Prof. James F. Tracy
26. August 2012
„Das größte Hindernis für Erkenntnis ist nicht die Unwissenheit – es ist die Illusion von Wissen.“
Daniel Boorstin
In George Orwells '1984' gehörten nur 13 Prozent der Bevölkerung zur Outer Party und sie waren Gegenstand von ideologischen Filtern vom Wahrheits-Ministerium und der umfassenden bürokratischen Struktur. Eine spezielle Sprache und Denkweise wurden strikt beachtet. Angesichts ihrer politischen Bedeutung waren die Mitglieder der Outer Party die am stärksten indoktrinierten und kontrollierten Bewohner von Ozeanien. Die Mehrheit der Proles der übrigen Bevölkerung hatte kaum Bedeutung, so lange ihr politisches Bewusstsein unterentwickelt war.
Zwar mussten die Mitglieder der Outer Party in 1984 härtere Bedingungen hinnehmen, aber sie entsprechen grob den gut-informierten, besser erzogenen Berufstätigen unserer Gesellschaft; jene, deren Pflicht es ist, der vorgefertigten Meinung anzuhängen, die in den großen, bestimmenden journalistischen Erzeugnissen wie der New York Times, Washington Post und dem nationalen öffentlichen Rundfunk bereitgehalten werden, die sorgfältig ausgewählt, bearbeitet und präsentiert werden. Derlei Informationen werden dann durch Schauspieler in zusammengefasster Form über Kabel und Fernsehen unter den Massen verbreitet.
Von ihren eigenen Qualifikationen getäuscht, umgeben von Gleichen, die ganz ähnlich die Wirklichkeit sehen und gestärkt durch die überwältigende Flut der Medien-Desinformation, ist das Gros der heutigen Profi-Klasse gleichgültig gegenüber 'Gerüchten' und 'Konspirations-Theorien', die allzu oft die heruntergekommenen Massen gefangennehmen – von unvernünftigem Verdacht bis zu mysteriösen Terroristenattacken und schlecht durchdachten Fragen zum verborgenen Hintergrund, der ihre Führer umgibt. Ähnlich wie die Experten-Beamten und die tonangebenden Medien suchen sie nach vorbereiteten Interpretationen der Welt, so dass die Wählerschaft der Klasse mit den herrschenden Ideen sich selbst als sehr gut informiert versteht und ähnlich desinteressiert und unberührt von grundlosen Leidenschaften ist.
Tatsächlich führt die Programierung, die notwendig ist, um solch einen Grad von Selbstsicherheit zu erreichen, zu einer Distanzierung von der Realität. Zum Beispiel war die Abneigung gegen den Krieg in den USA historisch gesehen immer am stärksten bei jenen, die der starken Indoktrinierung der Profiklasse entging, also den Leuten der Arbeiterklasse, die schlecht oder gar nicht ausgebildet waren. Wie der Historiker Howard Zinn beobachtete
„In
Meinungsuntersuchungen während des [Vietnam-Krieges] wurde
unausweichlich gezeigt, dass Leute mit der höchsten Erziehung –
Akademiker – die größten Anhänger des Krieges waren. Leute, die
keine höhere Schule besucht hatten, waren diejenigen, die am
entschiedensten gegen den Krieg waen. Dies ist überraschend, weil die
meisten Leute glauben, dass die Anti-Kriegs- Bewegung aus
Intellektuellen und Studenten und Professoren besteht. Während diese
Leute zwar in der Anti-Kriegs-Bewegung am sichtbarsten waren, ist die
öffentliche Meinung gegen den Krieg am stärksten konzentriert auf
die am wenigsten gebildeten Klassen.“
Neue
Meinungsumfragen deuten auf die dauerhafte Natur der
Anti-Kriegs-Gefühle. Zum Beispiel hat eine kürzliche Umfrage des
Pew Research Center for People and the Press ergeben, dass am 19.
März 2011, eine Woche bevor Präsident Obama die NATO- Bombardierung
von Libyen verkündete, 77 % der US-Öffentlichkeit gegen die
Zerstörung der Luftverteidigung des Landes war. Umfragen ein Jahr
später enthüllten, dass eine 62 %-Majorität gegen die
NATO-Bombardierung syrischer Armee-Kräfte war, um die
anti-Regierungsgruppen in Syrien zu schützen, „obwohl fast
derselbe Prozentsatz (64 %) zugab, dass sie "wenig" oder „überhaupt
nichts“ über „die jüngste politische Gewalt in Syrien“ gehört
hätten.Können wir mit Sicherheit schließen, dass eine Majorität der Bevölkerung trotz pausenloser Propaganda dennoch erkennt, dass Krieg das höchste Verbrechen ist und die größte Trennungslinie zwischen Herren und Sklaven ist? „Wenn es eine Hoffnung gibt, dann liegt sie bei den Proles“, schrieb Orwell, „weil nur dort, in diesen wimmelnden, missachteten Massen, fünfundachtzig Prozent der Bevölkerung Ozeaniens, jemals die Kraft entstehen könnte, um die PARTEI zu zerstören.“
James Tracy ist außerordentlicher Professor für Medienstudien an der Florida Atlantic Universität. Er blogt auf memorygap.org .
Quelle - källa - source
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