Dienstag, 16. September 2014

MOSKAU VERSTEHT ALLES

Blogger russischer crimsonalter

15. September 2014

Aus dem Französischen: Einar Schlereth


Selten, sehr selten, kann man sozusagen "den direkten Text" hören, wenn die ganz hohe Politik sagt, was sie denkt, und nicht das, was die Regeln der Diplomatie erfordern oder die politische Gelegenheit. Ich habe den Verdacht, dass die kürzlichen Erklärungen von Lawrow direkt an jene gerichtet sind, die sich die verdammte russische Frage stellen "Versteht der Kreml das, was passiert?"

Im Interview mit der Agentur TASS (à propos, ich gratuliere den Kollegen zur Rückkehr zum historischen Namen!!), hat Lawrow das Tüpfelchen aufs -i- gesetzt auf die Frage, wie der Kreml die Situation an der Westfront sieht: der Konflikt der Vereinigten Staaten mit uns hat einen grundlegenden, wichtigen und wohl vorherbedachten Charakter. Ich zitiere:
"Hätte es nicht die Krim und den Südwesten der Ukraine gegeben,  hätte der Westen was andres erfunden. Das Ziel war ganz klar: auf jeden Fall Russland aus dem Gleichgewicht bringen. Die Aufgabe ist seit langem formuliert worden. Nehmt Syrien. Es war schon zwei Jahre davor, dass die ganze Welt mit dem Finger auf uns zeigte als die Verteidiger des Diktators, der sein eigenes Volk tyrannisiert."

Für die besonders Begabten wiederholt Lawrow diese Anspielung nochmal mit ganz direkten Worten:
"Ich wiederhole: Wenn es den Wunsch gibt, findet sich ein Vorwand. Es ist nicht erst seit gestern, dass Washington und gewisse europäische Staaten beschlossen haben, Russland zu isolieren."

Folglich hat auch der Kreml das nicht erst gestern verstanden, dass die Situation auf der Achse Syrien - Iran - Ukraine wie auf einer Kette liegt und Episoden einer großen Kampagne zur Zerstörung Russlands sind.

In diesem Kontext möchte ich ein paar jüngere Ereignisse in aller Kürze kommentieren:

1. Der Waffenstillstand: Meiner Meinung nach wird er nicht lange dauern. Betreffs seiner Zweckmäßigkeit: das Stromnetz wiederherstellen, die Gasleitung Lugansk/Donetsk reparieren/in Ordnung bringen, die seit weiß wie vielen Jahren nicht benutzt hat, Eskorten mit humanitärer Hilfe bringen und "humanitärer Hilfe" - was besser in der Ruhepause als unterm Bombenhagel geschieht. Das Vorhandensein von Gas und Licht in der Republik Lugansk ist ein wichtiges Mittel für die künftigen Etappen des Konfliktes.
Ich wette 9 zu 1, dass der militärische Konflikt (mit periodischen Verhandlungen) lange dauern wird und beten wir zu Gott, dass ein Verhandlungsende in diesem Jahr noch sichtbar wird.

2. Die Umkehr-Blockierung in die Ukraine durch Gazprom. Den Europäern ist das Signal geschickt worden, dass "der Winter bevorsteht" und dass es Gazprom/Kreml absolut ernst damit ist, den Gas-Konflikt bis zum Ende zu führen.

3. Strelkow in Moskau. Er lebt - das ist gut. Er glaubt an gewisse Leute und arbeitet mit gewissen Leuten - das ist schlecht. Sehr schlecht. In erster Linie für ihn selbst.

4. Die Vereinigung EU-Ukraine ist auf das Jahr 2016 verschoben worden. Zu spät, meine Herren. Putin schlug (über Janukowitsch) diese Kompromiss-Variante während der vergangenen Wiederholung des Konfliktes vor. Jetzt kann man dies  erledigen als Eingeständnis Brüssels, dass Moskau am Anfang Recht hatte, aber nun nicht mehr. Die Hürden sind stark erhöht worden seit eine solche Variante aktuell war.

5. Die Sanktionen - je mehr, umso besser. Wichtig ist, dass sie sich zeitlich hinziehen, weil bei uns noch nicht alles fertig ist für die Alternativen für SWIFT und die anderen Komponenten des Finanzsystems, aber man arbeitet hartnäckig daran. Die Geschwindigkeit, mit der das jetzt geht ist beinahe ideal.

6. Der Vertrag mit Iran über das Öl beginnt sich herauszukristallisieren. Man muss den komischen Kumpels in Washington danken, die beschlossen haben, Ende August neue Sanktionen dem Iran aufzuerlegen - es war ein unerwarteter Schritt, sozusagen "Diplomatie à la Klitchko", die nicht alle schätzen konnten. Teheran schätzte sie nicht. Man kann sagen, dass die iranische Führung den IQ-Test erfolgreich bestand.

7. Putin hat Indien, Iran und Pakistan in die SOZ [Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit. AdÜ.] eingeladen. Selbst wenn nur eine der Einladungen Wirklichkeit wird, wird es ein immenser Sieg für die anti-amerikanische Koalition sein.

8. Die Anspielungen auf die Möglichkeit des Ausstiegs Russlands aus verschiedenen internationalen Verträgen. Nicht der Europäischen Menschenrechtskommission (EGMR), nein. EGMR ist eine Bagatelle. Viel interessanter sind die verschiedenen Abkommen der atomaren Bewaffnung, einschließlich jener, die die Aufstellung von Atomwaffen im Weltraum und auf den Unterwasser-Sockeln (in der Nähe der Vereinigten Staaten) verbieten - diese Richtung ist viel interessanter. Sie erfordern keine besonderen Investitionen, mehrere Technologien hat man schon, und für die USA ist das ein Alptraum. Das Ende des Herbstes wird sehr heiß. Vielleicht zu sehr.

Quelle - källa - source

Mit Dank an Olga, die den Text aus dem Russischen ins Französische übersetzte.

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