Dies
haben sich vielleicht einige Leser gefragt. Es gibt so viele
brennende (sogar im wörtlichen Sinne) Themen, die gegenwärtig die
Welt erschüttern – der Aufstand der Jugend in England und Europa,
Syrien, die still vor sich hindampfende Katastrophe in Fukushima, der
offene Krieg in Indien gegen die Armen, die eskalierenden US-Angriffe
auf Jemen und Somalia, die von den USA geschaffene Hungersnot am Horn
von Afrika, die Weltwirtschaftskrise, die fortdauernde humanitäre
Katastrophe im US-besetzten Haiti und so weiter ohne Ende. Warum also
gerade Libyen?
Zum
besseren Verständnis dieser Frage greift man am besten zu einem
Globus oder Weltkarte. Und dann kann man mit Rotstift all die Länder,
die von US/NATO direkt oder indirekt ins Visier genommen wurden, rot
umranden. Gleichzeitig muss man im Hinterkopf behalten, dass die
größten Feinde der US/NATO nach wie vor Russland und China sind.
Dann
betrachtet man zuerst Zentral- und Nordeuropa. Da sehen wir, dass
alles fest in der Hand der US/NATO ist: vom Nordmeer
Norwegen/Schweden/Finnland/Dänemark, ganz Zentraleuropa und
Südeuropa von der Türkei bis Portugal.
Als
nächstes den Mittelmeerraum. Da sieht es nicht so gut aus. Da sind
erstens Tunesien und Ägypten, zwei feste US-Alliierte, ins Wanken
gekommen, wo der Westen sein Möglichstes tut, um diese Länder in
ihrem Sinne zu stabilisieren. Zweitens gibt es zwei Länder, die sich
strikt geweigert haben, nach der US-Pfeife zu tanzen: Syrien und vor
allem Libyen. Ein unsicherer Punkt ist auch Palästina, auch wenn die
Israelis eifrig an einer Endlösung arbeiten.
Weiter
zum Nahen Osten. Dort wurde zwar der Irak befriedet, indem man ihn in
die Steinzeit zurückbombte – schlimmer noch, ihn auf hunderte
Jahre hinaus unbewohnbar machte. Im Grunde müsste das Land geräumt
werden, weil es total radioaktiv verseucht worden ist. Aber das wird
natürlich nicht geschehen. Die sollen dort ruhig krepieren. Man wird
immer noch genug Kulis finden, die dafür sorgen werden, dass das Öl
in die richtige Richtung fließt – nach Westen.
Der
Iran steht auf der Abschussliste und in Afghanistan ist man hart am
Arbeiten, um das Land völlig in den Abgrund zu stoßen, wenn man
schon nicht siegen kann.
Pakistan
ist gewissermaßen im Zustand einer kritischen Masse, wo es jederzeit
zu einem GAU kommen kann. Die Marionetten-Regierung von Washingtons
Gnaden weiss, dass sie auf einem schwachen Deckel sitzt, der dem
Druck nicht mehr lange standhalten wird. Trotzdem hampelt sie nur
herum, stößt leere Drohungen aus, ist aber unfähig, entschlossen
eine nationale Politik zu verfolgen. Wenn es dort zu krachen beginnt,
wird den USA nichts anderes übrig bleiben, als die berühmten 'boots
on the ground' zu schicken, aber mindestens 1 Million. Woher wollen
sie die nehmen? Also vielleicht Atombomben? Bei den Kriminellen in
Washington kann man nie wissen. Verwundete Ratten sind am
gefährlichsten.
Indien
ist ebenfalls problematisch, auch wenn sich die herrschende Klasse in
Sicherheit wiegt und sich obendrein dem großen Bruder als
Juniorpartner aufgedrängt hat. Nun bekommt es jede Menge US-Berater,
Technologie und KnowHow, um endlich den mehr als 30 Jahre dauernden
Krieg gegen die Armen, pardon gegen die Armut zu gewinnen. Wie lange
sich die mehr als 800 Millionen Inder, die von 2 $ täglich überleben
müssen, zufrieden geben werden, ist eine große Frage, die aber die
Herrschenden nicht sonderlich zu interessieren scheint, so lange die
Wirtschaft boomt, die Reichen immer reicher werden, und sie auf auf
ihre Waffen vertrauen können.
Echte
Brennpunkte sind der Jemen und Somalia, die das Pech haben, nicht nur
auf großen Erdöl- Vorkommen zu sitzen, sondern auch an dem enorm
wichtigen Wasserweg durch das Rote Meer und den Suez-Kanal zu liegen.
Auch dort meinen die Amerikaner das Problem mit Drohnen, Waffen und
ihren Experten lösen zu können. Außerdem stehen dort zwei weitere
Länder auf der US-Terrorliste: Sudan und Eritrea.
Zum
Schluss ein Blick auf den Fernen Osten. Dort haben die USA einen
festen Kordon aus sehr zuverlässigen Alliierten errichtet: Japan,
Südkorea, Taiwan, die Philippinen, Indonesien, Vietnam, Thailand und
Myanmar.
So
viel zur geostrategischen Lage. Schauen wir uns nun die roten Kreise
an, dann sehen wir, dass sie alle im Mittelmeerraum, dem Nahen Osten
und Südasien liegen. Dort toben auch drei regelrechte Kriege –
Afghanistan, Irak, Libyen – sowie zwei schwelende: Jemen und
Somalia. Fallen Libyen und Syrien auch in amerikanische Hand, dann
werden Russland und China nicht nur vom libyschen Öl abgeschnitten,
sondern deren Zugang zum Mittelmeer ist ohne Stützpunkt keinen
Pfifferling mehr wert. Das Gleiche gilt für die russische und
chinesische Flotte im Indischen Ozean, wenn Pakistan und Iran als
selbständige Staaten zu existieren aufhören und das Horn von Afrika
fest in US/NATO Hand gerät. Ohne einen Schuss abzufeuern, könnte
China von seinen wichtigsten Öllieferanten abgeschnitten werden wie
Japan vor dem 2. Weltkrieg. Nach internationalem Recht ist das zwar
eine Kriegserklärung, aber das hat die USA weder damals gestört,
noch würde sie das heute stören. Würden die Chinesen reagieren,
dann hätten sie den Krieg begonnen, so wie wir in der Schule
lernten, dass die Japaner den Krieg begannen. Auf jeden Fall hätten
die Amerikaner die totale Kontrolle darüber, wohin Öl fließen darf
und wohin nicht. Ihre politische Kontrolle im ganzen asiatischen Raum
würde noch effektiver werden, ebenso die materiellen Vorteile für
die eigene Wirtschaft und die eigenen Multis, auch wenn sie dort
nicht schalten und walten können wie in mittelamerikanischen
Bananenrepubliken.
Nun
zu Libyen und Gaddafi. Libyen hat enorme Erdölvorräte, sonstige
Mineralien und – was schamhaft verschwiegen wird – Wasser. Enorme
Mengen Wasser. Es wurde von Gaddafi verwendet, um den „von
Menschenhand geschaffenen Fluss“ zu erbauen (siehe die Beschreibung
dieses Wunderwerks der Technik und seine Bedeutung hier),
um die libysche Wüstenküste zu begrünen und Libyen
landwirtschaftlich selbstversorgend zu machen. (Etwas ausführlicher
werden Libyens Errungenschaften unter Gaddafi in meinem
Post hier beschrieben.)
Zum
ganz großen Schlag gegen den westlichen Imperialismus holte Gaddafi
aus, als er sich für die afrikanische Einheit und wirkliche
Unabhängigkeit Afrikas stark machte und für die Vereinigten Staaten
von Afrika. Und zwar nicht mit Worten, sondern mit Taten. Er bezahlte
zum größten Teil einen eigenen Satelliten für Afrika, um die
horrenden Fernseh- und Kommunikations-Gebühren an den Westen zu
sparen. Gaddafi hat eine Afrikanische Zentralbank mit Sitz in Abidjan
(Nigeria) geschaffen und arbeitete für die Einführung des
Gold-Dinars. Darüberhinaus schuf er die African Investment Bank mit
Sitz in Sirte (Libyen) und den African Monetary Fond mit Sitz in
Kamerun, die den IMF und die Weltbank ersetzen und die französische
monetäre Vorherrschaft mit ihrem CFA franc in Westafrika brechen
sollten (siehe den Artikel von Brian E. Muhammad hier.)
Natürlich
haben wir im Westen nichts über die Großtaten Gaddafis erfahren. Er
wurde uns ja immer als Verrückter und Halbidiot, wahlweise als
grausamer, größenwahnsinniger Diktator präsentiert. Kennt man
diese Fakten, dann wird der 30-jährige Krieg der USA,
Großbritanniens und Frankreichs gegen Gaddafi sonnenklar. Und auch
der jetzige „humanitäre“ Krieg.
Eines
ist sicher. Wenn Libyen besiegt und besetzt und Gaddafi
möglicherweise auch ermordet wird, dann werden das Land und die
Menshen die Segnungen des US-Kapitalismus pur erleben, wie schon der
ehemalige Ostblock. Von wegen freie Erziehung, volle
Gleichberechtigung der Frauen, freie Krankenversorgung, freies
Wohnen, jeden Monat Anteile der Erdölgewinne auf dem Konto,
subsidierte Lebensmittel, partizipative Demokratie. Die Menschen
brauchen nur einen Blick auf den Irak zu werfen, um in ihre herrliche
Zukunft zu schauen.
Aber für den gesamten afrikanischen Kontinent wird es zu einer furchtbaren Katastrophe werden. Ist Libyen erst einmal aus dem Weg geräumt, kann AFRICOM richtig losgehen. Das zersplitterte, macht- und wehrlose Afrika mit seinen unermesslichen Reichtümern, Bodenschätzen und landwirtschaftlichen Möglichkeiten wird einer neuen Epoche brutalster Ausbeutung, Erniedrigung und Versklavung entgegengehen. Jede Spur von Widerstand wird in den Anfängen mit äußerster Gewalt genau wie in den USA beseitigt. Man wird nicht warten, bis ein Cabral, Mondlane, Lumumba sich stark wächst. Die werden nach Möglichkeit schon in der Wiege abgemurkst. Dem schwarzen Kontinent steht eine noch schwärzere Zukunft bevor.
Aber für den gesamten afrikanischen Kontinent wird es zu einer furchtbaren Katastrophe werden. Ist Libyen erst einmal aus dem Weg geräumt, kann AFRICOM richtig losgehen. Das zersplitterte, macht- und wehrlose Afrika mit seinen unermesslichen Reichtümern, Bodenschätzen und landwirtschaftlichen Möglichkeiten wird einer neuen Epoche brutalster Ausbeutung, Erniedrigung und Versklavung entgegengehen. Jede Spur von Widerstand wird in den Anfängen mit äußerster Gewalt genau wie in den USA beseitigt. Man wird nicht warten, bis ein Cabral, Mondlane, Lumumba sich stark wächst. Die werden nach Möglichkeit schon in der Wiege abgemurkst. Dem schwarzen Kontinent steht eine noch schwärzere Zukunft bevor.
Einar Schlereth Klavreström, 24. August 2011
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