Donnerstag, 15. August 2013

Bundesverband Arbeiterfotografie lädt ein in die zauberhafte Inselstadt Werder an der Havel

Der Aufforderung meiner Freunde von der 'Arbeiterfotografie', ein wenig Promotion für ihre Ausstellung zum 35. Jahrestag der Wiedergründung des Vereins zu machen, komme ich gerne nach. Umso mehr, als zwei virtuelle Freunde bei der Eröffnung mit dabei sein werden: Klaus Hartmann, Vorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbands und Hartmut Barth-Engelbart mit seinen Liedern, den wohl viele schon kennen, da ich seit langem seinen RSS-Feed auf meiner Seite habe. Ich denke, dass wir alle wissen, welche ungeheure Bedeutung Foto und Film von Anbeginn spielten und immer noch spielen. Ein Instrument, das ursprünglich zur Dokumentierung der Wahrheit und Realität gedacht war - zumindest von einem großen Teil der Anwender - ist inzwischen zum vornehmsten Instrument der Irreführung und Manipulation von Millionen Menschen und ganzen Völkern geworden. Natürlich gab es die Fälscherratten von Anfang an, aber sie konnten zu Anfang immer recht schnell entlarvt werden, was heute durch den Fortschritt der Fälschertechniken nur mit enormem Aufwand möglich ist. Ich nehme an, dass auch zu diesem Thema bei der Eröffnung einiges gesagt werden wird.
Also, nehmt den Stift zur Hand, malt euch ein Plakat und hängt es an die Küchenwand.





Der Bundesverband Arbeiterfotografie lädt ein Wir sehen uns! Im Schützenhaus, Stadtgalerie, Uferstr. 10, 14542 Werder/Havel (Inselstadt)
Wacht auf, Verdammte dieser Erde
35 Jahre Bundesverband Arbeiterfotografie
Wacht auf, Verdammte dieser Erde“ ist der Aufruf zur aktiven und kreativen, gerechten Mit- und Um-Gestaltung unserer Lebensbedingungen. Unsere Waffe ist die Kunst, die Fotografie...

Donnerstag, 19. September 2013, 19 Uhr
Ausstellungseröffnung (mit Kultureinlage von Ernesto Schwarz und Hartmut Barth-Engelbart)

Samstag, 21. September 2013 (15-21 Uhr)
Öffentliche Veranstaltung mit Vorträgen, Diskussion und Kulturprogramm
Eintritt: 10 Euro (reduziert 5 Euro)


Vorläufiges Programm
  • „Fotografie als Waffe“, Bild-Vortrag von Anneliese Fikentscher (Arbeiterfotografie-Vorsitzende) mit Diskussion
  • „Enteignung von 99 Prozent der Menschheit – und die Methoden ihrer Absicherung“, Vortrag mit Diskussion, angefragt: Klaus Hartmann (Vorsitzender des Deutschen Freidenker-Verbands und Vizepräsident der Weltunion der Freidenker)
  • „Die Medienkrieger – eine Innensicht“, Vortrag von Jürgen Rose (Oberstleutnant, Darmstädter Signal)  mit Diskussion
  • Kulturteil mit Ernesto Schwarz (revolutionäre Lieder), Hartmut-Barth Engelbart (revolutionäre Texte und Lieder), DIE BANDBREITE (mit Liedern, die den Nerv der Zeit treffen)
Ausstellung vom 21.09. bis 03.11.2013 im Kunst-Geschoß der Stadtgalerie im Schützenhaus, geöffnet Donnerstag, Samstag und Sonntag von 13-18 Uhr, Eintritt frei

Wir bitten, die Veranstaltung zu unterstützen und die Vorankündigung weiter zu verbreiten.
Wir brauchen Spenden!... und gute Ideen und Organisation, um möglichst viele Mitglieder und Gäste mit einzubeziehen, die weniger finanzstark sind. Deshalb: bildet Fahrgemeinschaften per Bahn oder Auto. Das senkt die Kosten. Wer Hilfe bei der Suche nach einer Unterkunft braucht, melde sich bitte.
www.arbeiterfotografie.com
Anneliese Fikentscher (1. Vorsitzende) anneliese.fikentscher@arbeiterfotografie.com
Peter Betscher (Vorstandsmitglied) peter.betscher@arbeiterfotografie.com

Das Spendenkonto:
Arbeiterfotografie e.V.
Konto-Nr. 101 656 203


Das Lichtbild dient der Aufklärung und Desorientierung


Anneliese Fikentscher


„Wir müssen die im Lichtbild ruhenden großen kulturellen Möglichkeiten in revolutionärem Sinne entwickeln. Im revolutionären Sinne, das bedeutet freilich nicht, dass wir einfach den bürgerlichen Film mit umgekehrten Vorzeichen spielen, den Bourgeois als Teufel, den Proletarier als Engel zeigen. Der Film soll die soziale Wirklichkeit widerspiegeln, statt der Lügen und Märchen darüber, mit denen das bürgerliche Massenkino die Werktätigen betört und betrügt...“ Clara Zetkin zitiert nach Willi Münzenberg in „Erobert den Film“, 1925.

Weitgehend über weltweite Kulturen gleich bleibend sind die grundsätzlichen menschlichen Regungen, Empfindungen für Schönes, Angenehmes, Neugier weckendes oder Abstoßendes. Wenige Parameter sind entscheidend, einem Licht-Bild, einer Fotografie aus der Sicht des Betrachters einen Wert – und sei es den der Unterhaltung – in Sekundenschnelle beizumessen. In uns bewahren wir Bilder mit Kultstatus wie das der vor dem Napalm-Angriff fliehenden, von Entsetzen gezeichneten Kinder in Vietnam. Diese Eindrücke sind im limbischen System des Gehirns gespeichert, das für Empfindungen zuständig ist. Rationalität, genaueres Verständnis über den Zusammenhang des Gesehenen setzt erst danach ein.

Als moderne Menschen des 20. und 21. Jahrhunderts sind wir einem Bilder-Bombardement ausgesetzt, stumpfen ab, entscheiden (noch) schneller, reagieren stärker auf Ungewöhnliches, z.B. auf Vergangenes und schätzen (wieder) die Schwarz-Weiß-Fotografie. Ende des 19. Jahrhunderts setzte der Fotograf Jacob Riis seine Kamera dazu ein, auf gesellschaftliche Verhältnisse einzuwirken. Riis konfrontierte seine Zeitgenossen mit der Studie „How the other half lives“, aus den Elendsquartieren – der anderen Hälfte der Menschheit – der in den New Yorker Slums Lebenden. Der Lehrer Lewis W. Hine bediente sich der Fotografie, um in Fabriken und Bergwerken auf Kinderarbeit und schlechte Arbeitsbedingungen aufmerksam zu machen, worauf sich eine Bewegung gegen kapitalistische Ausbeutung und einige publizierende Zeitschriften fanden, die zur dortigen Abschaffung der Kinderarbeit führten. In diesem Sinne finden sich bis heute Fotografen, die ihre Arbeit zur Anklage von Missständen betreiben, so der in Paris lebende Brasilianer Sebastiao Salgado, der seine vielfach prämierten Fotos in den Dienst der Landlosenbewegung stellt.

In Deutschland war zu Beginn des 20. Jahrhunderts der Milieuzeichner Zille einer derjenigen, die sich für Sozialstudien der Fotokamera bedienten. Ebenso lange wie die Fotografie um Anerkennung als künstlerisches Medium kämpfen musste, hielt und hält sich noch heute die Ansicht, dass der Fotografie und ihren verwandten Lichtbildmedien Dokumentar-Film und Fernseh-Nachricht zwangsläufig etwas Realistisches (damals Nichtkünstlerisches) und damit Glaubwürdiges anhaftet. Der Kunstwissenschaftler Richard Hiepe, der 1983 im Katalog „Riese Proletariat und große Maschinerie“ ein sozial-fotohistorisches Standardwerk schuf, war allerdings der Meinung: „Im Ergebnis hat sich die Kulturindustrie in den fotografischen Abbildern eines der vielseitigsten Instrumente zur Desorientierung über deren (der Betrachter) eigene Bedürfnisse geschaffen.“

Wie bei der eingangs auf den Film bezogenen Äußerung Clara Zetkins spielt die Frequenz der Verbreitung – wer hätte es gedacht – eine entscheidende Rolle. Kämpfte der Film als neues massenwirksames Medium mit trickreicher staatlicher Film-Zensur, so war die ärgste Pressezensur in den 1920ern, als Willi Münzenberg den ersten kommunistischen Pressekonzern aufbaute, überwunden. Seine Arbeiter-Illustrierte-Zeitung hatte eine Millionenauflage erreicht und war die zweitstärkste der Weimarer Republik, die zunehmend auf den Einsatz von Pressefotografie baute. Weil das erforderliche Bildmaterial über die Arbeits- und Lebensbedingungen der proletarischen Bevölkerung von den Agenturen nicht geliefert wurde, oder auch nicht geliefert werden konnte, rief er 1926/27 die Vereinigung der der Arbeiterfotografen Deutschlands VdAFD ins Leben. Alles Amateure, die geschult werden wollten und die sich an gelernte Regeln klammerten. Fotomontage, wie sie John Heartfield mit sarkastischem Witz regelmäßig auf den Titelseiten der A-I-Z einsetzte, war für die Arbeiterfotografen weitgehend tabu. Reiste der Redakteur des Verbandsorgans Arbeiterfotografie, Eugen Heilig, durchs Land und schuf eindrucksvolle Dokumente von „Akkord im Dreck“ oder „Hunger im Frankenwald“, so präsentierte Heartfield die komödiantische Montage „Hurrah, die Butter ist alle“, bezogen auf „Goerings Hamburger Rede“: „Erz hat stets ein Volks stark gemacht, Butter und Schmalz haben höchstens ein Volk fett gemacht“. Wie die „Geschichte“ ausging, ist bekannt.

Mit den 68ern traten einige „revolutionäre“ Fotografen auf den Plan der nach Sieger-Maßgaben gestalteten Republik. Allen voran Günter Zint, der seinen Job als Pressefotograf riskierte, „weil er bei den 68er Studentendemonstrationen nicht nur abfotografierte, sondern gleich mit demonstrierte“, bescheinigt Günter Wallraff, der von Zint bis heute bei seinen Undercover-Reportagen begleitet wird. Reich werden konnte Zint mit dieser Einstellung nicht.

„Fotografie als Waffe“ setzte wirkungsvoll Roland Günter, Professor, Werkbundvorsitzender und Autor des gleichnamigen Buches in den 1970ern zur gelungenen Rettung der Arbeitersiedlung Oberhausen-Eisenheim ein. Die Lebensbedingungen wurden fotografisch erfasst, Studien und Interviews beigefügt – eine eingeschworene Bewohner-Gemeinschaft erstarkte.

Anfang der 70er Jahre fanden sich in Hamburg und Köln Gruppen unter Bezugnahme auf den historischen Verband der Arbeiterfotografen zusammen, und 1978 gründete sich in Essen die Arbeiterfotografie als bundesweiter Verein. Sozial engagierte, weitgehend realistische Fotografie über Lebens- und Arbeitsbedingungen nach Maßgaben der historischen Vorgänger der Weimarer Republik stehen bis heute im Fokus.

Die wirksame Verführung insbesondere durch das emotional aufgeladene Bild wendet die Werbung an und die zum Krieg trommelnde Medienindustrie mit ihrer entsprechenden Hinterlandschaft. Im ersten Internet unterstützten Informationskrieg, 1999 gegen die Bundesrepublik Jugoslawien, kamen Flüchtlingsbilder nahezu ausschließlich (von Kindern) aus dem Kosovo zum Einsatz. Der World-Press-Preis zielte in dieselbe Richtung. Der Berliner Fotografin, Ehrenmitglied des Bundesverbandes Arbeiterfotografie, Gabriele Senft, ist die anklagende Kriegsgeschädigten-Dokumentation „Die Brücke von Varvarin“ zu verdanken. Senft gibt den Opfern ein Gesicht und eine Stimme, die vor deutschen Gerichten öffentlichkeitswirksam auf Schadensersatz klagten.

Unmittelbar nach Ende des 79tägigen heißen Krieges entstand eine Arbeiterfotografie-Reportage mit Ausstellung über die gezielt herbeigeführten zivilen Kriegsschäden mit dem Titel „FRY – gezielt kollateral“. Beispiel einer Falschmeldung per Film: Beim Raketenbeschuss eines Personenzuges am 12. April 1999, 10 Uhr, über der Schlucht von Grdelica, 60 km südlich von Nis, wird die Filmaufnahme aus dem Cockpit des Piloten herangezogen, um zehn tote und 16 verletzte zivile Opfer mit der Begründung zu entschuldigen, der Zug sei zu schnell auf die Brücke gefahren. Tatsächlich wurde, wie ein NATO-Sprecher im Januar 2000 zugeben musste, der „Beweis“-Film mit dreifacher Geschwindigkeit abgespielt.

Das Lichtbild – mit oder ohne zugehörige Richtig- oder Falsch-Information und erkennbarem Kontext – ist als Waffe einsetzbar. Seien wir uns dessen bewusst. Bis dato unübertroffenes Beispiel ist die Aktion mit medialer NON-Stop-Wiederholung vom 11. September 2001. Es gibt keine andere Reaktion als die der Betroffenheit und des Schocks. Aber die Bilder allein verraten fast nichts über die Hintergründe und Zusammenhänge, die mit einer Tabu-Formel abgeschlossen wurden.



Weiterführende Literatur


Richard Hiepe 'Riese Proletariat und große Maschinerie', Städtische Galerie Erlangen, 1983

Roland Günter 'Fotografie als Waffe - Zur Geschichte und Ästhetik der Sozialfotografie', VSA 1977, rororo 1982

Gabriele Senft 'Die Brücke von Varvarin', Dokumentation eines NATO-Kriegsverbrechens in Jugoslawien, Scheunen-Verlag 2002

Zeitschrift Arbeiterfotografie - Forum für Engagierte Fotografie, (seit 1972) Hg. vom Bundesverband Arbeiterfotografie, arbeiterfotografie.com – ISSN 0173-9530

'ZintStoff – 50 Jahre deutsche Geschichte', Fotos von Günter Zint, Imhof-Verlag, 2007

„Unter den Bomben der NATO“, Film-Dokumentation belgischer Journalisten von „Regards Croisés“, KAOS Film Köln

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