sozialistische Zeitung seit 1906. D. Ü.] am 31. Januar 2013 gegen Britta Rings Hinweis schreibt, dass die wirkliche Situation in Syrien kompliziert sei, muss näher untersucht werden. Das ist höchste Zeit.
Er schreibt:
„Wir haben sie ja schon früher
getroffen. Das waren jene, die meinten, dass es „vielleicht
doch ausländische Agenten waren, die die Revolte in Ungarn begannen,
vielleicht wurde die Berliner Mauer als Schutz gegen den
Imperialismus gebaut und vielleicht sind ja die politischen Gefangenen
in Kuba eigentlich doch CIA-Agenten. Wir wissen das nicht sicher. Die
Situation ist kompliziert ...“
Die Linke im allgemeinen und
die Vänsterpartiet [Linkspartei,
aus der Schwedischen Komunistischen Partei hervorgegangen. D. Ü.]
bezahlen heute noch einen hohen Preis, weil so viele und so lange es
machten wie Britta Ring ...“
Wie war es in Wirklichkeit?
Die Situation in und das Spiel um
Ungarn 1956 war mehr als kompliziert. Gewiss gab es „ausländische
Agenten“. Besonders Washington setzte hohe Summen nicht nur auf die
Propagandisten im „Radio Freies Europa“ und deren Entsprechung
außerhalb der wirklichen Akteure. Aber gleichzeitig forderten die
Vereinigten Staaten auf diplomatischem Wege die Sowjetunion zu einem
schnellen und starken militärischen Eingreifen gegen die Revolte auf
– um die europäische Stabilität zu bewahren. (Darüber wird
geschwiegen.)
Es gab auch eine innere kommunistische Opposition gegen die Politik, die Mátyás Rákosi führte. Es gab auch Widerstand im Volk gegen die Vorherrschaft der Sowjetunion. Aber außer einer sozusagen normalen bürgerlichen nationalistischen Opposition gab es auch, wie ich mich vom Frühling 1953 erinnern kann, als ich sie in Budapest traf, einen starken Faschismus der gekreuzten Pfeile [auch Garde genannt, SA-ähnlich. D. Ü.] im Untergrund (die sich jetzt in der Jobbik-Partei organisieren). Beim Aufstand in Ungarn 1956 wurde auch das erste größere und blutige europäische anti-jüdische Pogrom seit Polen 1945 durchgeführt, wo die Rote Armee eingreifen musste, um es zu beenden. Jene, die in Ungarn an die Laternen gehängt wurden, waren meist Juden (vom Sicherheitsdienst hieß es). Nichts davon wird in unseren offiziellen Medien berichtet.
Einen Teil dieser komplexen Wirklichkeit kannten wir jedoch. Unser, der damaligen SKP [Schwedische Kommunistische Partei. D. Ü.], Fehler war, dass wir – trotz Sture Källbergs interessanter Reportage von den konkreten Ereignissen – nicht tiefer in diese bestimmenden Komplikationen eindrangen, von denen weder Moskau noch Washington etwas wissen wollten.
Wir alle von der Linken, die in Berlin lebten – in Ost und West – wussten, dass die offene Grenze, der Valuta-Betrug und die vom Westen angeheizte Wirtschaftsflucht nach Westen bedeutete, dass das Volk in der Deutschen Demokratischen Republik verblutete. Ich war bei den Diskussionen der Kommunisten, dass dies beendet werden müsse, dabei. Aber was schlimmer war: an der Sektorengrenze und in den verschiedenen westlichen Kampforganisationen war die Situation dabei, einen Weltkrieg herbeizuführen. Die heutigen Mitglieder der Vänsterparti begreifen offenbar nicht, wie nahe wir im Kalten Krieg einem Atomkrieg waren. Ich selbst war in Indien, als die Mauer 1961 gebaut wurde, aber ich weiß noch, wie erleichtert Gun und ich waren. Und ich verstehe, warum die „Junge Welt“ im vergangenen Herbst für den Beschluss, die Mauer zu bauen, dankte und natürlich ein Mediengeheul auslöste. (Zum Hintergrund des Mauerbaus gibt es sehr viel veröffentlichtes Material. Ein interessantes Buch ist „Ohne die Mauer hätte es Krieg gegeben“ von Heinz Kessler und Fritz Streletz in der Edition Ost.)
Sicherlich verteidigte die damalige SKP – und „Ny Dag“ - die Mauer. Aber die Partei war nicht voll und ganz eingeweiht in die Frage. Ich weiß, dass nach den Diskussionen zwischen der SED der DDR mit der SKP in Schweden Willi Bredel sich bei Gun und mir beklagte, dass auch alte Freunde und Genossen in Schweden durch die allgemeine Propaganda beeinflusst werden.
Natürlich kenne ich die Schwiergikeiten in der DDR und mit der sowjetischen Vorherrschaft, die deren Politik lähmte. Meine Bücher wurden als „faschistische Kriegspropaganda“ verboten. (Obwohl die deutsche Auflage von „Karriere“ in großer Zahl rübergeschmuggelt wurde – zur Lektüre im MfS [Staatssicherheit. D. Ü.], glaubte ich.) Und in den 70-er Jahren, als ich in Berlin wohnte, konnte ich nicht in die DDR kommen, ohne dass mir die „Graumäntel“ vom MfS folgten. Wofür man die alte Partei anklagen kann, in der ich vom Frühjahr 1943 bis 1965 Mitglied war, ist nicht, dass sie Komplikationen sah, sondern dass man sie nicht hinreichend deutlich sah und deshalb leicht in „die allgemeine Wahrheit“ hineinschlitterte“. (Nach 1965 bin ich „parteiloser Kommunist“ gewesen, wie mich C. H. Hermansson auf dem Parteikongress 1965 vorstellte.)
Was Kuba angeht, drückt sich Nordström naiv aus. Der CIA hat jahrzehntelang einen schwachintensiven (zuweilen hochintensiven) Krieg gegen Kuba geführt. Ein Teil dieser Agenten ist ergriffen worden, aber natürlich nicht alle und zuweilen hat die kubanische Polizei falsch gehandelt und vielleicht einen einfach eigensinnigen oder vielleicht nur verwirrtes Individuum als CIA-Agenten verhaftet. Die Zahl solcher Fehler scheint mir jedoch in Kuba niedriger zu sein als inSchweden – um nicht von den Vereinigten Staaten zu reden.
Wenn es etwas gibt, was die sogenannte Linke hätte sich lernen müssen, dann ist es gerade das Komplizierte; nicht dem Strom zu folgen. Wie jetzt, wenn es um Libyen und Afghanistan – oder Mali und Syrien – geht. Oder um die französische Kommunistische Partei in Bezug auf Algerien oder um die Sozialdemokratie in Deutschland 1914.
Oder, um noch weiter zurückzugehen, um die allgemein europäische Linke – William Morris! - die damals den Großmächten in deren Kampf für „das Recht der kleinen Völker“ folgte, als es galt, das ottomanische Reich zu zerschlagen.
Ein gutes Gegengift dafür wäre, Marx und Engels zu lesen über die Konflikte im 19. Jahrhundert in Osteuropa. Die konnten wirklich sehen und Stellung gerade zu den Komplikationen beziehen. Trotz der öffentlichen Lügen. Aber die Texte sind tief in der MEGA 2 versteckt. [MEGA = Marx-Engels-Gesamt-Ausgabe. D. Ü.]
Es gab auch eine innere kommunistische Opposition gegen die Politik, die Mátyás Rákosi führte. Es gab auch Widerstand im Volk gegen die Vorherrschaft der Sowjetunion. Aber außer einer sozusagen normalen bürgerlichen nationalistischen Opposition gab es auch, wie ich mich vom Frühling 1953 erinnern kann, als ich sie in Budapest traf, einen starken Faschismus der gekreuzten Pfeile [auch Garde genannt, SA-ähnlich. D. Ü.] im Untergrund (die sich jetzt in der Jobbik-Partei organisieren). Beim Aufstand in Ungarn 1956 wurde auch das erste größere und blutige europäische anti-jüdische Pogrom seit Polen 1945 durchgeführt, wo die Rote Armee eingreifen musste, um es zu beenden. Jene, die in Ungarn an die Laternen gehängt wurden, waren meist Juden (vom Sicherheitsdienst hieß es). Nichts davon wird in unseren offiziellen Medien berichtet.
Einen Teil dieser komplexen Wirklichkeit kannten wir jedoch. Unser, der damaligen SKP [Schwedische Kommunistische Partei. D. Ü.], Fehler war, dass wir – trotz Sture Källbergs interessanter Reportage von den konkreten Ereignissen – nicht tiefer in diese bestimmenden Komplikationen eindrangen, von denen weder Moskau noch Washington etwas wissen wollten.
Wir alle von der Linken, die in Berlin lebten – in Ost und West – wussten, dass die offene Grenze, der Valuta-Betrug und die vom Westen angeheizte Wirtschaftsflucht nach Westen bedeutete, dass das Volk in der Deutschen Demokratischen Republik verblutete. Ich war bei den Diskussionen der Kommunisten, dass dies beendet werden müsse, dabei. Aber was schlimmer war: an der Sektorengrenze und in den verschiedenen westlichen Kampforganisationen war die Situation dabei, einen Weltkrieg herbeizuführen. Die heutigen Mitglieder der Vänsterparti begreifen offenbar nicht, wie nahe wir im Kalten Krieg einem Atomkrieg waren. Ich selbst war in Indien, als die Mauer 1961 gebaut wurde, aber ich weiß noch, wie erleichtert Gun und ich waren. Und ich verstehe, warum die „Junge Welt“ im vergangenen Herbst für den Beschluss, die Mauer zu bauen, dankte und natürlich ein Mediengeheul auslöste. (Zum Hintergrund des Mauerbaus gibt es sehr viel veröffentlichtes Material. Ein interessantes Buch ist „Ohne die Mauer hätte es Krieg gegeben“ von Heinz Kessler und Fritz Streletz in der Edition Ost.)
Sicherlich verteidigte die damalige SKP – und „Ny Dag“ - die Mauer. Aber die Partei war nicht voll und ganz eingeweiht in die Frage. Ich weiß, dass nach den Diskussionen zwischen der SED der DDR mit der SKP in Schweden Willi Bredel sich bei Gun und mir beklagte, dass auch alte Freunde und Genossen in Schweden durch die allgemeine Propaganda beeinflusst werden.
Natürlich kenne ich die Schwiergikeiten in der DDR und mit der sowjetischen Vorherrschaft, die deren Politik lähmte. Meine Bücher wurden als „faschistische Kriegspropaganda“ verboten. (Obwohl die deutsche Auflage von „Karriere“ in großer Zahl rübergeschmuggelt wurde – zur Lektüre im MfS [Staatssicherheit. D. Ü.], glaubte ich.) Und in den 70-er Jahren, als ich in Berlin wohnte, konnte ich nicht in die DDR kommen, ohne dass mir die „Graumäntel“ vom MfS folgten. Wofür man die alte Partei anklagen kann, in der ich vom Frühjahr 1943 bis 1965 Mitglied war, ist nicht, dass sie Komplikationen sah, sondern dass man sie nicht hinreichend deutlich sah und deshalb leicht in „die allgemeine Wahrheit“ hineinschlitterte“. (Nach 1965 bin ich „parteiloser Kommunist“ gewesen, wie mich C. H. Hermansson auf dem Parteikongress 1965 vorstellte.)
Was Kuba angeht, drückt sich Nordström naiv aus. Der CIA hat jahrzehntelang einen schwachintensiven (zuweilen hochintensiven) Krieg gegen Kuba geführt. Ein Teil dieser Agenten ist ergriffen worden, aber natürlich nicht alle und zuweilen hat die kubanische Polizei falsch gehandelt und vielleicht einen einfach eigensinnigen oder vielleicht nur verwirrtes Individuum als CIA-Agenten verhaftet. Die Zahl solcher Fehler scheint mir jedoch in Kuba niedriger zu sein als inSchweden – um nicht von den Vereinigten Staaten zu reden.
Wenn es etwas gibt, was die sogenannte Linke hätte sich lernen müssen, dann ist es gerade das Komplizierte; nicht dem Strom zu folgen. Wie jetzt, wenn es um Libyen und Afghanistan – oder Mali und Syrien – geht. Oder um die französische Kommunistische Partei in Bezug auf Algerien oder um die Sozialdemokratie in Deutschland 1914.
Oder, um noch weiter zurückzugehen, um die allgemein europäische Linke – William Morris! - die damals den Großmächten in deren Kampf für „das Recht der kleinen Völker“ folgte, als es galt, das ottomanische Reich zu zerschlagen.
Ein gutes Gegengift dafür wäre, Marx und Engels zu lesen über die Konflikte im 19. Jahrhundert in Osteuropa. Die konnten wirklich sehen und Stellung gerade zu den Komplikationen beziehen. Trotz der öffentlichen Lügen. Aber die Texte sind tief in der MEGA 2 versteckt. [MEGA = Marx-Engels-Gesamt-Ausgabe. D. Ü.]
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