Einar Schlereth
7. Februar 2020
Kommentar zum Buch «La Gauche et la Guerre» (Die Linke und der Krieg) von Saïd Bouamama und Michel Collon
Am nächsten Tag ist der Spuk vorbei ... |
«Pas de guerre pour le pétrole!» (Kein Krieg um Öl!) so lauteten die Parolen 2003 von Millionen Menschen auf den Straßen, um den Krieg der USA gegen den Irak zu vermeiden. Aber 2011 zur Verhinderung der Bombardements in Libyen trat kein Mensch an. Schlimmer noch: dieselben Organisationen forderten den Krieg. Woher kam diese Kehrtwende?
Wer hat sich geändert zwischen 2003 und 2011? Die USA oder die Pazifisten? Rückblickend zählen B & C die größten Demonstrationen in der Geschichte der anti-Kriegsbewegung auf: 3 Mill. in Rom, 2 Mill. in Madrid, 1 Mill. in Barcelona und hunderttausende in Berlin, Paris, Brüssel und Athen. In Frankreich nahmen außerdem in 80 Städten noch Millionen Menschen aller großen Linksparteien, aller Gewerkschaften und einem Dutzend anderer Organisationen an den Demos teil.
Es war außerdem eine gemeinsame vorbildliche Plattform zustandegebracht worden, wie man sie besser nicht schreiben konnte, meinen B & C. Sie notieren: «Ohne jegliche Selbstgefälligkeit gegenüber der Diktatur Saddam Husseins lehnen die Unterzeichner den Krieg ab, der die Situation im gesamten Nahen Osten nur noch verschlimmern wird. Warum also werden all die Unterzeichner von gestern genau das Gegenteil sagen, wenn acht Jahre später die Bomben auf Libyen fallen?« Es würde alles nur noch schlimmer für alle Völker des Nahen Ostens machen – für die irakischen und kurdischen Völker, die schon unter dem Embargo und der blutigen Diktatur Saddam Husseins leiden: Und alle zusammen werden wir diesen Krieg verhindern können.
Und alle zusammen haben sie den Krieg nicht
verhindern können.
Bouamama und Collon haben selbst schon zwei grundlegende Fehler in ihrer Analyse gemacht, indem sie zwei großen Lügen der Imperialisten Vorschub geleistet haben. Erstens geht es die westlichen, rassistischen und faschistischen Regime einen Dreck an, was für eine Regierung diese Länder haben, die seit hundert Jahren auf das widerwärtigste geplündert und vergewaltigt werden. Die Länder der 3. Welt hätten ausreichend Gründe, Invasionen in Westeuropa und Nordamerika zu starten, um für Regime-change durcchzusetzen.
Zweitens wiederholen sie auch noch die Lügenerzählungen von der «blutigen Diktatur» Saddam Husseins. Haben sie sich keine Gedanken darüber gemacht, dass nach langer und gut vorbereiteter Planung gerade die Länder von den USA aufs Korn genommen wurden, die eine säkulare Verfassung hatten und deren Wirtschaft am weitesten entwickelt war? Die obendrein über große Vorkommen an NATIONALISIERTEN Öl hatten: Iran, Irak, Libyen, Syrien. Und die wahren «blutigen Regime» wie Saudiarabien, die VAE (Vereinigten Arabischen Emirate), Ägypten in den Rang von Busenfreunden erhoben wurden.
B & C brauchen dies nicht zu glauben. Sie können im Netz nachlesen, was General Wesley Clark im Pentagon selbst erlebt hat und was Jeff Archer nach 5-jähriger Arbeit als Buch (Die Mutter aller Schlachten) geschrieben hat (das durch meine Mithilfe auch auf Deutsch erschienen ist: Uncle Sams erster Kolonialkrieg in der Alten Welt, Ahriman Verlag 2015).
Mit etwas Überlegung kann man sich das durchaus auch selbst ein recht gutes Bild machen, wenn man sich anschaut, wie in 30 Jahren das Land von Saddam und dem irakischen Volk 3 x wiederaufgebaut wurde. Von einem sogenannten ‘Blutigen Regime’, einem Diktatur, der die Erdöl-Millionen verjubelt und in Palästen anlegt? Wohl kaum. Vor allem nicht nach einem von Saudis und USA inszenierten Überfall durch den Iran, der typischerweis auch dem Saddam in die Schuhe geschoben wurde.
Die Autoren selbst legen eine Liste von den ungeheuerlichen Zerstörungen an, die gegen die Genfer Konvention und die Internationalen Menschenrechte verübt wurden. Das alles konnte nicht von einem blutrünstigen Diktator geschaffen werden. Abgesehen von der wirklichen Religionsfreiheit, einer fast zu 100 % durchgeführten Alphabetisierung, einer effektiven Befreiung der Frau (der Irak hatte mehr Frauen in akademischen Berufen als sogar Deutschland, von den arabischen Ländern ganz zu schweigen).
Aber kommen wir zur Kritik von B & C an den Linken und linken Blättern, die nach 2003 eine Kehrtwende von 180 ° gemacht haben. Es hatte ja auch damals schon seitens der USA und vor allem seitens Blair (der jetzt wegen seiner Lügen vor Gericht gestellt wurde) und einer inellektuellen Mafia in Frankkreich (ich erinnere nur an die «Philosophen» und US-Sarkozy-Lakaien Bernard-Henri Lévy & André Glucksmann) üble Verleumdungen von Saddam gegeben, die auch nach Deutschland rüberschwappten und in sehr renommierten Verlagen (wie etwa Suhrkamp) veröffentlicht wurden. Aber das schlug nicht hundertprozentig durch, trotz der «eingebundenen» Journalisten – schon in den Irak-Kriegen und noch mehr in Libyen und Syrien.
B & CDa konstatieren viele Tatsachen, wie etwa den massiven Einsatz von grotesken Lügen im 1. Weltkrieg, dessen Entstehungs-Geschichte sie der üblichen Märchenpropagandakiste entlehnen. Sie sind nicht auf dem neuesten Stand, der beispielsweise von Jim Macgregor & Gerry Docherty (The Hidden History of WWI und The Prolonging of the Agony) geliefert wird oder in meinem Buch ‘The Odious Germans’ (Bod.se 2019).
Sie stellen auch viele Fragen auf, ohne eine zu beantworten. Das ist ebenso frustrierend wie die Anzeigen von fabelhaften Medikamenten und was alles mit ihnen geheilt werden kann, ohne gründliche Versuchsreihen anzugeben. Eine grundlegende Antwort ist natürlich, dass unglaublich viele Menschen käuflich sind. Das haben die Yankees im Irak und später auch in Libyen durchexerziert: In beiden Ländern wurden nicht gerade der halbe Generalstab, aber einige Schlüsselfiguren gekauft. Was die Deutschen ja auch schon in Russland mit Erfolg machten, was aber Stalin zum Glück vereiteln konnte. Nach gründlichen und korrekten Prozessen (worüber der amerikanische Botschafter sehr ausführlich geschrieben hat) wurden diese Figuren wegen Hochverrat gehängt, was Stalin den Titel ‘Blutiger Diktator’ einbrachte. In den USA werden solche Leute auf den elektrischen Stuhl gesetzt. Ist das humaner?
Und eine zweite grundlegende Antwort ist, dass die wichtigsten anti-Kriegskämpfer seit mehr als 100 Jahren die Kommunisten gewesen sind. Dieser Satz wird natürlich wieder ein Mords-Geschrei hervorrufen, was ihn aber nicht widerlegen kann. Aber auch dafür gilt natürlich die obige Aussage von der Käuflichkeit vieler Menschen, gegen die auch kommunistische Parteien nicht gefeit sind.
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