Eine echte Überraschung erlebte ich gestern, als ich von einer Mitarbeiterin eine PDF Broschüre zugeschickt bekam, geschrieben von dem alten Freund Rudolph Bauer aus Frankfurter Revoluzzer-Zeiten Ende der 60-er Jahre. Bekannt wurden wir durch die lieben Kinderchen, für die wir mangels Kindergärten den zweiten Kinderladen (nach Berlin) in Frankfurt gründeten. Rudolph wurde dann bald als Professor sesshaft in Bremen, wo wir uns noch einige Male sahen. Aber durch mein unstetes Leben verlor ich ihn aus den Augen. Umso schöner, ihn nun auf die alten Tage als Mitstreiter im Kampf gegen diese elenden Multis zumindest virtuell wiederzutreffen. Doch das wird sich, wie ich hoffe, bald ändern. Als erstes lege ich mal das Interview mit ihm auf, das - ganz richtig - Bertelsmann zum Thema hat.
Militarisierung durch Think Tanks
13.12.2014
Hinter der makellosen Fassade verbirgt sich ein Moloch, aber kein freundlicher, wie der Spiegel schreibt. |
Frage: Professor Bauer, in Ihrer jüngsten Publikation "Wir sind wieder mitten im Krieg: Militarisierung im Digitalen Zeitalter" befassen Sie sich schwerpunktmäßig mit dem Zusammenhang von Militarisierung und der Rolle von Think Tanks. Warum?
Rudolph Bauer: Weil dieser Zusammenhang in der Debatte bislang kaum wahrgenommen wird. Die Think Tanks haben in der Regel die Rechtsform der Stiftung. Beispiele: Bertelsmann-Stiftung, Stiftung Wissenschaft und Politik, German Marshall Fund of the United States. Mit dem Etikett "Stiftung" verbindet man gemeinhin etwas Gutes, etwas Philanthropisches, Gemeinnütziges. Darüber hinaus werden Stiftungen, die als Think Tanks agieren, auch von den Finanzbehörden als steuerrechtlich gemeinnützig eingestuft. Das heißt, sie sind von staatlicher Seite als wohltätige, dem Gemeinwohl dienende Institutionen anerkannt und genießen deshalb Steuerprivilegien.
Rudolph Bauer: Weil dieser Zusammenhang in der Debatte bislang kaum wahrgenommen wird. Die Think Tanks haben in der Regel die Rechtsform der Stiftung. Beispiele: Bertelsmann-Stiftung, Stiftung Wissenschaft und Politik, German Marshall Fund of the United States. Mit dem Etikett "Stiftung" verbindet man gemeinhin etwas Gutes, etwas Philanthropisches, Gemeinnütziges. Darüber hinaus werden Stiftungen, die als Think Tanks agieren, auch von den Finanzbehörden als steuerrechtlich gemeinnützig eingestuft. Das heißt, sie sind von staatlicher Seite als wohltätige, dem Gemeinwohl dienende Institutionen anerkannt und genießen deshalb Steuerprivilegien.
Als Think Tanks erwecken solche Stiftungen darüber
hinaus nach Außen den Anschein expertenhafter Kompetenz und
wissenschaftlicher Objektivität. Aber hinter der gutbürgerlichen Fassade
von Gemeinnutz, Seriosität und Wissenschaftlichkeit verbergen sich in
vielen Fällen ideologische Propagandamaschinen, die auf verschiedenen
Ebenen ihr schmutziges Handwerk ausüben: in der Politik, in den Medien,
in der Kultur, im Bildungswesen, in der Forschung - alles in der
verdeckten Absicht, die Militarisierung der Gesellschaft voranzutreiben.
Und dafür stehen immense Finanzmittel zur Verfügung, die dem
Staatshaushalt vorenthalten werden und keiner parlamentarischen
Kontrolle unterliegen.
Frage: Besonders betonen Sie die strategischen Vorarbeiten aus dem Hause Bertelsmann, gerade im Hinblick auf die EU-Osterweiterung, die jetzt im Ukraine-Konflikt Aktualität gewonnen haben?
Rudolph Bauer: Das "Haus Bertelsmann" hat zwei Gesichter. Eines davon ist die Bertelsmann-Stiftung, das andere ist der gleichnamige Konzern, der u. a. eine riesige Medienmacht weltweit verkörpert: mit zahlreichen Printmedien bis zu "Spiegel" und "Stern", dem weltgrößten Buchverlagsimperium Random House, großen Druckereien, der RTL-Senderfamilie und dem Internet-Logistikgiganten Arvato, der die größte Privatdatei mit persönlichen Daten der deutschen Bevölkerung besitzt: Über die privatisierten Post- und Bahn-Dateien kontrolliert Bertelsmann damit unsere Wohnorte und Bewegungsprofile, über die neue privatisiert verwaltete "Gesundheitskarte" dringt der Konzern noch tiefer in unsere Privatsphäre ein, pikanterweise in Kooperation mit Ablegern der NSA-Zulieferfirma Booz Allan Hamilton, bei der Edward Snowden seine Whistleblower-Karriere startete. Wie schon Bertold Brecht in "Mutter Courage" anmerkte, will das Kriegshandwerk alles und jeden geordnet und gezählt haben, bevor es ans Schlachten geht.
Frage: Besonders betonen Sie die strategischen Vorarbeiten aus dem Hause Bertelsmann, gerade im Hinblick auf die EU-Osterweiterung, die jetzt im Ukraine-Konflikt Aktualität gewonnen haben?
Rudolph Bauer: Das "Haus Bertelsmann" hat zwei Gesichter. Eines davon ist die Bertelsmann-Stiftung, das andere ist der gleichnamige Konzern, der u. a. eine riesige Medienmacht weltweit verkörpert: mit zahlreichen Printmedien bis zu "Spiegel" und "Stern", dem weltgrößten Buchverlagsimperium Random House, großen Druckereien, der RTL-Senderfamilie und dem Internet-Logistikgiganten Arvato, der die größte Privatdatei mit persönlichen Daten der deutschen Bevölkerung besitzt: Über die privatisierten Post- und Bahn-Dateien kontrolliert Bertelsmann damit unsere Wohnorte und Bewegungsprofile, über die neue privatisiert verwaltete "Gesundheitskarte" dringt der Konzern noch tiefer in unsere Privatsphäre ein, pikanterweise in Kooperation mit Ablegern der NSA-Zulieferfirma Booz Allan Hamilton, bei der Edward Snowden seine Whistleblower-Karriere startete. Wie schon Bertold Brecht in "Mutter Courage" anmerkte, will das Kriegshandwerk alles und jeden geordnet und gezählt haben, bevor es ans Schlachten geht.
Während die Bertelsmann-Stiftung ihre
strategischen Konzepte entwickelt, ist der Konzern oft Nutznießer und
trägt mit seiner Medienmacht dazu bei, diese Konzepte publik zu machen.
Von RTL über n-tv bis zum "Spiegel" wird in der Öffentlichkeit eine
Stimmung produziert, die dazu führt, bei der Bevölkerung die in der
Stiftung ausgeheckten Planungen populär zu machen (z.B. die
Privatisierung auf breiter Front mit den Bertelsmann-Konzepten zu PPP,
also "Public Privat Partnership") oder für den Arbeitsmarkt das fatale Hartz IV-Konzept).
Weniger bekannt ist bisher, dass Bertelsmann sich
schon seit langer Zeit auch mit strategischen, d.h. militaristischen
Zielsetzungen befasst. Was die EU- und Nato-Osterweiterung anbelangt,
bildet Bertelsmann eine der Speerspitzen, einmal hinsichtlich der
Ausweitung seines Medienimperiums nach Osten hin. Flankierend dazu
betätigt sich Bertelsmann aber auch bei der Propagierung der
politisch-militärischen Absicherung der wirtschaftlichen Ost-Expansion.
Besonders aktiv ist hier die "Bertelsmann Forschungsgruppe Politik" des
von der Stiftung finanzierten und gesteuerten Centrums für Angewandte
Politikforschung (CAP).
Frage: Letzteres hat im Jahre 1999 die Venusberg-Gruppe initiiert, die im Zusammenhang der von Ihnen erwähnten strategischen Vorarbeiten eine zentrale Rolle spielte. Was ist die "Venusberg-Gruppe" und wie nimmt sie Einfluss auf die Sicherheits- bzw. Militärpolitik?
Rudolph Bauer: Die Venusberg-Gruppe bestand aus dreizehn Mitgliedern. Ihre personelle Zusammensetzung erfolgte unter Leitung der Bertelsmann-Stiftung. In der Gruppe vertreten waren Leute aus Ministerien, aus der Wissenschaft, aus militärnahen Institutionen und natürlich auch aus der Stiftung selbst. Den Namen hat die Gruppe vom Ort ihres Treffens: dem Venusberg bei Bonn.
Frage: Letzteres hat im Jahre 1999 die Venusberg-Gruppe initiiert, die im Zusammenhang der von Ihnen erwähnten strategischen Vorarbeiten eine zentrale Rolle spielte. Was ist die "Venusberg-Gruppe" und wie nimmt sie Einfluss auf die Sicherheits- bzw. Militärpolitik?
Rudolph Bauer: Die Venusberg-Gruppe bestand aus dreizehn Mitgliedern. Ihre personelle Zusammensetzung erfolgte unter Leitung der Bertelsmann-Stiftung. In der Gruppe vertreten waren Leute aus Ministerien, aus der Wissenschaft, aus militärnahen Institutionen und natürlich auch aus der Stiftung selbst. Den Namen hat die Gruppe vom Ort ihres Treffens: dem Venusberg bei Bonn.
Offizielles Ziel der Gruppe sollte es sein, über
die Zukunft dessen nachzudenken, was europäische Sicherheit heißt, aber
militärische Herrschaftssicherung meint. Man kann sich von der
militaristischen Stoßrichtung überzeugen, wenn man sorgfältig die
Veröffentlichungen der Stiftung liest. Zum Beispiel das
Leitlinien-Papier mit dem Titel "Why the World needs a Strong Europe and
Europe needs to be Strong". Eine Fortschreibung erfuhren diese
Leitlinien jüngst in dem Papier "Neue Macht - Neue Verantwortung", aus dem auch die militaristischen Textbausteine der Reden von Bundespräsident Gauck entnommen sind.
In all den genannten und weiteren Papieren, die
sich einen sicherheits- und außenpolitischen Anstrich geben, werden
Konzepte der Militarisierung propagiert und für die Einspeisung in den
politischen Diskurs aufbereitet. D. h., nach Maßgabe dieser
strategischen Konzepte werden sowohl die politischen Entscheidungsträger
gebrieft als auch Meinungsführer in den Medien. Nicht zuletzt wird
somit die Bevölkerung auf vielfältigen Kanälen politisch und medial
beeinflusst und gesteuert.
Transatlantische Brückenschlag gegen Russland
Frage: Ein Kapitel heißt "Militarisierungsagentur Bertelsmann
Stiftung". Warum ist der Medienkonzern so bedeutsam und inwiefern trägt
er zur Militarisierung bei?
Rudolph Bauer: Die Bertelsmann-Stiftung ist ein erschreckend wichtiger Akteur bei der Implantierung der USA-gesteuerten Nato-Militärpolitik in der Bundesrepublik und Europa. Einer der Grundpfeiler der Politik der Bertelsmann-Stiftung ist der sogenannte transatlantische Brückenschlag, also eine Politik im Geleitzug der Vorgaben aus den Vereinigten Staaten, einer Politik auch entsprechend den geopolitischen Prämissen der USA-Militärstrategie, die im Zusammenhang der Ukraine erkennbar gegen Russland gerichtet ist. In diesem Zusammenhang kommt dann auch wieder der Medienkonzern ins Spiel: Als Propagandamaschine trichtert er militärpolitische Ideen von Pentagon und Nato den Menschen ein - zumeist subtil, wohlgemerkt. Zuweilen aber auch mit dem Vorschlag-Hammer, man denke an den "Stoppt Putin jetzt!"-Spiegel-Titel).
Frage: Die Militarisierung der Medien ist relativ sichtbar, manche sprechen von einem Medienversagen bezüglich der Berichterstattung zur Ukraine-Krise. Wie wird die Militarisierung in Politik, Kultur und Wissenschaft umgesetzt?
Rudolph Bauer: Die Bertelsmann-Stiftung ist ein erschreckend wichtiger Akteur bei der Implantierung der USA-gesteuerten Nato-Militärpolitik in der Bundesrepublik und Europa. Einer der Grundpfeiler der Politik der Bertelsmann-Stiftung ist der sogenannte transatlantische Brückenschlag, also eine Politik im Geleitzug der Vorgaben aus den Vereinigten Staaten, einer Politik auch entsprechend den geopolitischen Prämissen der USA-Militärstrategie, die im Zusammenhang der Ukraine erkennbar gegen Russland gerichtet ist. In diesem Zusammenhang kommt dann auch wieder der Medienkonzern ins Spiel: Als Propagandamaschine trichtert er militärpolitische Ideen von Pentagon und Nato den Menschen ein - zumeist subtil, wohlgemerkt. Zuweilen aber auch mit dem Vorschlag-Hammer, man denke an den "Stoppt Putin jetzt!"-Spiegel-Titel).
Frage: Die Militarisierung der Medien ist relativ sichtbar, manche sprechen von einem Medienversagen bezüglich der Berichterstattung zur Ukraine-Krise. Wie wird die Militarisierung in Politik, Kultur und Wissenschaft umgesetzt?
Rudolph Bauer: Die
bestialischen Kriegsverbrechen der IS oder ISIS sind leider eine gute
Werbung für den Militarismus, wie ihn Bertelsmann geplant hat und nun in
seinen Medien propagiert. Auf dem Gebiet der Kultur ist folgendes
festzustellen: Durch ein hohes Maß an politischer Enthaltsamkeit
ermöglichen Literatur, Bildende Kunst und Musik, dass die
Militarisierung gesellschaftlich ungehindert Fuß fassen kann und ihr
kulturell nichts, aber rein gar nichts entgegengesetzt wird.
Allerdings gibt es seit längerem schon
Einfallstore der Militarisierung, beispielsweise in der Popmusik, im
Rahmen der Truppenbesuche durch Film- und Fernsehgrößen, in Gestalt der
überbordenden Krimi-Gehirnwäsche in Literatur und Fernsehen. Und
natürlich durch das Nachrichtenwesen in Bild, Ton und Internet.
In der Wissenschaft beobachten wir gegenwärtig
einen schleichenden Prozess der Militarisierung dergestalt, dass
aufgrund der knappen Haushalte an Hochschulen und Universitäten immer
mehr Drittmittel für militärisch relevante Vorhaben eingeworben werden,
auch Mittel des Pentagon. Eine Gegenbewegung hat es schwer, z.B. mit
einer Aufrechterhaltung bzw. Neubelebung der Zivilklausel-Bewegung die Wissenschaften vor dem immer weiter ausufernden Zugriff von Militär- und Rüstungswesen zu bewahren.
Hier zeigt sich eine sekundäre Folge der großen
Kampagnen für Privatisierung, maßgeblich auch von Bertelsmann initiiert,
die einen "schlanken Staat" propagierten. Der durch die flankierend
propagierten Steuersenkungen reduzierte Staatshaushalt vernachlässigte
Investitionen in eine friedliche Zukunft, in Gesundheit, Soziales und
eben Bildung und Wissenschaft. Nun soll unter dem Schlachtruf der
"Sicherheit" militaristisch umverteilt, und die Grundrechte und
Zukunftschancen der Menschen sollen noch weiter in den Hintergrund
gedrängt werden. Das Trommeln für Aufrüstung dient jedoch keinesfalls
der Sicherheit der Bevölkerung, sondern vielmehr der Durchsetzbarkeit
größenwahnsinniger Strategien einer Geopolitik im Sinne von Macht- und
Wirtschaftseliten.
Das Militärische und das Zivile überlappen und vermischen sich.
Frage: Sie sprechen in ihrer Publikation auch vom "Zivil-militärischen Kampfraum". Was meinen Sie damit?
Rudolph Bauer: Die Militärforschung an Hochschulen und Universitäten ist dafür eines von vielen Beispielen. Es wird entweder argumentiert, dass die Forschungsprojekte mit militärischem Hintergrund auch einen zivilen Nutzen haben. Oder man verweist auf die militärische Verwendbarkeit der Ergebnisse ziviler Forschung. Allgemein beruft man sich auf die Freiheit der Forschung - ein Sarkasmus, wenn damit Mord, Unterdrückung, Ausbeutung und Unfreiheit begründet werden.
Rudolph Bauer: Die Militärforschung an Hochschulen und Universitäten ist dafür eines von vielen Beispielen. Es wird entweder argumentiert, dass die Forschungsprojekte mit militärischem Hintergrund auch einen zivilen Nutzen haben. Oder man verweist auf die militärische Verwendbarkeit der Ergebnisse ziviler Forschung. Allgemein beruft man sich auf die Freiheit der Forschung - ein Sarkasmus, wenn damit Mord, Unterdrückung, Ausbeutung und Unfreiheit begründet werden.
Sarkastisch scheint mir auch, eine Professur für
Internationale Beziehungen und Völkerrecht ausgerechnet nach Henry
Kissinger zu benennen. Die maßgeblich vom Verteidigungsministerium
finanzierte "Henry-Kissinger-Professur für Internationale Beziehungen
und Völkerrechtsordnung unter besonderer Berücksichtigung
sicherheitspolitischer Aspekte" steht damit in der Tradition eines
US-Außenministers, der 1973 einen blutigen Militärputsch gegen Salvador
Allende, den sozialistischen Präsidenten Chiles, zu verantworten hatte.
Nicht jeder dürfte heute, wie der CDU-Verteidigungsminister Thomas de
Maizière damals, die Meinung vertreten, dass Henry Kissinger sich damit als "einer der großartigsten Staatsmänner des 20. Jahrhunderts" erwiesen habe.
Vergleichbare zivil-militärische Kampfräume finden
wir seit langer Zeit etwa in der Spiele-Industrie, wo das Bedürfnis des
Homo ludens mit Computer-Kriegsspielen befriedigt wird und die
Spiele-Industrie umgekehrt Simulatoren für die militärische Ausbildung
bereitstellt. In solchen Egoshooter-Spielen wird nur zum Schein,
virtuell, getötet - wie im Manöver und anderen militärischen Übungen.
Man hat im virtuellen Krieg, wo man mit mehreren
Leben ausgestattet ist, mehr Möglichkeiten zum Erlernen des
Kriegshandwerks. Zunehmend realistisch gestaltete Computerspiele können
eine Art Vorschule des Krieges für Jugendliche werden, können Militär
und Töten normalisieren. Auch in Popkultur und Popmusik finden sich
zunehmend Kriegsverharmlosung, wenn nicht -verherrlichung wieder. Auf
einer im Oktober von Freunden und mir organisierten Antikriegskonferenz
in Berlin sprach die Kulturwissenschaftlerin Susann Witt-Stahl über
Krieg und Populärkultur, über die "dunkle Seite des Pop". Witt-Stahl
argumentiert in der kulturkritischen Tradition von Theodor W. Adorno und
sieht eine wachsende Instrumentalisierung populärer Musik für
Kriegspropaganda, eine Ästhetisierung der Politik und eine "totalitäre
gesamtkunstwerkliche Ausrichtung der Kulturindustrie".
Kampf-Raum bedeutet auch, dass Kriege eine
räumlich-dreidimensionale, eine orbitale Ausweitung erfahren und nicht
zuletzt eine digitale Ausweitung in den Cyberspace. Cyberwar und
Cyberkriminalität bilden ein kaum noch differenzierbares Dunkelfeld.
Sicherheitsfirmen, die Bedrohungen erkennen und abwehren sollen, sind
insgeheim auch damit befasst, Bedrohungen aufzubauen - nicht nur zu
Übungszwecken, sondern um sie gegen politische Konkurrenten einzusetzen.
Snowden hat z.B. das geheime Cyberwar-Programm der USA aufgedeckt.
Das alles bedeutet, dass es keine eindeutigen
Grenzen mehr gibt zwischen zivil und militärisch. Man spricht von
Kollateralschäden, wenn unschuldige Zivilpersonen die Opfer
militärischer Gewalt werden. Das Militärische und das Zivile überlappen
und vermischen sich.
Dadurch ist es auch so ungeheuer schwierig und oft
erfolglos, über das Militärische aufzuklären, weil es sich zivil tarnt.
Ein Beispiel ist die Rolle zivilgesellschaftlicher Organisationen bei
militärischen Konflikten - siehe das Rote Kreuz oder
Entwicklungshilfe-NGOs. Oder nehmen Sie die Menschenrechte, die als
Grund für militärische Interventionen herhalten müssen. Umgekehrt dient
das Zivile dem Militärischen. Siehe die Art und Weise, wie wir uns durch
Handy und PC zu Objekten geheimdienstlicher und militärischer
Ausforschung machen und manipulierbar werden. Militarisierung kommt
heute nicht nur in Kampfuniformen daher, nicht nur Zack-zack, nicht nur
mit Kriegsbegeisterung und Militärparaden.
Kurzbiographie:
Dr. phil. Rudolph Bauer
(* 28. April 1939 in Amberg, Oberpfalz) war 1972 bis 2002 Professor an
der Universität Bremen, wo er den in dieser Form neuen Studiengang
Sozialpädagogik mit konzipierte. Er war Mitgründer der Bremer Ortsgruppe
der Gesellschaft für Deutsch-Chinesische Freundschaft (GDCF), später im
Bundesvorstand, 1979/80 Mitarbeit am Deutsch-Chinesischen Lexikon an
der Fremdsprachenuniversität Peking, veröffentlichte 1983 den
Karikaturenband China lacht. Prof. em. Rudolph Bauer ist weiter aktiv
als wissenschaftlicher und literarischer Autor, Essayist, Publizist und
Bildender Künstler.
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